Cannes 2015 – Die Filmauswahl der 68. Festival-Ausgabe steht fest

Quelle: Festival de Cannes

Von 13. bis zum 24. Mai richtet sich die Aufmerksamkeit der gesamten Filmwelt wieder auf den Süden von Frankreich. Die 68. Ausgabe der prestigeträchtigen Filmfestspiele von Cannes findet in diesem Zeitraum statt und wieder einmal werden Stars, Sternchen und Filmlegenden aus aller Welt auf der Croisette eintreffen. Thierry Fremaux und Pierre Lescure, jeweils Leiter und Präsident des Festivals, haben am Donnerstag das offizielle Line-Up von Cannes 2015 enthüllt und sorgten damit für die eine oder andere Überraschung. Im Wettbewerb laufen diesmal 17 Filme, wobei betont wurde, dass es noch einige offene Slots gibt und es durchaus sein kann, dass weitere Filme noch angekündigt werden. So sorgte es für Aufsehen, dass kein einziger spanischsprachiger Film diesmal dabei sei. Aber auch Deutschland ist beim Festival diesmal nicht vertreten. Frankreich stellte diesmal vier der Wettbewerbsfilme – eine ungewohnt hohe Zahl für den Gastgeber, der in Vergangenheit in der Regel drei Slots für sich reserviert hat.

Die meisten Filmemacher, deren Filme dieses Jahr um die Palme d’Or miteinander konkurrieren, sind keine Wettbewerbsdebütanten. Zehn Regisseure haben in Vergangenheit schon Filme im Wettbewerb gehabt und zwei (Nanni Moretti und Gus Van Sant) haben die Goldene Palme auch gewonnen. Das schmälert ihre Siegeschancen aber nicht, denn in Vergangenheit haben schon sieben Filmemacher die Goldene Palme zweimal gewonnen, zuletzt Michael Haneke (Das weiße Band und Liebe). Nur ein einziger Regisseur aus dem Wettbewerb ist ein Erstlingsfilmemacher und damit ein kompletter Cannes-Debütant – der Ungar László Nemes, dessen Holocaust-Drama Son of Saul von einem Ausschwitz-Insassen im Jahre 1944 handelt, der gezwungen wird, die Leichen seiner Leute zu verbrennen und ersucht, die eines Jungen, den er für seinen Sohn hält, vor der Verbrennung zu bewahren. Allein von dieser Plotbeschreibung her würde ich Son of Saul jetzt schon als einen der Favoriten für den Hauptpreis einschätzen.

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Gute Chancen rechne ich auch Paolo Sorrentinos Youth mit Michael Caine und Rachel Weisz zu. Youth handelt von einem Dirigenten im Ruhestand, der eingeladen wird, für Queen Elizabeth II und Prinz Philip ein Orchester zu leiten. Sorrentino nahm bereits fünfmal am Cannes-Wettbewerb teil, zuletzt mit dem oscarprämierten Werk La grande Bellezza. Zwar gewann Sorrentino bereits u. a. den Großen Preis der Jury, aber noch nie die Goldene Palme. Das könnte seine Chance sein. Rachel Weisz ist übrigens auch in einem weiteren Wettbewerbsfilm vertreten, in Yorgos Lanthimos' (Dogtooth) englischsprachigem Debüt The Lobster, einem schrägen Sci-Fi-Film, in dem sie an der Seite von Colin Farrell spielt. Darin geht es um eine Zukunft, in der Single-Sein verboten ist. Singles, die von der Regierung erwischt werden, haben dann 45 Tage Zeit, einen Partner zu finden.

Auch der Taiwanese Hou Hsiao-Hsien ist nach sechs Wettbewerbsteilnahmen mittlerweile "überfällig", aber ich glaube nicht, dass sein Martial-Arts-Epos The Assassin besonders große Chancen hat.

Gespannt bin ich darauf, wie Valérie Donzellis neuster Film, Marguerite and Julien, abschneidet. Donzelli hat mich vor einigen Jahren mit ihrem genreübergreifenden, autobiografischen Krebsfilm Das Leben gehört uns überzeugt. Er lief 2011 im Rahmen des Parallelwettbewerbs "Semaine de la Critique" in Cannes. Ihr neuster Film erzählt von der inzestuösen Beziehung zwischen den titelgebenden Geschwistern, gespielt von Anaïs Demoustier und Jérémie Elkaïm. Ein weiterer interessanter Beitrag aus Frankreich kommt mit Jacques Audiards Dheepan und handelt von einem Immigranten aus Sri Lanka und seinem harten Leben in der schonungslosen Unterwelt von Paris. Auf Audiard habe ich seit Ein Prophet und Der Geschmack von Rost und Knochen stets ein Auge.

