Ein neues Jahr bringt uns zu meiner neuen Vorschau-Reihe auf die kommenden Nominierungen der 86. Academy Awards. Wer sich meine Vorschau vom letzten Jahr anschauen möchte und sehen möchte, wie gut ich dabei abgeschnitten habe, kann sich hier durchklicken.
Wie schon im letzten Jahr, wende ich mich den acht wichtigsten Kategorien zu – den Drehbüchern, den vier Schauspielsparten, der Regie und natürlich dem "Besten Film". Ich basiere meine Vorhersagen und Analysen auf gesammelten Erfahrungen von 15 Jahren, in denen ich die Oscars selbst mitverfolgt habe sowie auf existierenden Statistiken von über 80 Jahren Oscargeschichte. Sehr große Rollen spielen die großen Industrie-Prädiktoren – also die vier großen Gewerkschaften (SAG, DGA, WGA und PGA), die BAFTAs, die Golden Globes, die Preise der BFCA und natürlich auch ein Gesamtbild, das sich durch einen Blick auf die vielen Preisverleihungen der Filmkritikerverbände aus den USA ergibt. Die letztgenannten spielen natürlich eine sehr untergeordnete Rolle, wenn es um die Oscars geht, geben aber dennoch einen Eindruck davon ab, wie die generelle Stimmung in der Oscar-Saison ist. Zu guter Letzt – und das ist bei den Oscars immer sehr wichtig – ist auch eine Portion Bauchgefühl im Spiel.
Zunächst wende ich mich den beiden Drehbuchkategorien zu (original und adaptiert nach einer Vorlage). Der wichtigste Gradmesser ist die diesjährige Auswahl der Autorengewerkschaft (WGA) , also schauen wir uns diese doch noch einmal an:
Bestes Originaldrehbuch
Nebraska
Her
American Hustle
Dallas Buyers Club
Blue Jasmine
Bestes adaptiertes Drehbuch
Lone Survivor
Captain Phillips
The Wolf of Wall Street
Before Midnight
Im August in Osage County
Hier muss aber auf jeden Fall abschließend erwähnt werden, dass obwohl diese Preise aufgrund der Überschneidung der Mitglieder der Organisation mit denen der Academy wichtig sind, diverse Filme für eine Nominierung nicht zulässig waren (wie Rush, 12 Years a Slave, Fruitvale Station und Philomena), es bei den Oscars aber sein werden. Dadurch ergibt sich (jedes Jahr) ein etwas verzerrtes Bild. Natürlich berücksichtige ich diese Tatsache bei meiner Vorschau.
Schauen wir uns doch beiden Drehbuchkategorien im Einzelnen an…
Bestes Originaldrehbuch
Im Gegensatz zum letzten Jahr ist das die Drehbuchkategorie, in der die Favoriten eigentlich am deutlichsten sind. Mindestens drei Filme haben eine Nominierung hier so gut wie sicher und auch die letzten beiden Plätze haben immerhin zwei ganz klare Anwärter. Natürlich sind die Oscars auch immer für eine Überraschung gut, doch gerade bei den Originaldrehbüchern wird die Kategorie dieses Jahr sehr stark mit "Bester Film" korrelieren.
Sichere Kandidaten
Eric Warren Singer und David O. Russell (American Hustle) – David O. Russell erwartet dieses Jahr seine zweite Drehbuch-Oscarnominierung und seine dritte Nominierung als Regisseur. Daran bestehen so gut wie keine Zweifel. American Hustle ist neben 12 Years a Slave ganz klar der große Oscarfavorit dieses Jahr und neben den Schauspielern und der Regie gehört auch das von Russell und Singer geschriebene Drehbuch zu den häufig hervorgehobenen Stärken des Films. Direkt zum Auftakt der Oscar-Saison haben die Filmkritiker von New York das Drehbuch von American Hustle als das beste des Jahres ausgezeichnet. Wichtige Nominierungen bei den Golden Globes, den BAFTAs, der Writers Guild of America und der BFCA folgten. Viel gewonnen hat das Drehbuch (noch) nicht, doch bei allen wichtigen Preisen war der Film in dieser Kategorie zumindest mit einer Nominierung vertreten. Betrachtet man den Gesamtstatus des Streifens im Oscar-Rennen, seinen großen finanziellen Erfolg und David O. Russells Erfolgssträhne, die seit The Fighter andauert, ist ihm eine Nominierung für das Drehbuch garantiert.
