También la lluvia , E/MEX/F 2010 • 103 Min • Regie: Icíar Bollaín • Mit: Gael García Bernal, Luis Tosar, Juan Carlos Aduviri, Karra Elejalde • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 29.12.2011 • Deutsche Website
Handlung
Bolivien, Cochabamba, 2000; der jugendlich-idealistische Regisseur Sebastian (Gael García Bernal) will einen Film über Christopher Columbus drehen. Sein hehres Ziel: Er will Columbus entmystifizieren. Statt dem glorreichen Entdecker der neuen Welt soll ein goldgieriger Kolonist und Sklaventreiber gezeigt werden, der die Indios als Zwangsarbeiter nutzte, um für die spanische Krone unter christlicher Führung Gold zu schürfen. Nur der Indio Hatuey wird sich gegen die Besatzer auflehnen und für sein Volk ein Symbol des Widerstandes werden. Der Darsteller für Hatuey muss noch vor Ort aus der Bevölkerung gecastet werden, zusammen mit einigen Statisten und Nebenrollen. Bei der Ankunft am Casting-Ort sind Sebastian und sein Team – Produzent Costa (Luis Tosar), Columbus-Darsteller Anton (Karra Elejalde), Dokumentarfilmerin Maria (Cassandra Ciangherotti) und einige andere – vom gewaltigen Andrang vollkommen überrascht. Als sie einige Indigenas vorab auswählen und den Rest unangesehen wieder nach Hause schicken wollen, protestiert der ebenfalls angereiste Daniel (Juan Carlos Aduviri) dagegen. Von diesem Einsatz beeindruckt, will Sebastian Daniel daraufhin als Hatuey besetzen. Sehr zum Unwillen von Costa, der befürchtet, dass Aufrührer Daniel den reibungslosen Ablauf des Drehs gefährden könnte. Dennoch beginnen die Dreharbeiten. Währenddessen spitzt sich die politische Situation im Land gefährlich zu: Die Wasservorkommen der Region werden privatisiert und für die Bevölkerung nahezu unerschwinglich. Im Zuge dessen wird Daniel tatsächlich zur Führungsfigur der Protestbewegung, sehr zum Leidwesen von Sebastian und Carlos.
Kritik
Es ist ein großes und wichtiges Thema, welches sich Regisseurin Icíar Bollaín Pérez-Mínguez (kurz: Icíar Bollan) für ihre fünfte Regiearbeit ausgesucht hat. Nicht nur, weil sie ihre Geschichte vor dem Hintergrund des tatsächlichen Wasserkriegs von Cochabamba spielen lässt. Es geht um mehr. Das Thema ist Kolonialismus, genauer der sogenannte „Neokolonialismus“. Während Sebastian mit seinem Film auf Leid und Ungerechtigkeit gegenüber der unterprivilegierten Bevölkerung zu Zeiten von Columbus hinweisen will, heuert Produzent Costa die ortsansässigen Set-Arbeiter und Statisten für einen Hungerlohn von zwei Dollar pro Stunde an. Während die Crew im Hotel bei Champagner und gutem Essen einen erfolgreichen Drehtag feiert, werden Daniel und seine Leute von dem selbst angelegten Bewässerungskanal verjagt. Wenn Sebastian, Anton und die Schauspieler Albert und Juan (Carlos Santos und Raúl Arévalo) begeistert Geschichten von vergangenen Helden erzählen und in ihren Rollen aufgehen, stehen die einheimischen Angestellten und Arbeiter ratlos daneben. Und dass in Bolivien, anstatt direkt am Ort des Geschehens, gedreht wird, hat wieder einen banalen Grund: hier ist es billiger. Es sind diese Parallelen, die „Und dann der Regen“ stets thematisiert. Maria soll eine Dokumentation über die Entstehung des Filmes drehen. Immer öfter allerdings müssen ihr Costa und Sebastian das Drehen verbieten- wenn sie keine Antwort auf unangenehme Fragen haben oder wenn die Ambivalenz der Geschehnisse zu deutlich zutage tritt. Beispielsweise, wenn Daniel nach dem Dreh der finalen Szene des fiktiven Filmes, bei der seine Figur als Zeichen für den Widerstand auf dem Scheiterhaufen stirbt, von der Polizei abgeführt wird, weil er vorher an einer nicht genehmigten Demonstration teilgenommen hat. Gerade in diesen unangenehmen Momenten legt Bollaín den Finger treffsicher in offene Wunden. Sebastians Motive mögen edel sein, die Lebensrealität von Daniel, seiner Familie und seinen Freunden lässt er aber außer Acht. Er ist gekennzeichnet durch naiv-idealistische Selbstüberschätzung, vielleicht mit den besten Absichten, am Kern des Problems dennoch vorbei. Die dabei implizierte Selbstreflexivität macht auch die ehrlichsten Momente des Filmes aus.
In Anbetracht dieser Stärken ist es umso bedauerlicher, dass „Und dann der Regen“ im letzten Drittel merklich abfällt. Um die Spannungsschraube anzuziehen, bedient sich das Drehbuch eines arg durchschaubaren, dramaturgischen Kniffs: Ein Kind muss gerettet werden. Also brausen Costa und eine flehende Mutter durch die von gewaltsamen Aufständen heimgesuchte Stadt, werden beschossen, bangen und kommen stets im letzten Moment an. Die Rundfahrt durch die Unruhen ist weder spannend genug inszeniert noch von ihrer Aussage pointiert genug, dass sie als kraftvolles Finale funktionieren würde. Effektiver wäre es wohl gewesen, allein auf die Radio-Berichte zu setzen, die ein Teil des Filmteams bei ihrer Flucht vom Drehort zu hören bekommt. So baut das letzte Drittel durch die Schema-F-Dramaturgie gegenüber dem übrigen Film stark ab und setzt gerade am Ende zu sehr auf rührselige Momente der Versöhnung. Das Bollaín ihren Figuren eine Wandlung zum Guten und ein Happy-End im Persönlichen zugesteht, kann man als hoffnungsfrohen Idealismus oder platten filmischen Eskapismus auslegen.
Den grundsätzlich positiven Gesamteindruck von „Und dann der Regen“ schmälert das schwache und unpassende Finale ein wenig. Das ist schade, sollte aber nicht von den restlichen Qualitäten des Filmes ablenken. Das Hauptdarsteller-Duo Bernal und Tosar macht einen guten Job, Aduviri verleiht seiner wortkargen Figur eine treffliche Präsenz und aus den Nebenfiguren sticht besonders Elejalde mit einer großartigen Darstellung hervor. Vor den wunderbaren Bildern des bolivianischen Urwalds (Kamera: Alex Catalán) kann Bollains Film dann auch über weite Strecken überzeugen. Das gewichtige Thema bis zu einem wirklichen angemessenen Ende zu bringen, gelingt aber nicht ganz.
Fazit
"Und dann der Regen" ist nicht bis zum Ende vollkommen gelungenes, aber über weite Strecken überzeugendes und wichtiges Kino aus Spanien.