© Academy of Motion Picture Arts and Sciences
Quelle: Academy of Motion Picture Arts and Sciences
Soeben endete im Dolby Theatre in Hollywood, Los Angeles die Verleihung der 92. Academy Awards mit einem echten Knall. Der südkoreanische Film Parasite schrieb Geschichte und wurde zum allerersten nicht-englischsprachigen Film in der langen Geschichte der Academy, der als "Bester Film" ausgezeichnet wurde. Damit gelang ihm das, woran zuvor Filme wie Tiger and Dragon, Liebe und erst letztes Jahr Roma gescheitert sind. Insgesamt nahm Parasite vier Trophäen mit nach Hause, darunter auch die allererste Auszeichnung als "Bester fremdsprachiger Film" für Südkorea (es war auch der allererste nominierte Film des Landes). Bei der Oscarverleihung war Parasite ein unschlagbarer Triumph. Nur zwei seiner sechs Nominierungen hat er verloren (für den Schnitt und das Szenenbild).
Sam Mendes' Kriegsfilm 1917 ging als Favorit in den Abend, nachdem er von der PGA und der DGA ausgezeichnet worden ist ebenso wie bei den Golden Globes und den BAFTAs. Doch Parasite lag seit dem überraschenden Screen-Actors-Guild-Sieg als potenzieller Überraschungskandidat auf der Lauer. Viel überraschender als Parasites "Bester Film"-Sieg ist Bong Joon-hos Auszeichnung als "Bester Regisseur", denen Sam Mendes hat im Vorfeld jeden erdenklichen Preis abgeräumt. Er gewann den BAFTA, den Golden Globe, den Preis der Regiegewerkschaft und den Critics' Choice Award. Er ist der einzige Regisseur überhaupt, der all diese Preise gewonnen, den Oscar aber verloren hat. Er ist außerdem erst der achte Regisseur in der 72-jährigen Geschichte der DGA Awards der Regiegewerkschaft, der dort gewonnen, den Oscar aber verloren hat. Insgesamt gewann 1917 drei Oscars, allesamt in technischen Kategorien, darunter den zweiten Oscar für Kameramann Roger Deakins. Once Upon a Time in Hollywood, Le Mans 66 – Gegen jede Chance und Joker erhielten jeweils zwei Oscars. Netflix' Gangsterepos The Irishman tat es Scorseses Gangs of New York gleich und ging bei zehn Nominierungen komplett leer aus.
Bevor ich weiter unten auf die Auszeichnungen und die Verleihung näher eingehe, findet Ihr unten schon mal die komplette Auflistung der Sieger (hier sind die Nominierungen)
Bester Film
Parasite
Beste Regie
Bong Joon-ho (Parasite)
Bester Hauptdarsteller
Joaquin Phoenix (Joker)
Beste Hauptdarstellerin
Renée Zellweger (Judy)
Bester Nebendarsteller
Brad Pitt (Once Upon a Time in Hollywood)
Beste Nebendarstellerin
Laura Dern (Marriage Story)
Bestes Originaldrehbuch
Bong Joon-ho & Han Jin-won (Parasite)
Bestes adaptiertes Drehbuch
Taika Waititi (Jojo Rabbit)
Beste Kamera
Roger Deakins (1917)
Bestes Szenenbild
Once Upon a Time in Hollywood
Bester Schnitt
Le Mans 66 – Gegen jede Chance
Beste Kostüme
Little Women
Bestes Makeup & Hairstyling
Bombshell – Das Ende des Schweigens
Beste visuelle Effekte
1917
Bester Animationsfilm
A Toy Story: Alles hört auf kein Kommando
Bester Ton
1917
Bester Tonschnitt
Le Mans 66 – Gegen jede Chance
Bester Dokumentarfilm
American Factory
Bester Dokumentar-Kurzfilm
Learning to Skateboard in a Warzone (If You’re a Girl)
Bester internationaler Film
Parasite (Südkorea)
Bestes Filmlied
"(I’m Gonna) Love Me Again" (Rocketman)
Beste Filmmusik
Hildur Guðnadóttir (Joker)
Bester animierter Kurzfilm
Hair Love
Bester Kurzfilm
The Neighbor’s Window
_______________________________________________
Nach dem Kevin-Hart-Fiasko im Vorjahr waren die Veranstalter der Oscars so zufrieden mit der moderationslosen Verleihung, dass sie dieses Jahr gleich wiederholt wurde. So fehlte wieder ein wenig der rote Faden, es gab jedoch mehr einzelne Highlights, von Janelle Monáes furioser Eröffnung bis zu Eminems Überraschungsauftritt mit "Lose Yourself". Als der Rapper 2003 für den Song aus 8 Mile den Oscar gewonnen hat, weigerte er sich, mit ihm aufzutreten, weil ihm das Fluchen untersagt wurde. Siebzehn Jahre später hat er die Performance doch noch nachgeholt und ließ sich diesmal darauf ein, die bösen Schimpfworte (größtenteils) auszulassen. Es war ein verdammt energischer, mitreißender Auftritt, der mich daran erinnerte, wie sehr Eminem den Oscar damals verdient hat.
Rebel Wilsons und James Cordens Veräppelung ihres eigenen Megaflops Cats, Chris Rocks und Steve Martins bissige Kommentare als ehemalige Moderatoren und Billie Eilishs Cover der Beatles-Ballade "Yesterday" zur wie immer bewegenden "In Memoriam"-Montage gehörten zu meinen weiteren Highlights. Eine ganz besondere Erwähnung verdient Olivia Colmans herrliche Ansprache, bevor sie den "Hauptdarsteller"-Oscar präsentierte. Die letztjährige Gewinnerin ist nicht nur eine herausragende Schauspielerin, sondern wirkt auch wie ein grundsympathischer Mensch.
Dafür haben diverse Gags, wie beispielsweise der Auftritt von Maya Rudolph und Kristen Wiig gar nicht gezündet. Und welchen Sinn hatte es, dass manche jungen Schauspieler und Schauspielerinnen lediglich andere Schauspieler angesagt haben, bevor diese auf die Bühne gingen?
Doch werfen wir noch einen letzten kurzen Blick auf die Ergebnisse. Parasite gelang das scheinbar unmögliche, doch ganz aus dem Nichts kommt der Sieg auch nicht. Er zeichnete sich nach und nach über die gesamte Oscar-Saison hinweg ab. Immer wieder schrieb der Film Geschichte, indem er erst den Ensemble-Preis der Screen Actors Guild, dann den Preis des Cutter-Verbands ACE und schließlich den Drehbuchpreis der Autorengewerkschaft gewonnen hat. Alle diese drei Preise hat zuvor noch nie ein nicht-englischsprachiger Film gewonnen. Parasite ist übrigens der erste Film seit Marty von 1955, der sowohl die Goldene Palme in Cannes als auch den Oscar als "Bester Film" gewonnen hat. Doch wie hat er das geschafft, während Roma beispielsweise letztes Jahr gescheitert ist? Der Vorteil von Parasite liegt darin, dass der Film trotz seiner Sprach- und Kulturbarriere extrem zugänglich war. Filme wie Liebe und Roma sind schwere Arthouse-Kost, doch Parasite kann wirklich jeder genießen. Das spiegeln auch die wirklich guten Einspielergebnisse des Films in den USA wider.
Mich freuen die Siege für Parasite und Bong Joon-ho ganz besonders, denn es ist das erste Mal seit über zehn Jahren, dass die Academy meinen Lieblingsfilm des Jahres ausgezeichnet hat. Wer ihn noch nicht gesehen hat, sollte das schleunigst nachholen.