Pain and Gain, USA 2013 • 129 Min • Regie: Michael Bay • Mit: Mark Wahlberg, Dwayne Johnson, Anthony Mackie, Tony Shalhoub, Ed Harris, Bar Paly, Rebel Wilson • FSK: ab 16 Jahren • Kinostart: 22.08.2013 • Deutsche Website
Was haben debile Arroganz, eine schiefe moralische Auslegung des „American Dream“, narzisstische Bodybuilder, zu kurzsichtig-naiv geplante Erpressung, inklusive Folter, und Miami gemeinsam? Richtig: Diesen Zutaten liegt eine unglaublich wahre Geschichte aus den 90er Jahren zu Grunde. Der nicht gerade für zurückhaltende Inszenierung bekannte Regisseur Michael Bay (Transformers-Reihe) nahm sich des Stoffes an und taufte sein Projekt „Pain & Gain“ (ein beliebter Spruch unter Sportlern lautet: „No Pain, No Gain“).
Es stellt sich die Frage, ob sich Michael Bay nach Budget-überladenen Großproduktionen aus Hollywood bei der Inszenierung eines „kleineren“ Films nicht doch verhebt und als Ergebnis mehr Pain als Gain herauskommt. Zum Glück nicht. Michael Bay schafft es, einen unterhaltsamen, zuweilen bizarren und soliden Film zu drehen, der allerdings seine potentielle satirische Schlagkraft nicht ausreizt.
Daniel Lugo (Mark Wahlberg) glaubt an Fitness und holt als Trainer im Miami Sun Gym alles bis auf den letzten Schweißtropfen aus seinem Körper raus – doch damit ist er nicht länger zufrieden. Als Daniel ein Seminar des Motivationscoachs Johnny Wu (Ken Jeong) besucht, werden für ihn die Weichen gestellt, die Jogginghosen gegen Tatkräftigkeit einzutauschen und vom „Schwachen“ zum „Macher“ (im Original „Don’ter und „Doer“) zu werden. Daniel überzeugt schließlich seinen Pump-Kumpel Adrian Doorbal (Anthony Mackie) davon, das leergespülte Bankkonto illegal zu fluten. Kurzerhand soll der schleimige Self-Made-Man Victor Kershaw (Tony Shalhoub), ebenfalls Mitglied im Sun Gym, entführt und erpresst werden. Um das Ding drehen zu können, holen sie sich noch den frisch aus dem Knast entlassenen, vermeintlich geläuterten „Jesus loves you“-Freak namens Paul Doyle (Dwayne „The Rock“ Johnson) an Bord. Entführen, abzocken, abkassieren – ein todsicherer „Macher“-Plan. Die Aktion wird schließlich mehr chaotisch als durchdacht durchgezogen und dummerweise überlebt Victor Kershaw die Tortur. Da ihm die Geschichte keiner glaubt, holt er Privatdetektiv Ed DuBois (Ed Harris) auf den Plan, um dem neureichen Bodybuilder-Trio das Handwerk zu legen.
Einerseits in „Pain & Gain“ sehr schwarzer Humor aufgetischt, andererseits sind die zynischen und satirischen Höhepunkte dennoch zu rar gesät. Ein gutes Beispiel ist die Szene, in welcher das Trio Infernale in der neureichen Vorstadtsiedlung eine Art „Bürgerwehr“ zusammentrommelt, um die Nachbarschaft sicherer zu machen. Selbstredend wird der Vortrag unter Einnahme von Koks und mit Hilfe einer Stripperin gehalten – Sex sells. Dies kehrt das prüde, amerikanische Vorstadtidyll ad absurdum und macht ordentliche Laune beim Zuschauen. Was die witzigen Einlagen angeht, so bewegt sich Michael Bay häufig auf altbekanntem Terrain und lehnt sich leider nicht weit genug aus dem Fenster, sodass die weiteren Lacher oft auf die Kappe des typischen Bay-Holzhammer-Humors gehen. Dies kann einigen Kinogängern sauer aufstoßen.
Desweiteren finden sich auf der Bildebene grelle, bunte Farben, Sonnenuntergänge und Zeitlupeneinstellungen. Eben Dinge, die Michael Bay einfach gut kann und was sich trotz des eventuellen Vorwurfs der Abgedroschenheit gut in das Setting der mittigen 90er Jahre einfügt. Die Songauswahl ist dabei fast schon zu sehr auf 90er getrimmt (Bsp.: „Gangsta’s Paradise“), aber hey – der Song bleibt einfach cool. Steve Jablonsky, der mit Bay schon öfters zusammengearbeitet hat, sorgt mit seinem Score an den richtigen Stellen für die Untermalung der verquer-verbissenen Jagd nach dem amerikanischen Traum und orientiert sich ansonsten weitestgehend an Klängen der Zeit.
Mark Wahlberg ist für seine wandelbare Physis bekannt (vgl.: „The Fighter“) und legt für „Pain & Gain“ noch einmal ordentlich Hantelscheiben drauf. Sofern man sich mit der echten Geschichte aus den 90er Jahren befasst hat, lässt sich leicht mutmaßen, dass sich Mark Wahlberg nah an der Person des tatsächlichen Daniel Lugo bewegt. Er gibt den offensichtlichen „Mastermind“ des Muskeldreiergespanns ohne Probleme und schafft es dabei sehr glaubwürdig, die unausweichlich vorhandene debile Arroganz seines realen Rollenvorbildes zu verkörpern. Auch Anthony Mackie („The Hurt Locker“) bringt einen soliden Part, verblasst aber neben Dwayne Johnsons Darbietung des lammfrommen, treudoofen, koksenden, narzisstischen und dumpfen Bodybuilders ein wenig. Für mich ganz klar die beste Leistung von The Rock bisher. Die weiblichen Rollen von Rebel Wilson als Anthony Mackies Love-Interest-Beiwerk und Bar Paly als wirklich scharfsinnige Stripperin bieten Lacher sowie Augenschmaus. Tony Shalhoub (bekannt aus „Monk“) legt seine Person – obschon er schließlich das Opfer ist – schmierig und eher unsympathisch an. Ed Harris darf in kurzen Momenten einen gewieften Detektiv auf die Leinwand bringen.
An „Pain & Gain“ ist entgegen der Aussage des Regisseurs gar nichts klein – bis auf das für ihn unüblich niedrige Budget. Dicke Oberarme treffen auf kleine Hirne und eine unverkennbar dralle Bay-Inszenierung. Wäre da nicht die Spiellänge von satten 130 Minuten, könnte der Film mit mehr Schmackes um die Ecke kommen. Für Michael Bay Fans erster Stunde ist der Film trotz kleinerer Längen bedenkenlos anzupreisen. Sicherlich eignet sich „Pain & Gain“ nicht für jeden Humortyp, aber für Freunde von unglaublichen und doch realen Geschichten, aufgepeppt mit bitterbösem schwarzem Humor, einer Prise Satire und abgeschmeckt mit einer brachialen Muskelshow der drei Hauptdarsteller, ist er zu empfehlen.
Wer übrigens an der unglaublichen aber wahren Geschichte hinter dem Film interessiert ist, dem empfehle ich den dreiteiligen Artikel von Pete Collins, auf dem der Film beruht.