Kurenai no buta, JP 1992 • 94 Min • Regie: Hayao Miyazaki • Mit den deutschen Stimmen von: Dieter Memel, Matthias Klie, Madeleine Stolze, Marieke Oeffinger • FSK: ab 12 Jahren • DVD-Start: 18.09.2006 • Verleih: Universum Film GmbH
Handlung
Porco (Dieter Memel) ist ein Luftwaffen-Veteran des ersten Weltkrieges, dessen Gesicht durch einen mysteriösen Zauber in das eines Schweines verwandelt wurde. Nach dem tragischen Verlust seiner Einheit und dem Ende des Krieges führt er ein Eigenbrötler-Dasein und lebt zurückgezogen auf einem kleinen Atoll, irgendwo in der Adria. Seinen Lebensunterhalt verdient er damit, die Luftpiraten der Umgebung um ihre Beute zu bringen. Nur selten schaut er auf einen Drink im Hotel Adriano vorbei, welches von der schönen Sängerin Gina (Madeleine Stolze) betrieben wird. Gina ist Porcos einzige verbliebene Freundin aus der Zeit vor dem Krieg und scheint insgeheim noch Gefühle für ihn zu hegen. Nach einem weiteren seiner Beutezüge schmieden die Luftpiraten Pläne, ihn zur Strecke zu bringen und heuern dafür den amerikanischen Piloten Donald Curtis (Matthias Klie) an. Was für diesen bloß als gut bezahlter Auftrag beginnt, bekommt bald eine persönliche Note, da sich Curtis in Gina verliebt und in Porco einen unliebsamen Nebenbuhler sieht. Als sich Porco auf den Weg nach Mailand macht, um sein Flugzeug ausbessern zu lassen, kommt es zum Luftkampf zwischen den beiden Flieger-Assen, den Curtis für sich entscheiden kann. Doch Porco überlebt und setzt seine Reise nach Italien fort, sehr zur Verwunderung Ginas, da er dort als Deserteur gesucht wird. In der Werkstatt seines Freundes Piccolo (Klaus Münster) will er sein mittlerweile schwer beschädigtes Flugzeug wieder in Stand setzen lassen. Dort trifft er auch auf dessen Nichte Fio (Marieke Oeffinger), die trotz ihres jungen Alters in der Werkstatt arbeitet und ihre eigenen Plänen mit Porco hat…
Kritik
Schweine können fliegen. Wenn es einen Regisseur gibt, der diese sprichwörtliche Unmöglichkeit filmische Realität werden lassen kann, dann ist es Hayao Miyazaki. Schließlich hat er auch die tapfere Nausicaä („Nausicaä aus dem Tal der Winde“, 1984), die kleine Hexe Kiki („Kikis kleiner Lieferservice“, 1989) und den geheimnisvollen Magier Hauru („Das wandelnde Schloss“, 2004) durch die Lüfte sausen lassen und selbst das Schloss Laputa in den Himmel gehoben („Das Schloss im Himmel“, 1986). In „Porco Rosso“ (1992) ist es nun der titelgebende Schweine-Mensch, der den alten Traum vom Fliegen lebt.
„Porco Rosso“ basiert auf einem Manga von Miyazaki und war ursprünglich als 45-minütiger Film zur Vorführung auf Flügen von Japan Airlines geplant. Wie Miyazaki selbst in einem Interview zugab, ging er zuerst mit dem Gedanken „we’re just doing this just for laughs“ an die Produktion heran. Erst im Laufe der Arbeit bemerkte er, dass sein Team mit vollem Elan bei der Sache war und das Projekt nicht nur zum abendfüllenden Spielfilm werden ließ, sondern dem nach außen hin heiter wirkenden Film einen ernsten Hintergrund und einen melancholischen, fast schwermütigen Grundton gab. Porco Rosso ist eine tragische Figur. Vom Schicksal hart getroffen und letztendlich nicht von einem Zauber, sondern vom Leben selbst gezeichnet. Mit seiner Einheit hat er auch sein Gesicht verloren – ganz bildlich.
Die Handlung des Filmes spielt ungefähr 1929 bis 1930. Die sich anbahnende Wirtschaftskrise liegt wie ein nahender Schatten über der Welt, und die politische Situation verschärft sich ebenfalls, wie Porco bei seiner Rückkehr nach Italien feststellen muss. Der kindliche Zeichenstil sollte keinesfalls darüber hinwegtäuschen, dass „Porco Rosso“, anders als die meisten anderen Filme von Miyazaki, für Erwachsene besser zu verstehen ist als für Kinder. Nicht nur durch die Verweise auf weltgeschichtliches Geschehen, sondern auch auf andere Filme und Bücher. Ginas kleines Hotel, vollkommen abgeschieden von den Irrungen der restlichen Welt, erinnert ein wenig an „Ricks Café“ aus „Casablanca“. Und wenn Porco einem ehemaligen Gefährten, der ihm anbietet, wieder für die italienische Luftwaffe zu fliegen, erwidert, er wäre „lieber Schwein als Faschist“, sind die Parallelen zu George Orwell offensichtlich.
Aber, Miyazaki wäre nicht Miyazaki, wenn er seinem Film nicht trotz alledem einen luftig-leichten Anstrich verpassen würde. Das schier endlose Blau der Adria sowie des darüber liegenden Himmels und der spröde Charme der alten Flugzeuge, die jenen beherrschen, sind wie immer malerisch in Szene gesetzt. Genauso sind die Kunststücke, die die tollkühnen Luftakrobaten absolvieren, flüssig animiert. Und dass die Musik von Stammkomponist Joe Hisaishi wieder wunderbar ist, versteht sich da fast von selbst. Sogar Humor findet in dieser Geschichte seinen Platz, zumeist in Form von fast schon cartoonhaftigen Slapstick-Einlagen der Luftpiraten. Dies ist allerdings eines der Elemente, die dem ansonsten sehr guten Film eher schaden. Zu krass ist der Bruch mit dem restlichen Ton, gerade die finale Konfrontation zwischen Porco und Curtis verliert dadurch viel von ihrer Dramatik. Zudem kann das Drehbuch nicht ganz überzeugen. Die Figur der Fio ist an sich eine schöne Idee, stellt sie den hauptsächlich männlichen Figuren der Handlung doch eine souveräne, zielstrebige und selbstständige Frau gegenüber. Leider bekommt sie vom Drehbuch wenig Hintergrund und wird nach ihrer Einführung doch wieder nur zum Zuschauen verdonnert. Das ist sehr schade, denn dadurch wirkt die Geschichte unausgegoren und inhomogen. Es gibt zahllose wunderbare Einzelszenen – Porcos Luftballett für Gina oder seine Erinnerung an den Krieg, um nur zwei zu nennen – aber ein stringenter Plot, der vom Drehbuch deutlich angedacht wird, will sich nicht einstellen. Am Ende kommt alles irgendwie ins Lot. Warum und wie genau, diese Antworten bleibt der Film dem Zuschauer leider schuldig.
Fazit
Porco Rosso scheitert auf hohem Niveau und hauptsächlich an seinen eigenen Ambitionen. Die Mischung aus kindlichem Zeichenstil, albernem Slapstick und einer tieftragischen Geschichte will nicht ganz funktionieren. Allerdings ist es gerade diese Ambivalenz, die Porco Rosso so sehenswert macht. Es ist vielleicht einer er schwächeren Filme von Hayao Miyazaki, zugleich aber einer der interessantesten. Und selbst ein schwacher Miyazaki ist immer noch ein sehr guter Film.
Trailer
https://youtu.be/L4SyyLJKmUk