It, USA 2017 • 135 Min • Regie: Andy Muschietti • Mit: Jaeden Lieberher, Sophia Lillis, Bill Skarsgård, Finn Wolfhard, Jeremy Ray Taylor, Chosen Jacobs, Jack Dylan Grazer, Wyatt Oleff • FSK: ab 16 Jahren • Kinostart: 28.09.2017 • Website
Handlung
Auf den ersten Blick ist Derry, Maine eine beschauliche US-amerikanische Kleinstadt wie jede andere. Es ist das Ende der achtziger Jahre und die Kinder verbringen ihre Sommerferien noch nicht vor der PlayStation, sondern draußen in der Natur und erleben Abenteuer. Doch der Schein trügt, denn etwas Grauenvolles lauert hinter der heilen Fassade von Derry. Mehrere Kinder verschwinden spurlos. Eins von ihnen ist George, der kleine Bruder von Bill (Jaeden Lieberher). Gemeinsam mit seinen Schulfreunden, dem großmäuligen Richie (Finn Wolfhard), dem hypochondrischen Eddie (Jack Dylan Grazer) und dem skeptischen Stan (Wyatt Oleff) erforscht Bill abgelegene Orte rund um Derry, in der Hoffnung, George wiederzufinden. Neuankömmling Ben (Jeremy Ray Taylor), der daheim unterrichtete Vollwaise Mike (Chosen Jacobs) und die trotz gnadenlosen Mobbings selbstbewusste Beverly (Sophia Lillis) schließen sich der Gruppe an. Als selbsternannter Club der Verlierer finden die sieben Kinder untereinander den Halt, den ihre entweder gleichgültigen oder überfürsorglichen oder gar missbräuchlichen Eltern nicht bieten können. Zusammen bieten sie auch dem soziopathischen Schulhofschläger Henry Bowers (Nicholas Hamilton) und seiner Gang die Stirn. Die größte Gefahr für die sieben geht jedoch nicht von Henry aus. Sie werden von verstörenden Visionen eines unheimlichen Wesens heimgesucht, das häufig die Form eines gruseligen Clowns (Bill Skarsgård) annimmt. Schnell wird ihnen klar, dass dieses Monster für das Verschwinden der Kinder verantwortlich ist. Wenn sie nicht selbst die nächsten Opfer des Bösen werden wollen, müssen sie sich ihm gemeinsam stellen.
Kritik
Mit über 50 veröffentlichten Romane und unzähligen Kurzgeschichten ist Stephen King nicht nur einer der bekanntesten und meistverkauften, sondern auch einer der produktivsten Horror-Schriftsteller unserer Zeit. Er ist auch einer der meistverfilmten. Seine IMDb-Seite zählt insgesamt über 200 Einträge von Spielfilmen, Kurzfilmen und TV-Serien und –Miniserien. Sucht man jedoch nach wirklich guten Umsetzungen von Kings Vorlagen, wird die Liste deutlich kürzer. Allein dieses Jahr erlebten wir schon zwei zu unterschiedlichen Graden misslungene King-Verfilmungen. Nur ins Heimkino schaffte es der grotesk schlechte Puls mit John Cusack und Samuel L. Jackson, während der erschreckend unambitionierte Der dunkle Turm aktuell noch in unseren Kinos läuft. Es ist erfreulich, dass Andy Muschiettis Es im Kontrast zu diesen Rohrkrepierern steht und den Geist und die Themen von Kings Romanvorlage so gut einfängt, wie keine andere seiner Verfilmungen in den letzten Jahren.
Was Es noch seltener macht, ist, dass es auch noch eine gelungene Adaption von einem von Kings Horrorromanen ist. Die Mehrheit der wirklich guten Verfilmungen seiner Werke, wie Die Verurteilten, The Green Mile, Stand by Me oder Misery, hatten keine oder nur nebensächliche übernatürliche Elemente. Muschietti und die Drehbuchautoren Chase Palmer, Cary Fukunaga und Gary Dauberman haben begriffen, dass der Erfolg jener Filme in deren Fokus auf die Charaktere begründet war. Stephen King mag in seinen Büchern unvorstellbare Monster heraufbeschwört haben, doch sein Interesse galt immer primär den Menschen, guten, bösen und ambivalenten.
So ist Es auch kein Film über ein mörderisches Clown-Monster, sondern über sieben von ihrer Umwelt vernachlässigte Kinder, deren Freundschaft ihnen dabei hilft, Herausforderungen zu meistern. Nur dass in ihrem Fall eine dieser Herausforderungen eben ein mächtiges, bösartiges Wesen ist, das Kinder gerne terrorisiert und verspeist. Es ist aber dennoch primär ein Film über die Magie, aber auch über die Tücken des Erwachsenwerdens und die Feststellung, dass die Erwachsenen einen nicht immer beschützen werden. Die Kinder aus dem Club der Verlierer sind Außenseiter und tragen alle Ballast. Bills Eltern nehmen ihren Sohn nach dem Verlust von George vor lauter Trauer kaum wahr; Ben ist übergewichtig und findet als neues Kind in der Stadt keinen Anschluss; Mike hat seine Eltern bei einem Brand verloren und wird wegen seiner Hauptfarbe gemobbt; Eddie leidet unter seiner krankhaft überfürsorglichen Mutter. Das schwerste Los hat Beverly gezogen, die zu Hause von ihrem Vater sexuell missbraucht und in der Schule schikaniert und als Schlampe in Verruf gebracht wird. Diese Kinder haben es nicht einfach, doch gemeinsam fühlen sie sich stark.