Spike Jonze (Her) – Auch wenn Spike Jonzes Name allen eingefleischten Filmfans ein Begriff ist, überrascht es vielleicht den einen oder anderen, dass Her erst das zweite Drehbuch ist, das er für einen Langfilm geschrieben hat (nach Wo die wilden Kerle wohnen) und das erste, das er gänzlich alleine verfasst hat. Jonzes größten Kritikererfolge, Being John Malkovich und Adaption, stammten aus der Feder der Drehbuchvirtuosen Charlie Kaufman. Seine einzige Oscarnominierung ist daher die für seine Regie bei Being John Malkovich. Mit einer nicht minder schrägen Prämisse als bei seinen Filmen mit Kaufman, hat er mit Her aber offensichtlich sein Meisterwerk geschrieben, das bei sehr vielen Kritikerverbänden mit Liebe aufgenommen wurde. Den ersten Volltreffer in der Oscar-Saison landete Jonzes Her völlig unerwartet bei der National Board of Review und ergatterte dort prompt die Preise für den "Besten Film" und die "Beste Regie". Der Drehbuchpreis ging allerdings an Inside Llewyn Davis. Nichtsdestotrotz zeigten diese beiden Auszeichnungen die Stärke des Films im Rennen und ab da ging es nur noch aufwärts. Bei den Filmkritikern von Chicago, Florida, Kansas City, Las Vegas, San Diego, Toronto und Washington DC gewann Spike Jonzes Drehbuch und sicherte sich neben 12 Years a Slave die meisten Drehbuchpreise in dieser Saison. Zudem wurde der Film in der heiß begehrten Drehbuchkategorie bei den Golden Globes nominiert. Das ist insofern eine große Sache, als dass die Globes nicht zwischen Originaldrehbüchern und adaptierten Drehbüchern trennen und sich daher nur fünf Plätze in der Drehbuchkategorie ergeben. Einen davon konnte sich Her ergattern. Seit 2000 gab es nur neun Filme (von insgesamt 65), die bei den Golden Globes für ihr Drehbuch nominiert waren, bei den Oscars aber nicht. Keiner von diesen neun war ein starker Kandidat für eine "Bester Film"-Nominierung, wie es bei Her der Fall ist. Auch eine Nominierung von der Autorengewerkschaft WGA erhielt Jonze. Eine Nennung bei den Oscars sollte also für Jonze kein Problem darstellen.
Bob Nelson (Nebraska) – Nebraska ist Bob Nelsons erster verfilmtes Kino-Drehbuch und dennoch gilt er bereits neben David O. Russell und Spike Jonze als ein sicherer Kandidat für eine Nominierung bei den Oscars. Ein hilfreicher Faktor ist dabei die allgemeine Stärke des Films, der ebenso wie die beiden eben genannten Streifen, als ein heißer Anwärter auf eine "Bester Film"-Nom gilt. Bei allen relevanten Vorläufern der Oscars tauchte Bob Nelsons Nebraska in der Drehbuchkategorie auf – bei den Golden Globes, bei den WGA-Nominierungen und bei den BAFTAs. Hinzu kommt noch, dass von den letzten vier Filmen von Alexander Payne, drei eine Nominierung für ihr Drehbuch erhielten (davon haben zwei auch gewonnen). Zugegeben, jedes Mal war auch Payne selbst am Drehbuch beteiligt, doch obwohl es diesmal nicht der Fall ist, wird alles an Nebraska immer noch stark mit dem Namen von Alexander Payne assoziiert und das kann Nelsons Chancen in diesem Fall nur helfen.
