Inside Llewyn Davis, USA 2013 • 105 Min • Regie: Joel Coen & Ethan Coen • Mit: Oscar Isaac, Carey Mulligan, John Goodman, Justin Timberlake, Garrett Hedlund, Adam Driver, F. Murray Abraham • Regie: Joel Coen & Ethan Coen • FSK: 12 Jahren • Kinostart: 05.12.2013 • Deutsche Website
„If I had wings like Noah’s dove“ – diese Zeilen eines wunderschönen Folksongs entstammen dem neuen, filmischen Geniestreich der Gebrüder Coen („True Grit“) mit dem Titel “Inside Llewyn Davis”. Gleichsam bilden die Zeilen auch eine gute Beschreibung des Filmthemas. Es geht um den aufstrebenden aber erfolglosen New Yorker Folkmusiker Llewyn Davis im Jahre 1961, dessen Verkörperung Dauer-Nebendarsteller Oscar Isaac („Drive“) hoch begabt und endlich einmal Hauptrollen-mustergültig übernimmt. Obwohl es ein Markenzeichen von Joel und Ethan Coen ist, leidet das gewohnt klasse Drehbuch bedauerlicherweise an der einen oder anderen Stelle an belanglosen Absurditäten. Nichtsdestotrotz basteln die Coens ein bewegendes Portrait der Figur „Llewyn Davis“ (lose basierend auf der Biografie des Folk-Sängers Dave Van Ronk); stellvertretend für jeden emsig-ambitionierten und doch strauchelnden Menschen.
Der Erfolg mag einfach nicht Llewyn Davis‘ Weg kreuzen. In den Clubs von Greenwich Village – das Mekka der Folkmusik in NY 1961- spielt er sich Abend für Abend die Finger auf der Gitarre wund. Zwischendurch pennt Llewyn hier und da auf der Couch von Bekannten, hat Sex mit der Frau eines Freundes, tingelt zu Songaufnahmen ins Studio und sperrt schließlich gänzlich talentfrei und fahrig die Katze eines karikaturenhaften Akademiker Ehepaars (auch eine Schlafplatzgelegenheit) aus, Leute, die ihn wie ein Fundstück intellektuellen Freunden vorführen. Ihn verbindet zwar mehr als eine flüchtige Freundschaft mit Musikerfreund Jim Berkey (fabelhafte Nebenrolle: Justin Timberlake) und der resoluten und zynischen Jean (top: Carey Mulligan; auch Isaacs Filmfrau in „Drive“), doch schafft er es nur auf der Bühne im matten Scheinwerferlicht seine Gefühle zu veräußern. Obendrein versucht er die flüchtige Katze wiederzufinden. Er nimmt schließlich seine Ambitionen zuzüglich Muts zusammen und per Mitfahrgelegenheit im Auto von einem entfernten Bekannten namens Roland Turner (bizarr: John Goodman) geht’s nach Chicago. Er setzt nochmal alles auf eine Karte, um bei Musikproduzent Bud Grossman vorstellig zu werden (F. Murray Abraham).