Im Vorfeld lag sowohl in den Medien als auch bei den Fans der Vorlage und der (schlecht gealterten) Miniserien-Adaption von 1990 der Fokus auf der Besetzung des Clowns Pennywise, der durch Tim Currys grandiose Performance zu einer Horrorikone und dem Sinnbild eines Horror-Clowns wurde. Doch wenn man den Film sieht, merkt man schnell, wie viel wichtiger die Besetzung der Kinder war als die von Pennywise, und zum Glück ist diese ausnahmslos gelungen. Bereits nach wenigen Minuten, in denen wir Bill gemeinsam mit Eddie, Richie und Stan erleben, nimmt man den vier sofort ihre Freundschaft ab, und die anderen drei fügen sich nahtlos ein. Keins der Kinder wirkt überflüssig in der Gruppe, jedes hat eine eigene Rolle im Geschehen zu spielen und alle jungen Darsteller wirken ausgesprochen natürlich in ihren Rollen. Jeder Filmfan weiß, dass gute Kinderdarsteller nicht selbstverständlich sind und eine alte Weisheit des US-Komikers W.C. Fields besagt, man solle nie mit Kindern oder Tieren arbeiten. Umso beeindruckender ist es, dass hier der komplette Film von sieben Kindern getragen wird, ohne einen einzigen Ausfall. Nicht nur haben sie wunderbare Chemie und lässigen Umgang miteinander, sodass ihre feste Freundschaftsbande und die "einer für alle, alle für einen"-Einstellung sehr authentisch wirken, sie verhalten sich auch realistisch im Angesicht der unbeschreiblichen Schrecken, die ihnen begegnen. Sie haben spürbare Angst und sie stellen sich dem Monster widerwillig, weil sie wissen, dass ihnen sonst niemand helfen wird. Es ist erfrischend, wenn Richie die Gruppe wiederholt ermahnt, dass sie nur Kinder sind, die im Sommer draußen Spaß haben sollten, anstatt in der Kanalisation oder heruntergekommenen Häusern einem Monster hinterherzujagen.
Obwohl alle Kinder wirklich gut besetzt sind, bleibt die Figurenzeichnung bei den meisten alleine schon aus Zeitgründen eher oberflächlich, mit der Ausnahme von Bill und Beverly. Die Darstellerin der letzteren ist besonders hervorzuheben. Newcomerin Sophia Lillis ist eine schauspielerische Wucht, die jede ihrer Szenen an sich reißt und am Ende noch deutlich mehr in Erinnerung bleibt als Pennywise und seine Trickkiste. Nach außen hin mutig und beherzt, versteckt sie tief sitzende Wunden, die ihr durch ihren Vater zugefügt wurden. Der Kampf gegen Es ist für sie zugleich auch die Emanzipation von einem noch größeren und ihr deutlich näheren Ungeheuer. Lillis erinnert an eine junge Amy Adams mit entsprechend ausgeprägtem Talent (ironischerweise wird sie demnächst in der HBO-Miniserie "Sharp Objects" sogar eine junge Version von Adams spielen) und wenn die Academy Genrefilme nicht ignorieren würde, wäre sie eine klare Kandidatin für eine Nebendarstellerin-Oscarnominierung. Ja, sie ist so gut!
Man kommt natürlich nicht umhin, auch die Performance von Skarsgård als Pennywise anzusprechen. Angelegt als eine Mischung aus Heath Ledgers Joker (der goldene Standard für Bösewichte heutzutage, wie es scheint) und Robert Englunds Freddy Krueger, ist sein Pennywise weniger aufrichtig gruselig, sondern viel eher unheimlich und, aus Mangel an einem besseren Ausdruck, fucked up. Dieser Pennywise spielt mit seinen Opfern, verhöhnt sie und schickt sie, ähnlich zu Freddy, in ihre ganz eigenen Albtraum-Szenarien. Die Makeup- und Effektekünstler holen sehr viel aus Pennywise heraus. Im Gegensatz zur alten Miniserie, ist das Monster hier noch viel weniger auf eine bestimmte Form festgelegt, sodass Pennywise gar nicht so viele Auftritte hat, wie man vielleicht vermuten würde. Vielmehr machte sich Muschietti die formwandelnden Eigenschaften des Monsters aus dem Roman zunutze und ließ seiner Vorstellungskraft freien Lauf, was insbesondere beim großen Showdown zu einigen echt spektakulären visuellen Eindrücken führt (insbesondere in einem IMAX-Kino, in dem ich den Film sah), die im Gedächtnis haften bleiben.