Wahrscheinliche Kandidaten
Woody Allen (Blue Jasmine) – Woody Allen und die Oscars: Eine Erfolgsgeschichte. Niemand wurde in der Geschichte der Academy Awards so häufig für seine/ihre Drehbücher nominiert wie Woody Allen. Von seinen insgesamt 23 Oscarnominierungen erhielt er 15 für seine Drehbücher. Drei seiner Drehbücher (Der Stadtneurotiker, Hannah und ihre Schwestern, Midnight in Paris) haben gewonnen. Ein weiterer Sieg dieses Jahr ist ausgeschlossen, gute Chancen auf eine Nominierung hat der Film aber, allein schon, weil es Woody Allen ist und Blue Jasmine neben Midnight in Paris, Match Point und Vicky Cristina Barcelona sein von der Kritik am besten rezensierter Film der letzten 15 Jahre ist. Zudem ist der Streifen auch ein beachtlicher Box-Office-Erfolg geworden, wenn auch nicht in der gleichen Liga wie der deutlich Mainstream-tauglichere Midnight in Paris. Sicher ist die Nominierung jedoch nicht. Zwar hat Blue Jasmine die begehrte WGA-Nominierung (von der Autorengewerkschaft) erhalten, jedoch ist die WGA Allen schon immer eher zugetan gewesen als die Academy. Von seinen Autorenkollegen bei der WGA wurde er in Vergangenheit nämlich bereits 20 Mal nominiert, bei den Academy Awards aber nur 15 Mal. Außerdem wurde beispielsweise von der WGA sein Drehbuch zu Vicky Cistina Barcelona nominiert, bei den Oscars aber nicht. Bei Match Point verhielt es sich genau andersherum. Insgesamt ist aber Blue Jasmine in einer starken Position. Das Drehbuch des Films wurde bei den BAFTAs nominiert, ebenso wie bei den Preisen der BFCA. Der Film selbst gewinnt immer mehr an Fahrt im Oscar-Rennen seit er von der Producers Guild of America als einer der zehn besten Filme des Jahres nominiert wurde und dabei sogar Der Butler und Inside Llewyn Davis ausstach. Daher sollten die Chancen von Woody Allen auf seine insgesamt 24. Oscarnominierung keinesfalls unterschätzt werden.
Joel und Ethan Coen (Inside Llewyn Davis) – Richtet man sich ausschließlich nach den "Vorboten" der Oscars und dem bisherigen Stand des Rennens, sind die Chancen von Inside Llewyn Davis leider immer mehr gesunken. Weder eine Golden-Globe-Nominierung noch eine Nennung der Writers Guild of America konnte sich der Film sichern. Außerdem erhielt er keine PGA-Nominierung, was darauf hindeutet, dass es mit einer Nominierung als "Bester Film" ebenfalls knapp werden wird. Warum habe ich den Film also unter "wahrscheinlichen Kandidaten"? Ganz einfach – weil es die Coens sind, deren Drehbücher man nie ausschließen sollte (immerhin haben sie für ihre Skripte bereits fünf Oscarnominierungen erhalten und davon zwei gewonnen), erst recht nicht, wenn es sich um einen Film handelt, der so von den Kritikern umjubelt wurde, wie Inside Llewyn Davis. Sein größtes Problem ist einfach die sehr harte Konkurrenz dieses Jahr, insbesondere durch den späten Emporkömmling im Rennen Dallas Buyers Club, der sich eine WGA-Nom sichern konnte. Immerhin wurde das Drehbuch der Coens bei den BAFTAs nominiert (aufgrund der Überschneidung mit den Academy-Wählern ebenfalls eine sehr wichtige Nominierung), bei den BFCA Awards und von einer langen Reihe von Filmkritikerverbänden der USA. Der wichtigste Sieg, den der Film für sein Drehbuch erringen konnte, war die Auszeichnung der National Board of Review für das "Beste Originaldrehbuch" des letzten Jahres. Wie Woody Allen sind auch die Coens Legenden unter Autoren.
