Her, USA 2013 • 126 Min • Regie: Spike Jonze • Drehbuch: Spike Jonze • Mit: Joaquin Phoenix, Amy Adams, Rooney Mara, Amy Adams, Scarlett Johansson (Stimme) • Kamera: Hoyte Van Hoytema • Musik: Arcade Fire • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 27.03.2014 • Deutsche Website
Mit „Her“ bekommen Filmfans in diesem Jahr wohl einen inhaltlich außergewöhnlichsten Beitrag geliefert. Mit fünf Nominierungen geht „Her“ ins diesjährige Rennen um den Oscar in diversen Kategorien. Ob der Film eine Chance hat und ob Regisseur und Drehbuchautor Spike Jonze („Wo die wilden Kerle wohnen“) mit seiner ungewöhnlichen Zukunftsvision zu punkten vermag, lest ihr in der folgenden Kritik.
Theodore Twombly (Joaquin Phoenix) ist ein einsamer Mann. Seine Jugendliebe Catherine (Rooney Mara) hat ihn verlassen und er zögert das Unterschreiben der Scheidungspapiere immer mehr heraus, da er sie noch immer liebt. Meistens sitzt Theodore abgeschottet auf der Arbeit oder Zuhause und spielt Videospiele. Eines Tages jedoch entscheidet er sich, für sein Computersystem eine neue Betriebssoftware namens OS1 zu kaufen und wählt bei der Systemkonfiguration eine weibliche Stimme. Diese Entscheidung verändert sein ganzes Leben, denn nun hält das virtuelle weiblich-klingende Wesen Samantha (gesprochen IM Original von Scarlett Johansson) Einzug in Theodores tristen Alltag. Immer mehr verliebt sich der einsame Mann in Samantha und findet sich bald in einem Konflikt mit seiner Realität und der virtuellen Wirklichkeit, in die er sich verliebt hat, wieder.
Regisseur und Drehbuchautor Spike Jonze hat sich in „Her“ mit dem Thema der immer größer werdenden virtuellen Realitäten und ihren Einzug in unser Leben auseinandergesetzt. Sein Charakter Theodore lebt in einer futuristischen Wirklichkeit, die nicht so fern von unserem Alltag zu sein scheint, wie man zu Beginn denkt. Theodore steht Tag ein Tag aus, mit seinem Computer per Ohrknopf mit Sprachsteuerung in Verbindung und lässt sich an Termine erinnern, E-Mails vorlesen oder die neuesten Nachrichten durchgeben. Als dies nun mit dem Betriebssystem OS1 eine Frauenstimme übernimmt, und zusätzlich sogar eine, die tatsächlich mit dem Benutzer Gespräche führen kann, ändert sich Theodores Verhalten gegenüber dieser technischen Erfindung. Relativ schnell nimmt auch der Zuschauer die Stimme von Samantha nicht mehr als Computersoftware sondern als echten Menschen war, wodurch die Grenze zwischen Realität und Virtualität schon nach Minuten aufgehoben wird. Was jedem potenziellen Zuschauer dieses Films bewusst sein muss, ist, dass Samantha niemals körperlich präsent ist und ausschließlich über die Stimme mit dem Hauptcharakter kommuniziert. Dies schlägt sich auf die Dialoglastigkeit des Films nieder, die wirklich enorm ist. Es wird mehr gesprochen, als gehandelt. Filminteressierte, denen zu viel Dialog zu zäh oder zu langweilig ist, sei der Film definitiv nicht empfohlen. Hier liegt in manchen Momenten auch die Schwäche von „Her“. Manche Passagen wirken sehr gezogen und reißen schon mal an der Geduld des Zuschauers. Ein gutes Durchhaltevermögen ist bei der Sichtung dieses Films anzuraten.
Die Schauspieler agieren alle sehr glaubwürdig, wobei die Optik des Hauptdarstellers sehr befremdet, erinnert sie doch zu sehr an den pädophilen Kindermörder aus dem Film „In meinem Himmel“. Dies ist sicherlich nicht beabsichtig, erschwert aber zu Beginn eine Sympathisieren mit der Hauptfigur.
Der Handlungsverlauf ist gerade zu Beginn interessant. Vor allem die Szene in der es eine Interaktion zwischen Hauptcharakter, Videospielfigur und Betriebssystem Samantha gibt, ist sehr unterhaltsam. Im späteren Verlauf wird die Geschichte zunehmend verstrickter und einige merkwürdige Einfälle werden einbezogen. Dies mag zwar unterhaltsam anzuschauen sein, wirkt aber manchmal auch etwas befremdlich.
Mit dem Blick auf die Oscars kann man sagen, dass Jonze hier mit seinem neusten Film ein durchaus aktuelles Thema aufgegriffen und zugespitzt hat. Ob ihm dies eine der begehrten Trophäen einbringen wird, ist fraglich. Der Film ist zwar inhaltlich durchaus interessant, sticht aber handwerklich weder schauspielerisch noch technisch in keiner Szene besonders hervor. Vor allem das Mainstream-Publikum wird mit diesem Film auf Grund seiner langsamen Erzählgeschwindigkeit, Dialoglastigkeit und einiger inhaltlicher Merkwürdigkeiten wenig anfangen können. Dies wird wohl auch der Grund sein, warum der Film in vielen Ländern erst kurz vor bzw. kurz nach den Oscars in den Kinos startet, damit unentschlossene Zuschauer durch den Rummel um den Oscar eventuell noch ins Kino gelockt werden können.
Fazit
Wer auf anspruchsvollere Kinounterhaltung ohne viel Getöse steht, kann sich an „Her“ versuchen. Ein ungewöhnlicher Science-Fiction/Romance/Drama-Mix, der in der heutigen technologisierten Zeit durchaus seine Daseinsberechtigung hat. Ob der Film nun unterhält, liegt allerdings an der Durchhaltungskraft und der inhaltlichen Toleranz des Zuschauers.
Hat dich der Kindermörder aus "In meinem Himmel" denn auch an Schimanski erinnert? Der hat auch nen Schnurri.
Ansonsten ist HER selbstverständlich ein 5/5-Kandidat.