Flight, USA 2012 • 138 Min • Regie: Robert Zemeckis • Drehbuch: John Gatins • Mit: Denzel Washington, Don Cheadle, John Goodman, Brian Geraghty, Bruce Greenwood, Nadine Velazquez • Kamera: Don Burgess • Musik: Alan Silvestri • FSK: ab 12 Jahren • Verleih: StudioCanal • Kinostart: 24.01.2013 • Website
Es ist Denzel Washington, der in Robert Zemeckis' Realfilmrückkehr „Flight“ die volle Zuschaueraufmerksamkeit an sich reißt – mit einer Wahnsinnsperformance, welche ihm ohne Zweifel seine dann sechste Oscarnominierung einbringen könnte. Zwei der goldenen Statuen hat der Mime ja bereits mit nach Hause nehmen dürfen, die eine für „Glory“ (1989) und die andere für „Training Day“ (2001). Dieses Mal spielt er einen Flugzeugcaptain mit einem ernsten Problem. Während eines Passagierfluges von Orlando nach Atlanta kommt es in der Maschine zu technischen Ausfällen, eine riskante Notlandung bleibt für Whip Whitaker (Washington) die einzige Option. Sechs Menschen sterben dabei. In Anbetracht der übrigen Überlebenden müsste Whip als Held gefeiert werden, doch unter dem selbstbewussten Auftreten verbirgt er ein dunkles Geheimnis: Er ist schwerer Alkoholiker und auch während des Vorfalls alles andere als nüchtern gewesen. Ein Verfahren wird eingeleitet – wird dabei festgestellt, dass der Pilot durch seinen Zustand Mitschuld an dem Absturz trägt, so könnte dies eine lebenslängliche Gefängnisstrafe für ihn bedeuten. Mitten in seiner Misere lernt er Nicole (Kelly Reilly) kennen, die gerade eine Heroinüberdosis überlebt hat und einen gründlichen Lebenswandel anstrebt. Sie versucht, auch Whip auf einen besseren Weg zu bringen, doch die Ketten in seinem Inneren lassen ihn nicht los …
Im Kern erzählt „Flight“ eine einfache Geschichte über zweite Chancen, die sich gelegentlich vor Menschen auftun. Die Schicksale zweier Figuren – das von Whip und das von Nicole – werden bereits zu Anfang zusammenmontiert, obwohl noch keine offensichtliche Beziehung zwischen ihnen besteht. Tatsächlich hätte sich Regisseur Zemeckis, der hier zum ersten Mal seit seinem Abenteuerdrama „Cast Away“ von 2000 wieder mit echten Darstellern vor der Kamera arbeitet, eher einen Gefallen getan, den zwar sympathischen, aber insgesamt unnötigen Handlungsstrang mit dem unvermuteten Engel aus dem Film zu streichen. Es ist, wie bereits erwähnt, Washingtons Tour de Force, die uns an das Geschehen fesselt; seine Rolle und mit welcher Intensität er diese mit Leben füllt. Whip ist nur auf den ersten Blick ein strahlender Held, denn je tiefer einen das Werk in sein Leben führt, je mehr Schatten überlagern dieses. Das wird besonders deutlich, wenn er sich zu einem Besuch bei seiner geschiedenen Frau und seinem Sohn entschließt, die ihn eigentlich nicht mehr sehen möchten. Es ist kein Gewaltausbruch, aber die Stimmung in dieser Szene könnte bedrückender nicht sein. Zemeckis serviert uns keinen leichtverdaulichen Kinospaß, sondern lässt uns an einer kraftvollen Charakterstudie teilhaben – so häufig bekommt man in der heutigen Filmlandschaft keinen solch ambivalenten Protagonisten geboten, der eine ganze Bandbreite an Emotionen auf uns abfeuert und mit dem man bis zum Schluss um seine Erlösung kämpft.
„Flight“ verfügt über klare Stärken, aber auch über vor allem eine definitive Schwäche: Seine nahezu epische Laufzeit von 138 Minuten, die sich leider inhaltlich nicht vollständig begründen lässt und zum Teil überflüssigem Ballast geschuldet ist – wie etwa John Goodmans Figur, die Whip mit Drogen und anderen „notwendigen“ Dingen versorgt. Wenn Robert Zemeckis uns hier etwas darüber nahebringen möchte, Verantwortung zu übernehmen, dann verärgert zumindest eine Szene gegen Ende zutiefst: Der Pilot konnte der alkoholischen Versuchung erneut nicht widerstehen und leert die gesamte Bar eines Hotelzimmers, obwohl er am nächsten Tag bei einer Anhörung erscheinen soll. Wie Whip dann von seinem Anwalt (Don Cheadle) und einem Freund von der Airline (Bruce Greenwood) wieder „aufgepäppelt“ wird, lässt einen die Augenbrauen runzeln. Ja, mit einer ordentlichen Kokaindosis könnte man den Vollrausch vertuschen, nur sollte ein Film, der so eindringlich die Härte von Alkoholsucht thematisiert, besser nicht auf der anderen Seite eine andere Droge durch eine derart komische Darstellung verharmlosen …
Inszenatorisch und schauspielerisch gibt es an „Flight“ ansonsten wenig zu bemängeln. Die Katastrophe zu Beginn ist beängstigend realistisch umgesetzt, aber wird von dem intimen Drama im Anschluß noch übertroffen. Zemeckis weiß noch immer, wie man kleine Geschichten ohne ausgeprägtes Effektspektakel hautnah erzählt – jetzt muss er nur noch die richtige Länge für diese finden und dafür vielleicht den einen oder anderen Aspekt über Bord werfen. Man sollte einen sicheren Flieger besser nie mit schnöden Gepäckstücken überladen, denn am wichtigsten sind doch schließlich die Menschen in der Maschine.
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