Weitere Anwärter
Craig Borten (Dallas Buyers Club) – Vor zwei Monaten hatte ich Dallas Buyers Club überhaupt nicht auf dem Schirm als einen Film, der außerhalb der Schauspielkategorien (in denen Matthew McConaughey und Jared Leto mit Sicherheit nominiert werden) sonst noch eine Rolle spielen wird bei den Oscars. Doch seit der Bekanntgabe der Nominierungen der Screen Actors Guild war es klar, dass der Film wirklich gut ankommt. Drei SAG-Nominierungen hat er erhalten, darunter die sehr wichtige Nominierung für sein schauspielerisches Ensemble als Ganzes – eine Nennung, die häufig mit der Oscarkategorie "Bester Film" korreliert. Dabei ist es aber nicht geblieben. Auch die PGA und (was für diese Vorschau am relevantesten ist) die WGA nominierten den Film. Er scheint also ein ernsthafter Kandidat auf eine "Bester Film"-Nom zu sein, aber auch eine Drehbuchnominierung könnte dabei herausspringen. Dass der Streifen sich bei der WGA gegen Inside Llewyn Davis durchsetzen konnte, ist sehr beeindruckend. Es bleibt jedoch auch eine Tatsache, dass das Drehbuch des Films außerhalb der Autorengewerkschaft nirgends nominiert wurde – nicht bei den BAFTAs, nicht bei den Golden Globes und nicht von der BFCA. Auch die Kritikerpreise konzentrierten sich voll und ganz auf die schauspielerischen Highlights des Films. Daher denke ich, dass die WGA-Nom eher ein Glücksfall war und der Film dann in dieser Kategorie bei den Oscars doch gegen das Coen’sche Werk den Kürzeren ziehen wird.
Ryan Coogler (Fruitvale Station) – Im kompletten Gegensatz zu Dallas Buyers Club betrachtete ich Ryan Cooglers Erstlingswerk vor zwei Monate noch als einen starken Kandidaten im Rennen, doch die erwarteten Preise (abgesehen von diversen Nennungen für das beste Regiedebüt) blieben fast komplett aus. Jetzt wäre jede wichtige Nominierung für den Film bei den Oscars eine große Überraschung, doch eine, die ich für nicht ausgeschlossen halte, vorausgesetzt genug Wähler haben diesen kleinen Flm überhaupt gesehen.
Danny Strong (Der Butler) – Der Butler ist eindeutig ein "Schauspieler"-Film, bei dem das Drehbuch und die Regie eine eher untergeordnete Rolle spielen und auch nicht zu den hochgelobten Punkten gehören, die die Kritiken erwähnen. Das Drehbuch erhielt bislang auch keine einzige Nominierung. Seit aber letztes Jahr John Gatins' moralinsaueres Drehbuch zu Flight, ohne viele Nominierungen im Vorfeld, ebenfalls von den Oscars nominiert wurde, möchte ich Der Butler an dieser Stelle nicht unterschätzten. Seine Chance auf eine Drehbuchnominierung ist wirklich gering, doch sie existiert.
