The Damned United, UK 2009 • 98 Min • Regie: Tom Hooper • Drehbuch: Peter Morgan • Mit: Michael Sheen, Colm Meaney, Timothy Spall, Henry Goodman, Stephen Graham • Kamera: Ben Smithard • Schnitt: Melanie Oliver • Kinostart UK: 27.03.2009
Inhalt
Nach dem sensationellen Gewinn der englischen Fußballmeisterschaft mit Derby County überwirft sich Erfolgstrainer Brian Clough mit der Vereinsführung und steht plötzlich ohne Job da. Nach einem kurzen Intermezzo bei einem Drittligisten tritt Clough, der vor Ehrgeiz und Überheblichkeit nur so strotzt, mit seinem Weggefährten und Co-Trainer Peter Taylor die Nachfolge seines Erzrivalen Don Reavie auf dem Trainerstuhl von Leeds United an, dem derzeit besten Club der Premier League. Don Reavies "Boys", die Spieler von United, sind von dieser Verpflichtung jedoch gar nicht begeistert und ziehen ihren neuen Trainer, angeführt von Kapitän Billy Bremner, mächtig auf. Nach 44 erfolglosen Tagen im Amt ist der Spuk für Clough wieder vorbei, doch sein Leben gleicht danach nur noch einem Scherbenhaufen…
Kritik
Michael Sheen hat eine Passion für historische Persönlichkeiten: erst mimte er Tony Blair, dann noch einmal Blair, dann Kenneth Williams (Comiczeichner), dann David Frost (TV-Moderator) und, man ahnt es schon, noch einmal Tony Blair, und jetzt also Brian Clough, den legendären britischen Fußballtrainer, der in den 70ern zum Gegenstand vieler Kontroversen wurde. Sheen verschmilzt in Tom Hoopers Geniestreich The Damned United mit der Figur Brian Clough auf eine schier beeindruckende Art und Weise, das selbstsichere, bisweilen arrogante Auftreten von Clough weiß er glaubwürdig auf den Zuschauer zu transportieren, dessen Hohn unterlegt er mit einem süffisanten Lächeln, wahlweise kann er aber auch mal ernst und entschlossen dreinblicken, z.B. wenn er auf die Frage, für wen er sich überhaupt hält, mit ernstem Blick erwidert: "I’m Brian Clough". Bei aller Schauspielerei kann der gute Mann auf dem Trainingsplatz sogar mit dem Ball jonglieren. Der Cast hält aber noch einige andere Granaten bereit: In den weiteren Rollen glänzen Colm Meaney als Don Reavie (auch toll: der kurze Schlagabtausch im Sportstudio zwischen Clough und Reavie) und Timothy Spall als Cloughs Co-Trainer Peter Taylor, Stephen Graham überrascht mit einer starken Performance als "Giftzwerg" Billy Bremner. Die Beziehung zwischen Clough und seinem Taylor ist vielleicht das Kernstück der Handlung, die beiden scheinen sich prima zu ergänzen, die Schwächen des einen sind die Stärken des anderen. Brian Clough scheint vor allem ein Talent darin zu haben, sich selbst zu inszenieren, Taylor ist hingegen der kompetente Mann im Hintergrund. Schöne Kulissen, authentische 70er-Jahre Optik und alte Originalmitschnitte versüssen zudem den Filmgenuss.
The Damned United fühlt sich gar nicht wie ein Biopic an, es ist vielmehr ein Drama, biographisch angehaucht mit ausgeklügelter Erzähltechnik. Das wird bereits durch die relativ kurze Laufzeit von 93 Minuten deutlich, die der Film veranschlagt, um die 44-tägige Odyssee Cloughs bei Leeds United zu rekapitulieren. Rückblenden aus seiner Zeit bei Derby Conuty werden geschickt eingestreut, erzählen von dem Genie, aus einem abstiegsbedrohten Zweitligisten einen Champion zu machen, und dem Wahnsinn, mit einem fingierten Kündigungsschreiben den Vorstand zu erpressen. Dumm nur, dass der seine Kündigung annimmt und Clough vor die Tür setzt. Biopic-untypisch ist alleine die Person Brian Clough, ein arroganter, selbstverliebter, geschwätziger Typ, da bleibt nicht viel Spielraum zum Mitfühlen und Mitleiden, Clough ist kein Sympathieträger, anders als seine fiktiven und schweremütigen Film-Pendants – dem blinden Pianisten, schizophrenen Mathematiker oder schwulen Bürgerrechtler. Clough ist einfacher gestrickt, ein Kindskopf, ein Draufgänger, der immer mal einen guten Spruch raushaut. Mein Lieblingszitat: "I wouldn’t say I was the best manager in the country. But I’m in the top one." Will sagen, unter dem Aspekt eines Biopics ist The Damned United der kurzweiligste seiner Art. Man erhält einen veritablen Einblick in den Alltag eines Fußballtrainers, sowohl an dessen guten wie auch an schlechten Tagen. Nicht-Fußballfans müssen aber nicht gleich die Flinte ins Korn werfen, The Damned United bietet meisterhaftes Drama für Jedermann, Fußballszenen sind rar gesät, im Vordergrund steht die Charakteranalyse von Clough. Hübsche Kameraeinstellungen und ein guter Schnitt runden das Wohlfühlpaket für den Filmfan ab.
Am Ende wird die Figur dann doch recht liebevoll skizziert, die Selbsterkenntnis der eigenen Idiotie, die Aussöhnung mit Taylor und zu guter Letzt die Texteinblendung "Brian Clough remains the greatest manager the England team never had". Wobei das alleinestehend auch eine gewisse Diskrepanz zwischen dem was der Film bisher suggerierte, nämlich dass Clough ohne Taylor ein Niemand ist, und der Feststellung, dass Clough eigentlich einer der Besten war, birgt. Dass seine größten sportlichen Erfolge (u.a. Champions League-Sieger mit Nottingham Forrest) nur eine Randnotiz in Form von Texteinblendungen bleiben, fand ich aber angesichts des flüssigen Erzähltempos und jeder Menge Charaktermomente okay, mehr hätte wahrscheinlich nur geschadet und zu unerwünschen Biopic-Charekteristika beigetragen.
Der Film per se ist ein kleines Juwel, leider scheint er aber auch etwas inakkurat zu sein. Cloughs Familie ist jedenfalls nicht sehr erpicht gewesen über den Film und das gleichnamige Buch von David Peace, auf das der Film weitgehend basiert. Der Film unterschlägt leider auch die nachfolgende Fehde zwischen Clough und Taylor, die unausgesöhnt bis zum Tod Taylors anhielt. Ein kurzer Hinweis hätte am Ende sicher noch Platz gefunden, war aber wohl nicht im Sinne eines harmonischen Ausklangs.
Fazit
Toller Cast, schöne Kulissen und viel britischer Charme. Ein mitreißendes Drama mit viel schwarzem Humor – definitiv nicht nur für Fußballfans geeignet!
Trailer