Es ist nicht besonders gruselig oder furchteinflössend, wie es sich bestimmt viele Zuschauer, denen die Miniserie als Kinder und Jugendliche eine Heidenangst eingejagt hat, erhoffen. Es gibt im Film zwei wirklich gruselige Momente, einer davon unter Einbeziehung eines Dia-Projektors, doch ansonsten wirkt der Horror wie eine wirklich gute Geisterbahn. Schaurig, manchmal intensiv, einfallsreich, aber selten wirklich erschreckend. Es zeigt sich doch immer wieder, dass große Effekthascherei, sei es denn mit CGI oder handgemachten Effekten (beides kommt hier im großen Stil zum Einsatz) echtem Grusel entgegenwirkt, doch der Film verdient Pluspunkte für einige optisch wirklich ausgefallene Einfälle, die in den Trailern zum Glück nicht verraten werden. Fast noch unheimlicher als Pennywise ist in dem Film übrigens das Bild der Erwachsenen aus Derry, von denen kein einziges positives Beispiel gezeigt wird. Entweder werden die Kinder vernachlässigt oder missbraucht oder einfach in ihrer Not ignoriert.
Nichts alles in dem Film ist zum Glück düster. Es gibt etliche entspannte, gar humorvolle Momente (Stichwort: New Kids on the Block) mit den Kindern, die die ansonsten bedrückende Atmosphäre auflockern. Und Richie sagt auch wirklich gerne "Fuck", dem R-Rating sei dank.
Was Andy Muschietti in Es nicht schafft, ist es, dem Film einen ganz eigenen Stempel aufzudrücken. Wie schon bei seinem Regiedebüt Mama, zeigt er wieder, dass er ein solider, sicherer Horror-Regisseur ist, dessen Stärken aber mehr bei den Charakteren und weniger bei der Atmosphäre liegen. Muschietti ist (noch) kein Visionär und bei den Gruselszenarien seines Films bedient er sich freilich bei Vorbildern wie Guillermo del Toro, Wes Craven und sogar Nicolas Roeg, dessen Klassiker Wenn die Goldeln Trauer tragen in einer Szene ganz spezifisch zitiert wird. Er imitiert gut, ohne große Patzer (von seiner Vorliebe für Effekte vielleicht abgesehen), doch es fehlt das letzte Bisschen der eigenen Vision und Originalität zum Meisterwerk-Status. Lob gebührt jedoch definitiv dafür, dass das Gefühl, das Stephen King in seinem Roman erzeugt, sehr gut getroffen wird. Erfreulich ist auch, dass Muschietti der Versuchung widersteht, auf den Erfolgszug von "Stranger Things" aufzuspringen und sich in der Achtziger-Nostalgie zu suhlen. Das Setting ist schon klar definiert (Lethal Weapon 2 und Batman spielen im Kino, Richie zockt "Street Fighter"), die Geschichte wirkt aber zeitlos.
Als Zuschauer werden viele für den Clown kommen, doch mit dem Gefühl gehen, Zeuge einer glaubwürdigen, magischen Freundschaft aus einem Lebensabschnitt geworden zu sein, in dem das Leben nach außen hin noch einfach erscheint, doch auf die direkt Beteiligten ungleich komplizierter und verwirrender wirkt. Stephen King sagte einst, dass Stand by Me die erste wirklich gute Adaption von einem seiner Werke war und es ist jener Film mehr als jeder andere, mit dem sich Es zu messen versucht. Den Vergleich besteht Es blendend.
Fazit
So wie der äußerlich idyllische Schein von Derry im Film, täuscht auch die Fassade von Andy Muschiettis Es. Die gelungene Stephen-King-Adaption ist kein reines Horror-Eventkino über einen gruseligen Killer-Clown, sondern vor allem eine einfühlsame, scharfsinnige Coming-of-Age-Geschichte mit fantastischen Kinderdarstellern (besonderes Lob an Newcomerin Sophia Lillis), aufgepeppt mit originellen, intensiven, wenn auch nur gelegentlich gruseligen Geisterbahn-Effekten. Hier hält sich der Alltags-Horror mit dem übernatürlichen Grauen die Waage, sodass Pennywise fast schon zur (verstörenden) Nebensache wird.
Also ich bin da überhaupt nicht der gleichen Meinung! Im Neuen sind Pennywise und die Zombies die er heraufbeschwört doch nur völlig austauschbarer Splatter-Horror ohne jeden Charakter! Und die Freundschaft des Club der Verlierer wird im alten TV-Film wesentlich besser aufgebaut!! Ja, diese Beverly ist gut, aber sie ist hier auch ein smartes überaus fesches Mädchen, dass überhaupt nicht als “loser“ rüberkommt…
Schwacher, hohler Blockbuster mMn!