The Imitation Game, GB/USA 2014 • 114 Min • Regie: Morten Tyldum • Mit: Benedict Cumberbatch, Keira Knightley, Matthew Goode, Mark Strong, Rory Kinnear, Charles Dance, Allen Leech, Matthew Beard • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 22.01.2015 • Deutsche Website
Die Prä-Oscar-Saison ist auch immer Nährboden für das eine oder andere Biopic. Da hätten wir den Film über Musiklegende James Brown „Get On Up“ oder Mike Leigh’s schrulligen „Mr. Turner“ über den gleichnamigen englischen Maler. Eddie Redmayne bekam für seine Darstellung des Physikers Steven Hawking in „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ einen Golden Globe und das Martin Luther King Biopic „Selma“ heimste die Trophäe für den besten Filmsong ein. Manchmal wirkt es, als würden sich Filme mit der Biopic-Thematik automatisch in das Buhlen um die Oscars einreihen. Die Versatzstücke sind auffällig ähnlich: Man nehme eine (verkannte/missverstandene) Person aus einer Minderheit, lasse sie gegen alle Widrigkeiten antreten und stilisiere sie als Ikone oder glorifiziere sie als Heldenfigur ihrer Historie; das Streichorchester stimmt schon mal die Saiten. Allerdings muss dies nicht heißen, dass diese Art Filme schlecht sind. Es gibt auch leuchtende Beispiele wie „Dallas Buyers Club“ (Oscars letztes Jahr). Leider werden ab und zu Biopics zu sehr auf Oscar-Verträglichkeit poliert und lassen wesentliche Aspekte aus oder liefern lediglich eine einsichtige Perspektive. „The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben“ mit dem charmanten Briten Benedict Cumberbatch als Codeknacker-Mastermind Alan Turing kommt leider auch etwas zu glatt gebügelt daher, erweist sich aber dennoch als wunderbar gespielte und berechtigte, filmische Gedächtnisveranstaltung.
Schauplatz: Zweiter Weltkrieg. Das deutsche Gerät zur Kodierung der Militärkommunikation namens „Enigma“ bereitet den Wissenschaftlern im britischen Bletchley Park Kopfzerbrechen. Linguisten, Kryptographen, Mathematiker und sogar ein Schachweltmeister versuchen die Maschine zu überlisten und die Zeit arbeitet dabei gegen die Gruppe der Code-Knacker. Schließlich stehen Menschenleben auf dem Spiel. Der geniale, aber sozial eher unbeholfen agierende Mathematiker Alan Turing (Benedict Cumberbatch) macht sich durch sein vermeintlich hochnäsiges und belehrendes Auftreten unter Kollegen und Vorgesetzten keine Freunde. Doch seine mathematische Mitstreiterin Joan Clarke (Keira Knightley) steht ihm bei und glaubt an die Fähigkeiten dieses Außenseiters. Gegen alle Widerstände setzt sich Turing durch und erbaut den ersten digitalen Computer, um den Enigma-Code zu entschlüsseln. Dieses Geheimnis gilt es vor der Öffentlichkeit und dem Feind so wie Spionen zu verbergen. Allerdings muss Turing auch Teile seiner Persönlichkeit unter Verschluss halten, um nicht geächtet zu werden.
Wie in der einführende Passage angedeutet, ist „The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben“ ein konventionell umgesetztes Projekt geworden. Dennoch lohnt sich ein Blick, denn die Geschichte von Alan Turings viel zu kurzem Leben lebt von Benedict Cumberbatch. Distanziert, dennoch vollkommen fokussiert und zartfühlend, gleichwohl scharfsinnig und eingeengt ist sein Spiel zu beschreiben. Diese Facetten kennen vielleicht Serienfans, die Benedict Cumberbatch auch in der Rolle des Sherlock Holmes begutachtet haben. Geschichtlich ist weitestgehend alles akkurat und zusammengeführt, sodass drei Perioden aus Turings Leben gezeigt werden: seine Jugend im Internat, die Codeknacker-Zeit in Bletchley Park und sein Leben nach dem Krieg. Als Rahmen fungiert die Befragung eines Polizisten in der Zeit nach dem Krieg, als sich Turing dem Vorwurf der Homosexualität stellen muss. Hier liegt leider auch einer der wesentlichen Kritikpunkte. Da Alan Turing seine sexuelle Orientierung nur im Geheimen ausleben konnte, war dies ein enormer Druck und essentieller Bestandteil seines Lebens. Dieser Aspekt wird lediglich vage angedeutet und kommt viel zu kurz, als sei Alan Turing nur marginal an Zuneigung interessiert. Um ein klares Statement über Homophobie und die hanebüchenen Methoden der britischen Justiz zur Heilung dieser Verirrung zu liefern, fehlte vielleicht der Mut (Erinnerungen an verwährte Oscartrophäen für „Brokeback Mountain“ werden wach). Diese Flüsterhaltung des Films ist nicht mehr zeitgemäß, zeigt es aber auch den Zeitgeist und die damalige Haltung. Im Endeffekt führte die chemische Kastration von Turing zu seinem Selbstmord, weil er daraufhin an Depressionen erkrankte – ohne jemanden von seinen geheimen Heldentaten berichten zu dürfen. Es dauerte noch lange bis 2013, als das britische Königshaus ihn post mortem begnadigte.
Turing wird in seiner Jugend als einzelgängerisch mit Sonderinteressen gezeigt. Zudem wird eine Störung im Bereich des Autismus-Spektrums angedeutet. Er hat nur einen Freund, der zu ihm hält, welches als Motiv später wieder in Form von Keira Knightley als Joan aufgegriffen wird. Aus Turings Wesenszügen entspringen auch die amüsanten Momente des Films, wenn der geniale Verstand wieder einmal Ironie oder Sarkasmus an sich vorüberziehen sieht, ohne irgendetwas davon zu bemerken. Außerdem schafft es Turing seinem britischen stiff-upper-lip-Vorgesetzten in regelmäßiger Manier die Butter vom Brot zu nehmen, indem er „professionell unhöflich“ handelt. Seinen Intellekt nutzt er, um das zu bekommen, was er braucht und spielt die Autoritäten unschuldig blickend genial an die Wand. Für ein ausschließlich logisch arbeitendes Hirn erscheint eben Vieles willkürlich und unverständlich. Aber auch die anderen Genies kommen nicht zu kurz: Das gute Schauspielerensemble mit Namen wie Matthew Goode, Mark Strong, Keira Knightley, Rory Kinnear, Charles Dance und Allen Leech werden als wegweisende Sieger vorgestellt. Die Nerds ebnen den Weg zum Erfolg. Ein Oscargewinn für Knightley ist aber mehr als unwahrscheinlich, wo doch schon die Nominierung überraschte.
Mit vielen Informationen über das Ersinnen von unseren heutigen Computern und dem akribisch arbeitenden Team genialer Köpfe in Bletchley Park, zeigt uns der Film auch, wo der Grundstein für heutige Software-Giganten gelegt wurde. Sogar die urbane Legende um das Apple-Logo findet eine unterschwellige Erwähnung. Erwiesenermaßen hatte Turings Appetit auf Äpfel keinen Beitrag zur Erstellung des Logos geleistet. Doch neben den schauspielerischen Leistungen, der geschichtlichen Brisanz und den witzigen Andeutungen zum derzeitigen Computer-Business täuschen nicht vollends über die schale Konventionalität des filmischen Anspruchs hinweg.