Es kommt nicht selten vor, dass Filme, die in die Kinos kommen, nicht ganz der Vision ihrer Regisseure entsprechen. Nur wenige Filmemacher in Hollywood genießen das Privileg der sogenannten finalen Schnittfassung. Häufig haben die Produzenten bzw. das Studio auch ein Wörtchen mitzureden und die veröffentlichten Fassungen stellen einen Kompromiss zwischen der künstlerischen Vision und den bestmöglichen kommerziellen Aussichten dar. Die präferierten Fassungen der Macher finden jedoch immer wieder mal im Heimkino als sogenannte Director’s Cuts ihren Weg zum Publikum. Manchmal entscheiden sich Regisseure selbst dafür, eine massentauglichere, häufig kürzere Schnittfassung in die Kinos zu bringen und planen von vornherein die spätere Veröffentlichung einer längeren Version, die sich wahre Cineasten gemütlich zu Hause anschauen können.
Es gibt keinen Regisseur, der dafür bekannter ist, nachträglich Langfassungen seiner Filme anzufertigen, als Ridley Scott. Angefangen hat es mit dem Director’s Cut von Blade Runner, der 1992, zehn Jahre nach der Erstveröffentlichung des missverstandenen und gefloppten Science-Fiction-Meilensteins, erschienen ist. Inzwischen hat Scott von rund einem Dutzend seiner Filme Director’s Cuts bzw. Langfassungen veröffentlicht. Manche von ihnen waren grundlegende Verbesserungen gegenüber den Kinofassungen, wie Das Königreich der Himmel oder Blade Runner, von dem es eine weitere Version mit der Bezeichnung "Final Cut" gab. Bei anderen, wie American Gangster, Robin Hood oder Black Hawk Dawn, haben die erweiterten Fassungen wenig beigetragen, um den Gesamteindruck der Filme zu verändern.
Auch zu Ridley Scotts oscarprämiertem Monumentalfilm Gladiator wurde fünf Jahre nach seiner Erstveröffentlichung ein 15 Minuten längerer Director’s Cut nachgereicht, wobei ich behaupten würde, dass er den Film weder besser noch schlechter gemacht hat und die meisten Filmfans die zusätzlichen Szenen vermutlich spontan nicht einmal benennen könnten.
Morgen kommt mit Gladiator II die heiß erwartete Fortsetzung 24 Jahre nach dem Originalfilm in die deutschen Kinos. Entgegen dem Trend immer längerer Blockbuster ist das Sequel mit 148 Minuten sogar sieben Minuten kürzer als die Kinofassung des Vorgängers. Angesichts von Scotts Affinität für verlängerte Schnittfassungen im Heimkino stellten sich natürlich viele Filmfans bereits die Frage, ob es später auch einen Director’s Cut von Gladiator II geben wird, so wie schon bei Scotts letztem Historienepos Napoleon. Diesmal hat der 86-jährige Regisseur jedoch eine enttäuschende Antwort für alle Fans besonders langer Monumentalfilme parat: Eine längere Fassung ist wohl nicht geplant. Alles, was er mit dem Film sagen wollte, ist bereits in der Kinofassung zu sehen. Scott erklärte im Interview mit dem Online-Portal Collider: (aus dem Englischen)
Nein. Ich habe mir das Recht auf meine finale Schnittfassung verdient. Ich habe normalerweise sowieso das letzte Wort bei der Schnittfassung, die am Ende rausgeht, sodass was auch immer rausgeht, auf meine Kappe geht. Es ist meine Schnittfassung. Ich drehe mich im Kreis. Ich quäle mich nicht, denn ich schneide bereits während des Drehs.
Ich warte nicht das Ende der Dreharbeiten ab und schneide dann. Das würde viel zu lange dauern. Ich schneide bereits während des Drehs und ich denke, dass es legitim ist, denn man muss sehen, wie es läuft und wie jeder performt.
Weil die Dreharbeiten zu Gladiator II wegen des Schauspielerstreiks letztes Jahr kurz vor ihrem Abschluss angehalten werden mussten, nutzte Scott die Zwangspause dazu, das bereits gedrehte Material sorgfältig zu sichten zu schneiden.
Gladiator II folgt Shooting Star Paul Mescal (Aftersun) als erwachsener Lucius, Sohn von Lucilla (Connie Nielsen) und, wie der Trailer zum Sequel verraten hat, Maximus (Russell Crowe). Der rechtmäßige Thronfolger von Rom verbrachte den Großteil seines Lebens fernab des Imperiums, wo er sich ein friedliches Leben aufgebaut hat. Natürlich holt seine Vergangenheit ihn ein, zerstört seine Idylle und bringt ihn nach einer Tragödie dorthin, wo bereits sein Vater unfreiwillig zum Helden Roms wurde: ins Kolosseum.
Nielsen und Derek Jacobi kehren aus dem ersten Film zurück, während Joseph Quinn ("Stranger Things") und Fred Hechinger ("The White Lotus") als blutrünstige Co-Kaiser Caracalla und Geta mitspielen. Der zweifache Oscargewinner Denzel Washington (American Gangster) spiet als zwielichtiger, intriganter Macrinus, der Lucius für seinen Gladiatorenstall kauft, die interessanteste neue Rolle des Sequels. Pedro Pascal ("The Last of Us") verkörpert den kriegsmüden Tribun Acacius, der Lucillas Herz erobert hat. Lior Raz ("Fauda"), Peter Mensah (300) und Matt Lucas ("Little Britain") sind in weiteren Rollen dabei.
Werdet Ihr Euch Gladiator II im Kino anschauen?
Quelle: Collider