Jonás Cuarón und Alfonso Cuarón (Gravity) – Gravity ist schon eine Kuriosität. Obwohl der Film neben American Hustle und 12 Years a Slave einer der drei großen Favoriten im diesjährigen Oscar-Rennen gehört, ist eine Drehbuchnominierung für den Streifen sehr unwahrscheinlich. Den während die Regie des Films, die technischen Aspekte und der Film selbst mit Preisen überhäuft wurden, ist das Drehbuch kaum irgendwo aufgetaucht. Gravity ist eben ein Film, der mit seinem visuellen Bombast mehr punktet, denn mit seiner Story. Dafür gibt es zahlreiche Präzedenzfälle. Auch Blockbuster wie Avatar und Titanic erhielten keine Nominierungen für ihre Drehbücher, obwohl die Filme sehr stark im Rennen waren. Etwas Hoffnung besteht aber noch für die Brüder Cuarón – die British Academy of Film and Television Arts (BAFTA), das britische Pendant zu den Oscars, nominierte den Film anstelle von Kandidaten wie Her oder Dallas Buyers Club. Darüber hinaus erwähnten nur die Filmkritikerverbände von San Francisco und Phoenix das Drehbuch des Films, während die WGA, die BFCA und die Globes ihm keine Beachtung schenkten.
Sue Smith und Kelly Marcel (Saving Mr. Banks) – Wie bei Der Butler halte ich eine Nominierung hier auch für sehr unwahrscheinlich und im Vorfeld schlug das Drehbuch keine großen Wellen. Allerdings besteht weiterhin die Möglichkeit, dass der Film zu einer der großen Überraschungen bei den Oscars gehören wird und dabei diverse unerwartete Nominierungen verbucht. Eine Nennung bei den Preisen der Producers Guild of America hat er ja bereits erhalten. Komplett außer Acht lassen würde ich den Film also nicht.
Jeff Nichols (Mud) – Vor sechs Monaten hätte ich Mud noch deutlich höher im Rennen um eine Drehbuchnominierung eingeschätzt, doch in der Hitze der Oscar-Saison ging der Film inmitten von harter Konkurrenz und trotz toller Kritiken und guter Einspielergebnisse leider unter. Hilfreich könnte vielleicht die Tatsache sein, dass Mud der erste Film war, zu dem die Academy-Mitglieder massenweise Screener zugeschickt bekommen haben, sodass die meisten ihn gesehen haben dürften. Bei den bisherigen Preisen blieb aber das Drehbuch des Films nahezu ungenannt, mit der Ausnahme einer Nominierung des Filmkritikererbands von Phoenix.
Peter Morgan (Rush – Alles für den Sieg) – Die Academy mag Peter Morgan und hat seine Arbeit auch bereits zweimal nominiert, zuletzt für eine andere Zusammenarbeit mit dem Regisseur Ron Howard, Frost/Nixon (die andere Nominierung erhielt er für Die Queen). Allerdings war der gesprächslastige Politfilm deutlich besser geeignet für eine Drehbuchnominierung und der Film befand sich deutlich höher in der Oscar-Hierarchie in seinem Jahr, Dasselbe trifft auch auf Die Queen zu. Trotz sehr guter Kritiken ist Rush in den letzten Wochen im Oscar-Rennen eher untergegangen und wird sich bestenfalls über einige technische Nominierungen sowie eine Nennung für Daniel Brühl erfreuen. Peter Morgans tolles Drehbuch dürfte dabei leider eher zweitrangig sein, auch wenn man allein schon aufgrund seines Namens nicht komplett ausschließen kann.
Außenseitertipp
Nicole Holofcener (Genug gesagt) – Nicole Holofcener ist eine der angesehensten Regisseurinnen/Autorinnen Hollywoods, auch wenn ihre Filme finanziell nie große Wellen schlugen. Keiner ihrer Streifen hat bis jetzt schlecht bei den Kritikern abgeschnitten und die Independent Spirit Awards haben ihre vier letzten Drehbücher allesamt nominiert. Bei den Oscars blieben ihre gut geschriebenen und gut gespielten Werke bislang unbeachtet. Mit viel Glück, könnte sich das dieses Jahr ändern, denn Genug gesagt ist nicht nur ihr bester Film (laut Kritikern und nach meiner subjektiven Meinung), sondern auch ihr kommerziell erfolgreichster. Zudem hat den Film den Bonus, dass auch der letztes Jahr verstobene James Gandolfini ein Kandidat für eine Nominierung bei den Oscars ist für seine Performance in dem Film, was dem Streifen noch mehr Publicity ermöglicht. Die Filmkritiker von Boston prämierten den Film für das beste Drehbuch des Jahres und die Kritikerverbände von San Diego und Washington DC haben es immerhin nominiert. was die Vorboten der Oscars betrifft, ist das eine eher magere Ausbeute, doch falls es eine Überraschung geben sollte, wird es diesem Film gelingen.
