Out of the Furnace, USA 2013 • 116 Min. • Regie: Scott Cooper • Drehbuch: Scott Cooper, Brad Ingelsby• Mit: Christian Bale, Woody Harrelson, Casey Affleck, Forest Whitaker, Willem Dafoe, Zoë Saldana, Sam Shepard, Bingo O’Malley • FSK: ab 16 Jahren • Kinostart: 3. April 2014 • Deutsche Website
Handlung
Zwei Brüder versuchen auf sehr unterschiedliche Weise, ihr Leben in einem Kaff irgendwo in der amerikanischen Pampa so zu gestalten, dass sie sich über Wasser halten können. Russell Baze (Christian Bale) schlägt sich als hart schuftender Stahlarbeiter durch wie einst sein Vater. Sein jüngerer Bruder Rodney (Casey Affleck) lehnt es ab, einem normalen Job nachzugehen, und kämpft stattdessen als Soldat im Auslandseinsatz für seine Heimat. So verschieden die beiden auch sind, sie respektieren und lieben sich. Doch als Russell plötzlich ins Gefängnis muss, beginnt sich sein Leben zu verändern. Sein schwer kranker Vater stirbt, seine große Liebe Lena (Zoë Saldana) hat ein neues Leben ohne ihn begonnen, und sein Bruder leidet zusehends unter den Auslandseinsätzen im Irak. Rodney entscheidet sich, durch Straßenkämpfen seine Schulden bei John Petty (Willem Dafoe) zu begleichen. Doch als er in einem profitableren Kampf mitmischen will, trifft er auf Harlan DeGroat (Woody Harrelson), einen skrupellosen Bandenchef. Und der sorgt dafür, dass Rodney nicht mehr nach Hause zurückkehrt. Als Russell ahnt, was passiert ist, macht er sich auf die Suche nach seinem jüngeren Bruder. Ein Zusammentreffen mit dem gewalttätigen DeGroat ist unausweichlich, doch Russell ist vorbereitet.
Kritik
Schnell wird klar, dass es sich bei Auge um Auge im Grunde genommen um ein typisches US-Kleinstadt-Drama handelt. Nur eben mit ein paar eingestreuten Action- und Thriller-Elementen, die über die Genre-Grenzen eines gewöhnlichen Dramas hinausgehen. Doch das soll kein Vorwurf für ein Potpourri zusammenhangloser Szenen sein. Denn selten gelingt die Kombination dieser Genres so gut wie in Scott Coopers neuem Film. Die verschiedenen Ebenen von Emotionalität – von tiefer Trauer, Enttäuschung, Schmerz, aber auch Freude, Liebe, bis hin zu purer Gewalt – wurden sehr stimmig miteinander verwoben. Anhand der Beziehung der beiden Baze-Brüder stellt Cooper das gesamte Spektrum an Emotionen besonders passend dar. Für Action sorgen besonders die Szenen mit Rodney, der ungehalten versucht, seinem Ärger in illegalen Straßenkämpfen Luft zu machen. Dabei schlägt er mehr als einmal über die Stränge heraus.
Insgesamt strahlt der Film eine enorme Ruhe aus, wie man sie vor allem aus modernen Hollywood-Filmen nur noch selten kennt. Es entwickeln sich nicht Schlag auf Schlag neue Konflikte, die die Charaktere alle paar Sekunden aufs Neue fordern. Die Handlung entwickelt sich im langsamer, wenngleich einige langwierige Lebensabschnitte dankenswerterweise nur verkürzt gezeigt werden. Wie zum Beispiel die Zeit, in der Russell seine Strafe absitzt. Ein Gespräch, das er mit seinem Bruder in dieser Zeit führt, reicht, um klarzumachen, dass sich sein Leben schlagartig verändert hat. Eine langwierige Fokussierung auf seine Haftzeit wäre somit auch vollkommen überflüssig gewesen. Die ruhige Atmosphäre wird auch technisch durch die Bilder von Kameramann Masanobu Takayanagi überzeugend vermittelt. Er fängt das gemächliche Alltagsleben einer typischen Kleinstadt in aussagekräftigen Bildern ein. Wenn der Fokus allerdings auf Rodney liegt, kippt die Stimmung. In den illegalen Straßenkämpfen werden die brutalen Aggressionen des Irak-Heimkehrers und deren Auswirkungen auf seinen körperlichen und seelischen Zustand deutlich. Sein Leben wirkt insgesamt düsterer. Parallelität und Kontraste zwischen den beiden Brüdern werden durch die expressiven Bilder noch stärker transportiert.
Auge um Auge ist kein Werk, das verurteilen will. Und auch die Erschaffung eines mordlustigen Rachehelden hat keinerlei Bedeutung für den Film. In dem von Cooper und Ingelsby verfassten Drehbuch steht der Mensch im Vordergrund. Und mit ihm seine Gefühle, Entscheidungen und sein Schicksal. Und in ihrer Version ist Gewalt ein zwingender Bestandteil der konstruierten Welt. Doch die wird nicht unnötig überzogen über den Plot verteilt. Gezielt werden Gewaltdarstellungen eingestreut, die dennoch besonders am Anfang und am Ende des Films geradezu sadistisch wirken. Auf der anderen Seite dient die Gewalt in all ihren Facetten auch dazu, den Film aufzulockern und einen Kontrast zu den alltäglichen Handlungssträngen zu bieten. Der Alltag dominiert die Handlung jedoch eindeutig, was dem Film passagenweise zu sehr an Geschwindigkeit nimmt.
Der Cast ist bunt zusammengewürfelt und strotzt nur so vor bekannten Gesichtern, die sich auch international einen Namen gemacht haben. Allen voran sticht der Mann heraus, der zuletzt in American Hustle eine großartige „Figur“ gemacht hat. Dass Christian Bale ein überzeugender Charakterdarsteller ist, beweist seine Filmografie. Neben American Hustle sind dabei American Psycho, Equilibrium und Der Maschinist als starke Auftritte erwähnenswert. Seine Verkörperung des Russell Baze reiht sich makellos in diese Aufzählung ein. Bale setzt Russells Leben, das von geradezu stupider Alltäglichkeit geprägt ist und plötzlich durch zahlreiche Schicksalsschläge erschüttert wird, organisch um. Die Entwicklung vom Vernünftigen zum Rachegetriebenen durch die enge Verbundenheit zu seinem Bruder wirkt durch seine Darstellung erschreckend nachvollziehbar. Für Casey Affleck ist es sichtlich schwer, neben Bale zu bestehen. In den Rodney-zentrierten Szenen kann er jedoch punkten. Neben den Hauptrollen wurden auch die Nebenrollen starbesetzt. Willem Dafoe und Woody Harrelson brillieren in ihren wie auf den Leib geschriebenen Darstellungen als Männer am Rande der Legalität. Dafoe als Kleinstadtkrimineller und Harrelson als skrupelloser Bandenchef mit Hang zum Wahnsinnigen. Im Kontrast dazu stellen Zoë Saldana als Kindergärtnerin und Forest Whitaker als Polizist gesetzestreue Charaktere mit Bravour dar.
Fazit
Auge um Auge hebt sich in vielerlei Hinsicht von den Mainstream-Produktionen aus Hollywood ab. Sehr ruhige Bilder eines Dramas und hasserfüllte Gewaltdarstellungen eines Thrillers changieren. Der Film kann berühren wie schockieren und wirkt dabei nur selten übertrieben abgehoben. Die stimmige Atmosphäre hat jedoch einen Haken: Ab und an droht sich die Handlung in allzu langwierigen Absurditäten zu verstricken. Das kann auch der herausragende Cast nicht immer wettmachen.