Stephen Kings Romandebüt "Carrie" feierte dieses Jahr sein 50. Jubiläum. Der überraschende Erfolg des Romans legte den Grundstein für die Karriere des erfolgreichsten und meistverfilmten Horror-Schriftsteller der Gegenwart. In dieser Hinsicht ist seine Bedeutung nicht von der Hand zu weisen. Jedoch hatte ich immer eine deutlich größere Schwäche für Kings zweiten Roman "Brennen muss Salem", das ein Jahr nach "Carrie" erschienen ist und in dem eine US-amerikanische Kleinstadt langsam von Vampiren übernommen wird. Das Buch triefte geradezu vor dichter, unheilvoller Atmosphäre. In den Achtzigern bezeichnete King das Buch bei mehreren Gelegenheiten als seinen Lieblingsroman von seinen eigenen Werken (seitdem kamen jedoch mehrere andere an seine Stelle).
Trotz seiner sehr filmtauglichen Geschichte dauerte es fast 50 Jahre, bis "Brennen muss Salem" erstmals fürs Kino verfilmt wurde. Es gab natürlich bereits zwei TV-Adaptionen von 1979 und 2004, jeweils als zweiteilige, dreistündige Miniserie. Tobe Hoopers Version von 1979 lief in gekürzter Fassung auch in europäischen Kinos, war aber im Grunde dennoch ein TV-Film. Die Vorfreude unter King-Fans war also groß, als Warner Bros. nach dem gigantischen Erfolg des Es-Zweiteilers eine Neuverfilmung von "Brennen muss Salem" fürs Kino angekündigt hat. Der Film ging 2021 unter der Regie des Annabelle– und Es-Autors Gary Dauberman vor die Kameras, doch der ursprünglich angekündigte Starttermin im Herbst 2022 wurde zunächst verschoben und dann ganz abgesagt.
Jahre zogen ins Land und es wurde bereits gemutmaßt, dass Warner den Film steuerlich abschreiben und nie veröffentlichen würde, à la Batgirl. Scheinbar stand die Option tatsächlich im Raum, bis King selbst von der Verfilmung, die er inzwischen privat sehen durfte, geschwärmt und sie damit vor diesem Schicksal bewahrt hat. Stattdessen wurde Salem’s Lot – Brennen muss Salem Anfang Oktober in den USA bei Warners Streamer Max veröffentlicht. Die lange Verzögerung der Veröffentlichung und die Entscheidung, den Film in den USA ausschließlich im Stream auszuwerten, weckte nicht gerade große Zuversicht in die Qualität des Films. In Deutschland kam er am 31. Oktober, pünktlich zum Gruselfest Halloween, in die Kinos, ging aber neben dem zeitgleich gestarteten Terrifier 3 und dem erfolgreichen Horror-Sequel Smile 2 sang- und klanglos unter.
Ich hatte bereits vor vor dem deutschen Kinostart während eines Urlaubs auf Malta die Gelegenheit, den Film zu sehen, und so sehr ich mir als Fan der Romanvorlage und von Hoopers Miniserie wünsche sagen zu können, dass der Film es besser verdient hätte, kann ich Warners Zurückhaltung bei der Veröffentlichung verstehen. Es ist einfach kein besonders guter Film und das liegt zum Teil auch daran, dass er große Teile des Romans ausgelassen hat und dadurch lückenhaft und gehetzt wirkt. Wer den neuen Salem’s Lot gesehen hat, versteht jetzt vermutlich, weshalb der Roman bislang nie fürs Kino, sondern nur als dreistündige Miniserie adaptiert wurde. Manche Vorlagen kann man einfach nicht angemessen in eine zweistündige Laufzeit quetschen.
Wenn Ihr den Film also gesehen habt und das Gefühl hattet, dass etwas fehlte, dann liegt es vermutlich daran, dass genau das der Fall war. In einem Interview zur Streaming-Veröffentlichung des Films hat sein Regisseur Gary Dauberman verraten, dass sein Salem’s Lot ursprünglich deutlich länger war und er rund eine Stunde Filmmaterial entfernt hat, um ihn publikumstauglicher zu machen:
Es gibt so viel großartiges Zeug. Die Frage lautet, was nimmt man raus? Die Aufmerksamkeitsspanne der Zuschauer ist begrenzt. Es gibt viele großartige Nebenhandlungen und Nebenschauplätze in dem Buch, die ich liebe, und es fiel mir schwer, diese zu entfernen, um den Hauptcharakteren mehr Raum zu geben.
Das war vermutlich die größte Herausforderung – die Geschichte zu verkürzen und die Konsequenzen dieser Kürzungen auf den Hauptplot zu berücksichtigen. Meine erste Schnittfassung war rund drei Stunden lang. Viel wurde ausgelassen.
Meine erste Drehbuchfassung war rund 180 Seiten lang, weil man versucht, alles aufzunehmen. Und viel davon hat mit Nebencharakteren zu tun. Es war traurig, sich davon zu verabschieden, doch es war ein notwendiges Übel.
Eine Sequenz, die er aus dem Film entfernt hat, war ein Flashback mit dem jungen Ben Mears (Lewis Pullman), der sich ins Marsten House schleicht und dort den Geist von Hubert Marsten, gespielt vom Derek Mears (The Hills Have Eyes), sieht. Dauberman tat sich schwer damit, dass es einen Geist in einem Vampirfilm gab, doch zugleich machte es die Sequenz leichter, zu verstehen, weshalb Ben später die Vampirgeschichte schnell glauben konnte.
Werden wir jemals Daubermans Langfassung von Salem’s Lot zu sehen bekommen? Vermutlich nicht. Das wäre jedoch sehr bedauerlich, denn nach 50 Jahren hätte Kings Roman eine hochwertige, vorlagengetreue Filmadaption verdient – Hoopers Miniserie in allen Ehren! So kann man nur darüber spekulieren, was uns letztlich entgangen ist.
Habt Ihr den neuen Salem’s Lot gesehen?
Quelle: Den of Geek