Vorhersage:
American Hustle
Her
Nebraska
Inside Llewyn Davis
Blue Jasmine
Bestes adaptiertes Drehbuch
Während die obige Kategorie viele feste Favoriten hat, ist das Feld in der Kategorie "Bestes adaptiertes Drehbuch" verstreuter. Obwohl es auch hier ein eingeschränktes Feld von wahrscheinlichen Kandidaten gibt, ist nur ein einziger Film sicher, wenn man nach dem bisherigen Verlauf des Oscar-Rennens urteilt. Ironischerweise ist es gerade dieser Film, der von der Writers Guild of America nicht nominiert wurde, allerdings auf der Grundlage, dass das Drehbuch des Films nicht nach den Richtlinien der WGA geschrieben wurde und daher für eine Nominierung nicht zulässig war.
Sichere Kandidaten
John Ridley (12 Years a Slave) – John Ridleys Adaption von Solomon Northups Memoiren ist der einzige absolut sichere Kandidat für eine Nominierung in dieser Kategorie und der haushohe Favorit für den Sieg, wie es sich bei Drehbüchern zu wahrscheinlichen "Bester Film"-Gewinnern auch gehört. Wie bereits erwähnt, wurde 12 Years a Slave von der Autorengewerkschaft WGA nicht nominiert, was allerdings an fehlender Zulässigkeit des Drehbuchs lag. Dies wird bei den Oscars gar keine Rolle spielen. Ansonsten hat Ridleys Drehbuch bislang kaum irgendeine wichtige Preisverleihung versäumt. Sowohl die Golden Globes als auch die Broadcast Film Critics Association nominierte das Drehbuch. Kein anderes Drehbuch gewann auch so viele Kritikerpreise in dieser Kategorie (darunter bei den Filmkritikerverbänden von Washington DC, San Francisco, Phoenix, Chicago und Kansas City). Eine Oscarnominierung ist beschlossene Sache.
Wahrscheinliche Kandidaten
Terence Winter (The Wolf of Wall Street) – Eigentlich sollte The Wolf of Wall Street zu den sicheren Kandidaten gehören, doch ich traue mich nicht, in dieser Kategorie andere hundertprozentige Nominees zu benennen außer 12 Years a Slave. Das liegt daran, dass die Rezeption on The Wolf of Wall Street deutlich gemischter ausgefallen ist als gehofft und der Film mit seinen sehr freizügigen Szenen einige Academy-Mitglieder abschrecken wird. Eine Drehbuchnominierung bei den Golden Globes hat der Film nicht erhalten und auch generell schnitt er bei den Globes schwächer als erwartet ab (so erhielt Scorsese keine Regienominierung). Zugleich hat aber Terence Winter den Preis der National Board of Review für seine Arbeit erhalten und wurde von den BAFTAs, der BFCA und den Filmkritikerveränden von San Francisco, Washington DC, Chicago und London nominiert. Da der Film im Rennen wieder an Stärke gewinnt (siehe die DGA-Nom für Scorsese, die PGA-Nom für den Film und die WGA-Nom für Winter), sollte das Drehbuch den Sprung unter die ersten fünf bei den Oscars schaffen.
Billy Ray (Captain Phillips) – Captain Phillips ist einer dieser Filme, deren Stärke mehr in der Regie und den Schauspielern liegt, denn in seinem Drehbuch, allerdings ist der Film als Kandidat für die Kategorie "Bester Film" aktuell so stark, dass das Drehbuch nahezu automatisch mitnominiert werden wird. Eine Nominierung von der WGA hat es ja bereits erhalten. Auch die BAFTA und die BFCA versahen Billy Ray mit einer Nominierung für den Film. Zwar hat er keine Chance, irfendeinen Drehbuchpreis zu gewinnen, sollte aber aufgrund von seinem Gesamtstatus sich relativ problemlos eine Nominierung sichern.
Steve Coogan und Jeff Pope (Philomena) – Unter den "wahrscheinlichen Kandidaten" ist Philomena am nächsten dran an einer so gut wie sicheren Nominierung. Die einzige Schwierigkeit bei der Beurteilung der Chancen des Films besteht darin, dass er für eine Nom bei der WGA Awards nicht zulässig war. Wäre er es gewesen, dann habe ich kaum Zweifel daran, das er auch nominiert worden wäre. Steve Coogans und Jeff Popes Drehbuch vermischt rührende Dramatik und Humor auf eine sehr gelungene und menschliche Art und Weise und gerade diese Mixtur lieben die Mitglieder der Academy. Die Wähler der Hollywood Foreign Press Association taten es auch und nominierten das Drehbuch des Films für den Golden Globe. Zivor gewann Philomena den Drehbuchpreis beim Filmfestival von Venedig. Auch Nominierung bei der BFCA und bei den BAFTAs hat der Film verbucht. Nahezu alle Voraussetzungen für eine Oscarnominierung sind also erfüllt.
Richard Linklater, Julie Delpy und Ethan Hawke (Before Midnight) – Kaum ein Film wurde dieses Jahr von den Kritikern so hochgejubelt wie der dritte Teil von Richard Linklaters ungewöhnlicher Filmreihe. Obwohl es kaum jemand für möglich hielt. fiel die Rezeption für Before Midnight vielleicht sogar etwas besser aus als für die beiden (ebenfalls sehr beliebten) Vorgänger. Da erscheint es nahezu paradox, dass am Ende des Jahres die meisten Kritikerverbände den Film schlicht ignorierten ebenso wie seine Darsteller. Immerhin konnte Julie Delpy eine Golden-Globe-Nominierung ergattern. Doch immerhin wird das Drehbuch des Films häufig berücksichtigt und gewann unter anderem den Preis der Los Angeles Film Critics Association. Bei dem Filmkritikerverband von New York kam es auf Platz 2 – und das ohne Trennung zwischen adaptierten und Originaldrehbüchern. Die Writers Guild of America versah den Film ebenfalls mit einer Nominierung, ebenso auch die BFCA, während die BAFTAs den Film übergingen. Doch das größte Argument für eine Nominierung bleibt, dass auch der Vorgänger, Before Sunset, für sein Drehbuch bei den Oscars nominiert wurde. Bei solchen Filmen, die zwar sehr gut angekommen sind, aber in allen anderen Kategorien einfach keine Chance haben, ist eine Drehbuchnominierung eine Art Trostpreis und diesen wird Before Midnight dieses Jahr wahrscheinlich erhalten.
Weitere Anwärter
Tracy Letts (Im August in Osage County) – Tracy Letts' Adaption von seinem eigenen Theaterstück erhielt die wichtige WGA-Nominierung, doch das schreibe ich der Tatsache zu, dass starke Konkurrenten wie 12 Years a Slave und Philomena nicht zulässig waren. Zwar ist der Film nicht komplett aus dem Rennen und hat auch von den Filmkritikern von Phoenix eine Drehbuchnominierung verbucht, doch insgesamt sind die Kritiken zum Film viel zu gemischt und der Lob gilt vor allem den darstellerischen Leistungen von Meryl Streep und Julia Roberts. Das Drehbuch dürfte dabei eher zweite Geige spielen.