Was auf den ersten Blick in die Inhaltssynopsis sogar lustig und verschmitzt anmutet, wirkt dann im Endprodukt viel eher tragikomisch. Zu Gute halten kann man dem Regie-Zweier, ebenso nonchalant wie konsequent ihr Ding durchzuziehen und zu machen, wonach ihnen ist. Anders als in einem Film wie „True Grit“ gibt es hier keine Geschichte, die klar zu Ende gedacht wird. Ein Vergleich mit Joel und Ethan Coens „A Serious Man“ liegt da deutlicher auf der Hand, schließlich geht es in „Inside Llewyn Davis“ lediglich um eine Woche aus dem Leben des gleichnamigen, imaginären, mit Problemen hadernden Folkmusikers im New York der 60er. Dem Gespann der zwei virtuosen Filmemacher war nach Fertigstellung des Drehbuchs sofort bewusst, dass ihr Film mit der Besetzung der Titelfigur stehen oder fallen wird. Die Wahl fiel auf Oscar Isaac, der ein klassisch ausgebildeter Schauspieler ist und als Mitgift noch die Fertigkeiten des Gitarrenspiels und Gesang mitbrachte. Oscar Isaac stellt sich als Idealbesetzung heraus. Musikalisches Talent bringt auch Justin Timberlake als nerdig aussehender Folkmusiker „Jim Berkey“ in einer ansehnlichen Nebenrolle mit. Als emporragend ist das Zusammenspiel oder treffender der „Kriegsschauplatz“ von Carey Muligans „Jean“ und Isaacs Figur zu bezeichnen. Jean ist schrecklich nachtragend und lässt ein beispielloses Maschinengewehr-Stakkato an geringschätzigen Paragraphen auf Llewyn niederprasseln, um ihrem Herzen –da sie von Llewyn schwanger und zugleich Jim Berkeys Frau ist- Luft zu machen. Was nuanciert mit Muligan und Isaac in „Drive“ bereits super funktionierte, zelebrieren die beiden Schauspieler hier vollends auf sehr hohem Niveau. Coen Liebling John Goodman („Flight“) darf als Roland Turner während des Road Trips nach Chicago einen zu gedröhnten und abgehalfterten Jazzmusiker mimen. Hier offenbart sich der kritikwürdige Moment des Films, sich und die Zuschauer anhand von belanglosen Aberwitzigkeiten ein wenig zu verlieren. Für unzählige groteske Figuren sind die Brüder Coen bekannt; da ist es dann ausgerechnet eines ihrer Markenzeichen, das den beiden ein Beinchen stellt. Die Figur von John Goodman wird zwar wie von ihm gewohnt spitzenmäßig und bizarr anzusehen auf die Kinoleinwand gespielt, aber irgendwie ist es in diesem Fall zu viel. Obwohl Llewyn ausreichend genug als Loser stilisiert wurde, hat der Road Trip mit seinen Zwischenstopps bloß die Funktion abermalig Pleiten, Pech und Pannen des scheinbar scheiternden Musikers zu unterstreichen. Das kostet dem Film Spiellänge und Fahrtwind.
Kamera, Szenenbild und Kostüm sind enorm stimmig und geben dem Musik- lastigem Film einen repräsentativen Resonanzkörper. Kleinere und kurze Szenen, wenn beispielsweise der Schnee in Llewyns Schuhen in einem Diner wegschmilzt, bauen immer wieder eine atmosphärische Abdichtung auf. Der Style des Films ist beachtlich attraktiv geraten und bildet den Punkt auf dem „i“ der gezeigten Folk-Ära. Die Clubs haben Charakter mit Ecken und Kanten, das Licht zieht sich durch die schmuddelige Luft, viel Olivgrün und Kord Stoff. Großartig zu beobachten sind die Szenen, in denen die Schauspieler die Songs spielen. Erstens geschah dies beim Dreh live und zweitens werden die Songs in voller Länger ausgespielt. Keine überhasteten Schnitte zersägen die Performance, um die ohnehin magere Handlung gekünstelt schneller voranzutreiben. Das rockt und gibt dem Film zuweilen einen dokumentarischen Touch. Genießen! Ein perfekter Zirkelschluss, der übrigens sehr geschmeidig mit einer Kamerafahrt hinter der flüchtigen Katze übergeblendet wird, sorgt für eine runde Zusammenführung von Anfang und Ende des Films. Zuletzt sei auch die Katze mit lobpreisenden Worten beschenkt, denn der kleine Tiger ist der heimliche zweite Hauptdarsteller neben Oscar Isaac. Wie genau der Katze dies gelingt, sollte jeder Zuschauer sehen und nicht hier lesen.
Anspieltipp: Fare Thee Well (Dink’s Song) – Marcus Mumford & Oscar Isaac
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