American Sniper, USA 2015 • 132 Min • Regie: Clint Eastwood • Mit: Bradley Cooper, Sienna Miller, Luke Grimes, Navid Negahban • FSK: ab 16 Jahren • Kinostart: 26.02.2015 • Deutsche Website
„American Sniper“ ruft zwiespältige Gefühlsregungen hervor. Vielleicht reichen sie in ihrer Bandbreite von patriotischen Vaterlandsgefühlen über fragliche Heldenverehrung, oder unwohle Abscheu bis hin zu respektvoller Bewunderung – um ein paar ausgewählte zu nennen. In Clint Eastwoods neuestem Werk können viele Zuschauer einen unterschiedlichen Zugang wählen. An sich ist das auf den ersten Blick eine gute Sache, weiß man aber nicht genau, mit welcher Absicht das Biopic um den berüchtigten Navy SEAL-Scharfschützen Chris „The Legend“ Kyle (160 bestätigte Abschüsse in seinen Irak-Einsätzen) gedreht wurde. Eastwood selbst bewegt sich politisch in seinen Aussagen meist in der Mitte irgendwo zwischen Demokraten und Republikanern, mit Tendenz zu den Republikanern. Dafür, dass Eastwood anscheinend gegen Übersee-Einsätze ist, trifft sein Kriegs-Drama den Nagel nicht so eindeutig auf den Kopf wie seine vergangenen Reden. Letztendlich gibt der Regisseur dann sowohl einseitige, platte Ansichten in seinem Film zum Besten als auch erschütternd aufrüttelnde Momente wenn „The Legend“ den Abzug drückt. Die Gräben zwischen Glauben, Patriotismus und Familienleben werden jedenfalls für Chris Kyle mit jedem Einsatz größer. Eastwood liefert also keinen reinen Kriegsfilm, sondern lässt den Zuschauer auch an den zivilen Begleitumständen teilhaben.
In Texas wächst der zukünftige Navy SEAL Chris Kyle (Bradley Cooper) auf und lernt als Schuljunge von seinem Vater den Umgang mit Gewehren und die Einteilung der Menschen in die Gruppen „Schafe, Wölfe und Hirtenhunde“. Als mäßig guter Rodeo-Cowboy versucht Chris den texanischen Traum eines jeden Jungen zu leben. Nach Anschlägen auf US-Botschaften in Tansania und Kenia im Jahr 1998, meldet sich Kyle bei den Nay SEALS, um Scharfschütze zu werden. Nach den Anschlägen vom 11. September wird er in den Irak geschickt und lässt seine Frau Taya Renae (Sienna Miller) daheim zurück. Insgesamt absolviert er vier Einsätze im Irak, macht sich als Scharfschütze einen Namen („The Legend“) und fährt beinah seine Ehe und Familienplanung vor die Wand, weil er die größere Verpflichtung gegenüber seinen Kameraden sieht.
Bradley Cooper ist zum dritten Mal in Folge für den Oscar nominiert (zuvor „Silver Linings“ und „American Hustle“). Für die Rolle des Chris Kyle trainierte er sich ordentliche Power an, um einen markanten, texanischen Navy SEAL glaubhaft zu verkaufen. Seine Darbietung ist an den geeigneten Stellen verbissen, kämpferisch, traurig, apathisch, glücklich und zögerlich. Schließlich erfährt er auf seiner spaßigen Hochzeitsfeier, dass der erste Einsatz ansteht und er seine schwangere Frau (schlagfertig und verletzlich Sienna Miller) allein lassen wird, um dann später als tapsiger Kriegsheimkehrer mit einem posttraumatischen Stresssysndrom auf Heimaturlaub nicht wirklich Fuß fassen zu können. Lösung? Es geht zurück in den nächsten und wieder nächsten Einsatz. Solange bis der Getriebene ein Einsehen hat und bereit ist wirklich nach Hause zu kommen und sich psychologischer Hilfe annimmt. Davor hat er für Kameraden und seinen eigenen Bruder jedoch keinerlei Verständnis bei desillusionierten und gegenläufigen Geschwafel zu einem für sie sinnlosen Krieg. Schließlich geht er soweit, dass er den Tod eines Kameraden auf die „Zweifel an der Sache“ schiebt. Verblendung lässt grüßen.
Was war Chris Kyle für ein Mensch? Google geizt nicht mit Berichten von seinen mehr als nebulösen Statements über die getöteten Iraker, welche er als „Wilde“ bezeichnete. Zudem soll er viel Spaß an seinem Job gehabt haben und besorgte sich die Bestätigung für sein richtiges Handeln von seinen Kameraden. Diese feierten den scheinbar abgeklärten Sniper, wenn er von den Dächern über sie wachte. Wo in dem ausgezeichneten „The Hurt Locker“ noch der kriegerische Adrenalin-Kick für den Protagonisten zählte, ist es für Kyle eine Sache der Ehre und leicht verklärter Vaterlandsliebe. Zugegeben, in manchen Situationen des Films schießt Kyle ganz locker, ohne viel Aufhebens die Feinde ab; ob von hinten in den Rücken spielt keine Rolle. Dann sind gerade die ruhigen, panoramaartigen Szenen, wo Kyle lange durch das Zielfernrohr blickt und ein Kind in das Visier nimmt, umso mehr als Gegenstück zu den anderen beinah beiläufigen Kills zu sehen. Hier weht dann doch mit Wohlwollen ein Hauch kritischer Wind über die Schauplätze des mörderischen Gewühles im Sand des Nahen Ostens. Ansonsten werden die Iraker eher monodimensional als Schlächter und hinterhältige Blender vorgeführt, die von einem vielleicht vom Irrglauben, das Richtige zu tun, geleiteten patriotischen Killermaschine getötet werden. Chris Kyle, nach seiner aktiven Zeit beim Militär als Ansprechpartner und Betreuer für Veteranen zuständig, wurde dann ausgerechnet von einem psychisch labilen heimgekehrten Kamerad auf den Schießstand erschossen.
Letzten Endes überwiegt das Gefühl, eine kleine Recruitment-Show für die ARMY zu sehen. Eine Ladung Patriotismus zu viel und eine Ladung kritische Einsicht zu wenig sorgen für Missstimmung bei manchen Szenen. Vor den Abspann sind originale Aufnahmen von der Leichenwagenfahrt mit Chris Kyles Sarg zur Ruhestätte montiert. Gezeigt werden tränenreiche, solidarische Trauerbekundungen entlang der texanischen Straßen und Kyle wird zur Heldenikone stilisiert. Will man in „American Sniper“ den nüchternen Blick der Filmkunst auf den Bewusstseinszustand von manchen Soldaten, oder eine rechtfertigende amerikanische Rambo-Show, oder einen Trog voller Reizthemen für anti-amerikanische liberale europäische Phrasendrescher sehen? Mit Sicherheit lohnt die Diskussion über einen sehenswerten Film, welchem die klare Haltung zu seinem Thema fehlt.
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