Destin Cretton (Short Term 12) – Destin Crettons zweiter Langfilm ist ein winziger, winziger Film, der an den US-Kinokassen gerade einmal $1 Mio eingespielt hat. Die wichtigen Preise blieben Short Term 12 allesamt verwehrt und dennoch taucht er während der Oscar-Saison stets hier und da auf, insbesondere dank seiner Hauptdarstellerin Brie Larson. Aber auch Cretton selbst wurde für einige Kritikepreise nominiert. Beachtung bei den Oscars halte ich für extrem unwahrscheinlich, doch es sind häufig die Drehbuchkategorien, in denen sich kleine Filme gegen große Konkurrenten durchsetzen können.
Scott Neustadter und Michael H. Weber (The Spectacular Now) – In einem etwas schwächeren Jahr wäre Neustadters und Webers Drehbuch vielleicht ein Kandidat. Doch er scheint sich in die immer länger werdende Liste von "jungen" Indie-Filmen wie Garden State, (500) Days of Summer (ebenfalls von den beiden geschrieben) oder zuletzt Vielleicht lieber morgen einzureihen, die zwar durchaus bei den Kritikerpreisen punkten können, bei den größeren dafür ungenannt bleiben. The Spectacular Now erhielt Drehbuchnominierungen von den Filmkritikern von San Diego, San Francisco und Washington DC, doch Nennungen von größeren Kritikergruppen blieben aus. Komplett ausschließen kann man den Film nicht, doch ebenso wie letztes Jahr mit Vielleicht lieber morgen wird eine Nominierung nur in den Träumen der Fans bleiben.
Peter Berg (Lone Survivor) – Der einzige Grund, warum ich diesen Film aufgenommen habe, ist, weil er von der Writers Guild of America eine Nominierung für sein Drehbuch erhielt. Das war aber viel eher das Ergebnis der Tatsache, dass relevante Konkurrenten wie Philomena und 12 Years a Slave einfach unzulässig waren. Da es bislang die einzige Nennung ist, die Lone Survivor in der Drehbuchkategorie verbuchen konnte und da der Film auch insgesamt keinen sonderlichen Eindruck im Oscar-Rennen macht, glaube ich, dass es bei der WGA-Nominierung auch bleiben wird.
Außenseitertipp
Abdellatif Kechiche und Ghalia Lacroix (Blau ist eine warme Farbe) – Dass die Academy hin und wieder herausragende fremdsprachige Drehbücher nominiert, ist bekannt. So haben auch die Drehbücher zu Liebe, Sprich mit ihr und Nader und Simin – Eine Trennung von der Academy eine Nominierung erhalten, Almodovárs Film gewann den Preis sogar. Auch Blau ist eine warme Farbe, der letztjährige Gewinner der Goldenen Palme, wäre ein deutlich stärkerer Kandidat – wenn da nicht eine riesige Hürde wäre. Diese besteht in den expliziten Sexszenen des Films und der daraus resultierenden, stigmatisierenden NC17-Altersfreigabe des Films in den USA, die nur wenigen, besonders brutalen oder sexuell expliziten Filmen vorbehalten bleibt und dadurch zu einer gewissen Sigmatisieung dieser Filme führt. So konnte Shame vor zwei Jahren, trotz guter Kritiken und zahlloser Kritikerpreise, keine einzige Oscarnominierung ergattern. Als Grund dafür sehe ich vor allem die NC17-Freigabe des Films an. Blau ist eine warme Farbe ist bei den Kritikern noch beliebter als Shame und gilt für viele als einer der besten Filme des letzten Jahres. Ob das aber ausreichen wird, um das Stigma der NC17-Freigabe zu überwinden, bezweifle ich leider. Jedoch könnte gerade eine Drehbuchnominierung eine Möglichkeit sein, den Film zu entlohnen.
Vorhersage:
12 Years a Slave
The Wolf of Wall Street
Captain Phillips
Before Midnight
Philomena
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In Teil 2 erwartet Euch ein Ausblick auf die vier Schauspielkategorien. Bis bald und frohes Mitraten!