Links: Emma Stone in Poor Things © 2023 Searchlight Pictures
Rechts: Cillian Murphy in Oppenheimer © 2023 Universal Pictures
Quelle: British Academy of Film and Television Arts
Vergangenes Wochenende wurden in London zum 77. Mal die BAFTA Awards verliehen. Die Auszeichnungen der British Academy of Film and Television Arts, des britischen Pendants zur US-amerikanischen Academy of Motion Picture Arts and Sciences, gehören zu den wichtigsten und aussagekräftigsten Prädiktoren der Oscars und werden auch manchmal umgangssprachlich als "britische Oscars" bezeichnet. Als solche favorisieren ihre Wählerinnen und Wähler natürlich tendenziell britische Produktionen und Schauspieler. Da Briten jedoch einen nicht unwesentlichen Anteil der Oscarwähler bilden, gibt es er große Überschneidungen zwischen den beiden Wählerschaften.
In den letzten 20 Jahren haben nur zwei Filme (Million Dollar Baby und CODA) den "Bester Film"-Oscar ohne vorige BAFTA-Nominierung gewonnen. Jedoch stimmte der Sieger der beiden Verleihungen im selben Zeitraum nur achtmal überein. Deutlich größere Übereinstimmung gab es in den vier Schauspielerkategorien. In 15 der letzten 20 Jahren zeichneten die Oscars und die BAFTAs denselben Hauptdarsteller aus, in 14 Jahren stimmten die Preisträgerinnen in den "Hauptdarstellerin" und "Nebendarstellerin"-Kategorien überein und 13-mal wurde derselbe Nebendarsteller prämiert. In sieben der letzten 20 Jahre stimmten sogar alle vier Schauspielkategorien überein.
Was die Oscars und die BAFTAs jedoch voneinander unterscheidet, ist der komplexe Nominierungsprozess, den die BAFTA vor einigen Jahren komplett reformiert hat, um größere Diversität der Nominees sicherzustellen. So wird in allen Kategorien zunächst eine längere Vorauswahl von jeweils 15 Filmen veröffentlicht. In mehreren Kategorien setzen sich die späteren Nominierungen (jeweils fünf bis sechs pro Kategorie) aus den meistgewählten Filmen der Vorauswahl und der Auswahl einer geheimen Jury zusammen, wobei pro Kategorie jeweils eine spezifische Jury gebildet wird.
In der Hauptkategorie "Bester Film" wird frei abgestimmt, für beste Regie werden jedoch vier der sechs Nominierungen von einer Jury bestimmt, während alle BAFTA-Mitglieder über die verbleibenden zwei abstimmen. In den Schauspielkategorien werden jeweils drei Namen von der Jury bestimmt und über die anderen wird frei abgestimmt. In der Kategorie "Bester britischer Film" werden fünf der zehn Nominees von der Jury gewählt, die weiteren fünf von allen BAFTA-Mitgliedern. In der Kategorie "Bestes britisches Debüt" stimmt ausschließlich eine Jury über die Nominees und die Sieger ab. Die fremdsprachigen Filme werden ohne Einmischung einer Jury nominiert, bei den Dokumentarfilmen bestimmt eine Jury drei der fünf Nominees.
Große Überraschungen gab es bei der von "Doctor Who"-Star David Tennant moderierten Verleihung kaum. Mit jeweils 13 bzw. 11 Nennungen waren Oppenheimer und Poor Things die meistnominierten Filme des Abends. Die gleiche Nominierungszahl haben beide Filme übrigens auch bei den Oscars erzielt. Beide Filme haben auch mit Abstand die meisten BAFTA Awards gewonnen, wobei Oppenheimer mit sieben Auszeichnungen, darunter für Film, Regie, Hauptdarsteller und Nebendarsteller, der große Sieger des Abends war. Mit dem Briten Christopher Nolan als Regisseur hatte Oppenheimer einen Heimvorteil giong aber ohnehin als größter Favorit ins Rennen. Letztes Jahr hat Im Westen nichts Neues ebenfalls sieben BAFTAs, darunter als "Bester Film", gewonnen, bei den Oscars setzte sich jedoch Everything Everywhere All at Once durch. Diesmal dürfte Oppenheimer, der zuletzt auch von der Regiegewerkschaft ausgezeichnet wurde, bei den Oscars dominieren.
Poor Things holte eine weitere Trophäe für Hauptdarstellerin Emma Stone und gewann außerdem in vier technischen Kategorien. Dabei erzielte er auch Überraschungssiege in den Effekte- und Make-up-Kategorien. Stones größte Oscarkonkurrentin Lily Gladstone aus Killers of the Flower Moon war bei den BAFTAs überraschenderweise gar nicht nominiert. Martin Scorseses Western-Krimi war der größte Verlierer des Abends und holte trotz neun Nominierungen keinen einzigen BAFTA. Auch er fünffach nominierte Riesenhit Barbie ging leer aus.
The Zone of Interest, der überraschenderweise eine Nominierung als "Bester Film" verpasst, insgesamt aber beeindruckende neun Nominierungen erhalten hatte, holte drei Auszeichnungen. Er wurde zum ersten Film überhaupt, der von der BAFTA sowohl als bester britischer Film als auch als bester fremdsprachiger Film prämiert wurde, weil er komplett in deutscher Sprache gedreht wurde. Das Auschwitzdrama gewann außerdem den hochverdienten Preis für besten Ton. Der Film gilt aktuell als Favorit für den Auslands-Oscar. The Holdovers war der einzige weitere Film neben Oppenheimer, Poor Things und The Zone of Interest, der mehr als einen BAFTA gewonnen hat. Er erhielt Preise für die beste Nebendarstellerin (Da’Vine Joy Randolph) und das beste Casting. Die vermutlich größte Überraschung gelang der Satire American Fiction, die den BAFTA für das beste adaptierte Drehbuch holte. Es war die einzige Nominierung des Films, der sich in der heiß umkämpften Kategorie gegen Poor Things, Oppenheimer und The Zone of Interest durchsetzte.
Unten könnt Ihr alle Nominierungen und Sieger (in grün) der diesjährigen BAFTAs nachlesen: