Liebe Filmfutter-LeserInnen,
Der zweite Tag des Fantasy Filmfests 2014 in Köln ist vorüber und obwohl ich bereits einige in Ansätzen ziemlich interessante Filme gesehen habe, fehlt mir unter den ersten sechs Streifen ein wirkliches Highlight. Doch das ist nicht weiter schlimm, denn mich erwarten ja noch zehn Tage und mehr als 30 weitere Filme und erfahrungsgemäß habe ich selten meinen Festival-Favoriten in den ersten Tagen gesehen. Vielleicht hängt das ja auch mit der Grundstimmung zusammen – man braucht schon Zeit, um in diese verrückte, vom Alltag weit entfernte und doch so wunderbare FFF-Stimmung hineinzukommen. Auch wenn die vier Filme von Tag 2 sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht unter meinen Lieblingen am Ende befinden werden, haben sie mich dennoch durch ihre unterschiedlichen Genres ins Fantasy Filmfest 2014 wirklich "hineingezogen".
Zu sehen gab es nämlich einen obligatorischen Asia-Actioner, eine schräg-überdrehte Horrorkomödie mit Gastauftritten diverser Genre-Stars und zwei Filme, die man zwar mit dem selben Satz beschreiben könnte ("Eine seltsame sexy Frau lockt männliche Opfer in den Tod und zieht sich dabei häufig aus"), die aber dennoch kaum unterschiedlicher sein könnten. Hier begegneten sich Hochglanz-Trash und hohe Filmkunst. Los geht’s mit unserem zweiten Eintrag:
TAG 2
27 Millionen Menschen weltweit spielen das hochkomplexe japanische Strategie-Spiel Go, 22 Millionen davon in Asien. Deutschland ist immerhin Nummer 1 unter den westeuropäischen Ländern, was die Verbreitung von Go angeht (danke Wikipedia!). Ich gehöre allerdings nicht zu den Eingeweihten. Zwar habe ich davon schon gehört, würde das Brett und die schwarzen und weißen Go-Steinchen wiedererkennen und weiß rudimentär, dass er darum geht, die Einheiten des Gegners mit eigenen Steinen zu umschließen, doch hier endet auch mein Wissen um das Spiel, dessen meisterliche Beherrschung angeblich Jahre an Übung erfordert. Könnte ich Go spielen, dann hätte ich vermutlich auch dem südkoreanischen Streifen The Divine Move mehr abgewonnen, denn Go spielt hier eine sehr tragende Rolle und verleiht dem Film und dessen Struktur (vermutlich) eine philosophische Tiefe, die ich mit meinem Kenntnisstand einfach nicht durchdringen kann. Go als Metapher für das Leben? Vielleicht. Da mir aber die zahlreichen im Film erwähnten Spielzüge und die Strategien mir genau so viel sagen, wie Fachbegriffe aus der Quantenphysik, kann ich das nicht mit Sicherheit behaupten.
Doch keine Sorgen, auch den Go-ignoranten Zuschauern wird hier was geboten – und zwar eine Art Ocean’s Eleven mit vielen blutigen Kampfeinlagen. Bereits die ersten Filmszenen ziehen den Zuschauern atemlos ins Geschehen hinein. Jung Woo-sung spielt Tae-seok, einen Go-Profi, der seinem spielsüchtigen Bruder bei einem illegalen Go-Spiel hilft. Doch die bösen Buben betrügen noch besser und die beiden verlieren. Nicht nur das Spiel – Tae-seok verliert ein Auge, und sein Bruder sein Leben. Der Mord wird Tae-seok in die Schuhe geschoben. Sieben Jahre sitzt er ein, wird noch besser in Go und lässt aus sich zudem eine Kampfmaschine ausbilden (in Südkorea können wirklich alle Martial Arts, oder?). Sobald er auf freiem Fuß ist, versammelt er ein Team (mit illustren Codenamen wie Drinking Christ oder Carpenter), um es dem Gangsterboss Sal-soo (Lee Beom-soo) heimzuzahlen. Doch anstatt die böse Bande einfach totzuprügeln (wozu der Held offensichtlich in der Lage wäre), gilt offensichtlich das Motto, sie alle erst einmal in Go zu blamieren.
Geprügelt wird viel, Blut fließt reichlich (nach Yellow Sea und New World wird hier wieder die Annahme bestätigt, dass südkoreanische Gangster Schusswaffen hassen müssen und stattdessen nur mit Messern und Macheten kämpfen). Noch mehr Zeit wird jedoch mit den Go-Spielen verbracht. Zwar tut der Regisseur sein Bestes, um auch diese spannend für den Zuschauer zu gestalten. Das gelingt aber nur teilweise und gerade in diesen Momenten verliert der Film dann einen Go-unbedarften Zuschauer wie mich. Die Action ist dafür toll choreographiert, doch leider nach einem starken, düsteren Einstieg in den Film, verfällt er häufig leider Albernheiten à la Ocean’s Eleven und Co. Mit jenen Filmen ist natürlich nichts verkehrt, doch der Ton schwankt hier zu sehr zwischen düsterem Rachethriller, einem "Heist-Movie" und einer philosophischen Überlegung über Go. Ich schiebe es mal auf kulturelle Unterschiede. 3/5
"Man muss sich auf den Film einlassen". Mit diesen Worten wurden die Zuschauer im recht vollen Kinosaal von den Veranstaltern in die Aufführung von Under the Skin verabschiedet. Da wurden wirklich wahre Worte gesprochen. Ich habe es versucht, wirklich versucht, mich auf das Erlebnis einzulassen. Und es ist ein Erlebnis, anders kann man den Film kaum beschreiben. Obwohl dem allgemeinen Eindruck in den Medien vor der Veröffentlichung des Films zufolge, der Streifen auch "Scarlett Johansson ist nackt – Der Film" heißen könnte, ist das in Under the Skin wirklich nebensächlich (okay, für manche vielleicht nicht). Ja, sie ist nackt und das auch nicht zu wenig. Aber wer den Film wirklich nur wegen Frau Johanssons Reizen anschauen möchte, wäre wahrscheinlich mit entsprechenden Internet-Clips besser bedient. Ob die Nacktheit der Schauspielerin der Story dient, kann ich nicht beurteilen, denn das würde voraussetzen, dass ich den Film voll und ganz verstanden habe – und das wäre schon beinahe anmaßend. Under the Skin ist nicht, wie ihm das sicherlich einige vorwerfen werden, inhaltslos. Er erzählt sehr wohl eine Geschichte und hat auch eine Aussage. Doch er ist nicht dazu gedacht, in jeder Minute verstanden zu werden, sondern sollte erlebt werden.
Hypnotisch. Auf die Gefahr hin, dasselbe zu sagen, wie fast jede andere Kritik zu dem Film, benutze auch ich dieses Wort. Meditativ. Geheimnisvoll. Nachdenklich. Mit all diesen Adjektiven kann man Under the Skin beschreiben. Doch auch Worte wie prätentiös, abgehoben, sperrig, zäh und bedeutungsarm werden sicherlich fallen. Wer Recht hat, liegt hier, mehr denn je, im Auge des Betrachters. Die Wahrnehmung eines Films hängt immer von der Person, dem Denken und der Gefühlswelt des Zuschauers ab, doch sehr selten reflektiert ein Film seine Zuschauer so sehr wie Under the Skin. Das passt, denn es ist eine Geschichte über die Menschlichkeit und was diese ausmacht – eine philosophische Frage, auf die jeder eine andere Antwort hat und mit der viele sich schlicht nicht auseinandersetzen möchten. Scarlett Johansson ist hier nicht nur außerirdisch schön, sondern sie spielt auch eine Außerirdische, die die Aufgabe hat, mit ihren Reizen, Männer in eine Falle zu locken, wo sie von ihren "Auftraggebern" konsumiert werden. Das ist eigentlich auch schon der gesamte inhaltliche Abriss, der im Vorfeld eine neue Version des Erotik-Horrors Species vermuten ließ. Ja, so wäre Species vielleicht auch geworden, hätte Alejandro Jodorowsky ihn inszeniert. Nach einem Drehbuch von David Lynch. Auf LSD. Jodorowsky hat einst über seinen Film El Topo gesagt: "Wenn du großartig bist, dann ist El Topo ein großartiger Film. Bist du beschränkt, dann ist El Topo auch beschränkt". Im Falle von Under the Skin, gebe ich zu, dass ich nach dieser Logik offensichtlich zumindest etwas beschränkt bin. Denn bei all den wirklich beeindruckenden und einnehmenden Bildern, der unter die Haut (!) gehenden Musikuntermalung von Mica Levi und Scarlett Johanssons enigmatischem Spiel (in Lucy war sie trotzdem noch besser!), bleibt es stellenweise auch ein frustrierender, abweisender Film, zu dem ich besonders gegen Ende, während des menschlichen "Erwachens" der Hauptfigur, immer weniger den Zugang gefunden habe.
Ich bewundere den Film, doch ich liebe ihn nicht. Ich zieh den Hut vor den Machern und der mutigen Hauptdarstellerin, doch als Experiment ist Under the Skin für mich nicht völlig gelungen. Ich habe versucht mich auf ihn einzulassen, wirklich, aber in der Beziehung zwischen mir und diesem Film mangelte es irgendwann einfach an Gegenseitigkeit. 3,5/5
Auf den ersten Blick hat der neue Film von Richard Bates Jr. mit seinem Regiedebüt Excision (einer meiner Favoriten beim Fantasy Filmfest 2012) nicht viel zu tun. Anstelle von zutiefst schwarzhumorigem, blutigen, in der Realität begründeten Psychohorror einer verstörten Seele, wird den Zuschauern eine beinahe familienfreundliche, bunte Horrorkomödie voller Skurrilitäten und Genreverweise serviert. Schaut man genauer hin, merkt man aber, dass sich eine Thematik durch beide Filme zieht. Der Regisseur mag Außenseiter. Schwarze Schafe, die sich nicht in die Gesellschaft, nicht einmal in die eigene Familie, einfügen können. AnnaLynne McCords Pauline in Excision war eine Außenseiterin der extremen Art. Raymond in Suburban Gothic ist eigentlich ein netter und meistens umgänglicher Kerl, der bloß nach seinem Wirtschaftsstudium keinen Job finden kann und daher zurück bei seinen Eltern in der verhassten Vorstadt einziehen muss. Mit seinem ausgefallenen Kleidungsstil (mit einer Vorliebe für bunte Schals), seiner gut artikulierten Sprechweise und seiner Großstadt-Mentalität wird er schnell als Weichei oder "Schwuchtel" abgestempelt und fällt in der konservativen Vorstadt auf wie ein bunter Hund. Doch es gibt noch etwas, das Raymond von allen anderen unterscheidet. Er kann Geister sehen und diese teils albtraumhaften Visionen lassen ihn seit seiner Rückkehr nicht in Ruhe. Hat es etwas mit einem Kindesskelett zu tun, das auf dem Grundstück des Hauses seiner Eltern gefunden wird? Mit der feschen Barkeeperin Becca (Kat Dennings), die nie ein Blatt vor den Mund nimmt, macht er sich auf, das Mysterium zu lösen.
Mit "Gothic" hat Suburban Gothic eigentlich nicht viel zu tun. Vielleicht wäre er ja gerne wie Beetlejuice, doch dazu ist der Film einfach nicht frech genug und wirkt trotz diverser netter Ideen leider häufig "heruntergekurbelt". Bates Jr. verleiht dem Film durch stark übersättigte Farben einen interessanten Look, vor dessen Hintergrund einige CGI-Effekte leider sehr billig wirken. "Criminal Minds"-Star Matthew Gray Gubler und Kat Dennings, die ihren bissigen Humor bereits in "2 Broke Girls" gut unter Beweis stellt, machen ein dynamisches Paar her, doch ihre Manierismen und Exzentritäten sind auch häufig an der Grenze zum Nervigen. Ray Wise als strenger Arschloch-Vater macht hier die beste Figur, während die kurzen Gastauftritte von Jeffrey Combs (Re-Animator)und Trash-König John Waters das Werk etwas veredeln. Doch im Gegensatz zum cleveren und unter die Haut gehenden Excision, hat Suburban Gothic den filmischen Nährwert einer bunten Bonbontüte. Für eine Horrorkomödie ist er nicht durchgehend lustig genug; für eine Satire über den Horror der US-amerikanischen Vorstädte (seit jeher ein beliebtes Thema in Horrorfilmen) bleibt er zu sehr an der Oberfläche. Hier werden Erinnerungen an Odd Thomas wach. Beide sind anspruchslos unterhaltsam, jedoch ist Suburban Gothic stellenweise zu bemüht "cool". Bei einem Filmabend mit Genre-geneigten Freunden wäre Suburban Gothic wahrscheinlich kein Fehlgriff, doch es gibt auch keinen wirklich Grund, sich unbedingt für ihn zu entscheiden. 2,5/5
Nein, Nurse 3D ist kein guter Film per se. Ich glaube, diese Behauptung wird wohl kaum einer aufstellen. Aber als sexy Trash-Film hat er im Rahmen der Midnight-Madness-Reihe beim Fantasy Filmfest seinen perfekten Platz gefunden. Zudem eignete sich Nurse 3D als perfektes Gegenprogramm zum künstlerisch abgehobenen Under the Skin. Auch hier geizt der weibliche Star nicht mit den Reizen und hat es auf Männer abgesehen. Ob dahinter aber irgendeine Aussage stecken soll, ist hingegen zweifelhaft. Eine feministische Emanzipationsbotschaft ist schwer zu finden, wenn man bedenkt, wie sehr die Kamera vor allem die wohlgeformten Körper der beiden Hauptdarstellerinnen Paz de la Huerta und Katrina Bowden liebt. Während Bowden aber noch (halbwegs) züchtig bedenkt im Film bleibt, steht de la Huerta weiterhin zu ihrer offensichtlich exhibitionistischen Ader und verbringt einen beträchtlichen Anteil der Laufzeit splitternackt. Beschweren wird sich darüber wohl kaum einer und die Vorwürfe der stetigen Prüderei in US-amerikanischen Filmen bleiben hier einem auch im Halse stecken.
De la Huerta spielt Abby, eine Krankenschwester, deren Hobby es ist, Männer zum Fremdgehen zu verführen und sie dafür mit dem Tod zu bestrafen. Neuerdings hat aber eine Frau ihr Interesse geweckt, die Anfängerin Danni (Bowden). Als diese aber nach einer heißen Nacht mit viel Alkohol nichts mehr von Abby wissen will, brennen der Männermörderin die Sicherungen durch.
Nurse 3D weiß, was es ist, und bewegt sich auch strikt in diesem Rahmen. Man sollte aber auch keine Spaßgranate von der ersten bis zur letzten Minute erwarten. Die erste Stunde ist überraschend zurückhaltend und nicht annähernd zu blutig und trashig, wie der Film einen gerne glauben lassen würde. Erst in den finalen 20 Minuten geht der Spaß so richtig (blutig) los und erst dann kommen dann auch die spärlichen 3D-Effekte wirklich zum tragen. Leider geht das auch mit einigen mäßigen CGI-Effekten einher. Paz de la Huerta verblüfft durch das schläfrig-monotone Herunterbeten von ihrem Dialog. Soll es Absicht gewesen sein oder war sie beim Dreh einfach nur high? Wahrscheinlich etwas von beidem. Katrina Bowden hat nicht viel zu tun, außer hübsch auszusehen und das meistert sie vorbildlich. Schade nur, dass der Film lange braucht, um in Fahrt zu kommen und die Ereignisse sich dann so schnell überschlagen, dass es gerade dann vorbei ist, wenn es am meistem Spaß gemacht hat. Können wir bitte eine Fortsetzung haben? 3/5
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Am dritten Tag wird es weniger phantastisch und stattdessen bodenständig und realitätsbezogen. Gewalttätige Neo-Nazis, Drogenschmuggler und verrückte Hacker statt Aliens und Geistern – Euch erwarten Kurzkritiken zu Supremacy, The Mule und Open Windows.