Mich persönlich interessieren am meisten zwei englischsprachige Beiträge: Justin Kurzels Shakespeare-Adaption Macbeth mit Marion Cotillard und Michael Fassbender und Denis Villeneuves Sicario mit Emily Blunt, Josh Brolin und Benicio del Toro. Kurzels beklemmender Die Morde von Snowtown lief 2011 ebenfalls im Rahmen der "Semaine de la Critique" in Cannes und demnächst wird er mit Fassbender und Cotollaird wieder zusammenarbeiten – bei der Adaption des Videospiels "Assassn’s Creed". Gute Shakespeare-Verfilmungen waren in den letzten Jahren Mangelware und bei so einer Besetzung muss man einfach neugierig sein. Villeneuve habe ich seit Prisoners und Enemy bei mir auf dem Radar, zwei der beeindruckendsten Filme der letzten beiden Jahre. Demnächst inszeniert er das Blade-Runner-Sequel, doch zuvor gibt es dieses Jahr mit Sicario einen Thriller über den Kartellkrieg. Als junge FBI-Agentin wird Emily Blunt darin von einer internationalen Task Force rekrutiert und trifft dabei auf den mysteriösen Söldner Alejandro (Benicio del Toro). Bald schon ist sie sich nicht mehr sicher, wer auf welcher Seite steht und stößt an ihre moralischen Grenzen. Studiocanal bringt den Film am 24. September in die deutschen Kinos.

Eröffnet werden die 68. Filmfestspiele von Cannes übrigens von La Tête haute (auf Deutsch in etwa: erhobenen Hauptes). Emmanuelle Bercots Film ist auf den ersten Blick eine kuriose Wahl, verglichen zu High-Profile-Openern der Vergangenheit wie Der große Gatsby, Moonrise Kingdom, Midnight in Paris, Oben oder Moulin Rouge, doch es ist der erste Eröffnungsfilm seit fast 30 Jahren, der von einer Frau inszeniert wurde (und erst der zweite überhaupt). In dem Film spielt die französische Schauspielikone Catherine Deneuve eine Jugendrichterin, die einem Jungen auf den rechten Pfad zu helfen versucht.

Große Titel finden sich dieses Jahr außerhalb des Wettbewerbs. So feiert Mad Max: Fury Road seine Premiere in Cannes, am Tag seines weltweiten Release. Außerdem wird Pixars neustes Werk, Inside Out, außerhalb des Wettbewerbs präsentiert, ebenso wie Woody Allens Irrational Man mit Joaquin Phoenix und Emma Stone.

Die komplette Liste der Teilnehmer verschiedener Sektionen findet Ihr unten:

Eröffnungsfilm

La Tête haute (Emmanuelle Bercot) – außerhalb des Wettbewerbs

Offizieller Wettbewerb

Carol (Todd Haynes)
Macbeth (Justin Kurzel)
Dheepan (Jacques Audiard)
The Measure of Man (Stephane Brize)
Marguerite and Julien (Valérie Donzelli)
The Tale of Tales (Matteo Garrone)
The Assassin (Hou Hsiao-Hsien)
Mountains May Depart (Jia Zhangke)
Our Little Sister (Hirokazu Koreeda)
The Lobster (Yorgos Lanthimos)
Mon roi (Maïwenn)
Mia Madre (Nanni Moretti)
Son of Saul (László Nemes)
Youth (Paolo Sorrentino)
Louder Than Bombs (Joachim Trier)
Sea of Trees (Gus Van Sant)
Sicario (Denis Villeneuve)

Un Certain Regard

Madonna (Shin Suwon)
Maryland (Anna Winocour)
The Fourth Direction (Gurvinder Singh)
Fly Away Solo (Neeraj Ghaywan)
Rams (Grimur Hakonarson)
Journey to the Shore (Kiyoshi)
Je Suis Un Soldat (Laurent Larivere)
The High Sun (Dalibor Matanic)
The Other Side Roberto Minervini)
One Floor Below (Radu Muntean)
Shameless (Oh Seung-Uk)
The Chosen Ones (David Pablos)
Nahid (Ida Panahandeh)
The Treasure (Corneliu Porumboiu)

Special Screenings

A Tale of Love and Darkness (Natalie Portman)
Asphalte (Samuel Benchetrit)
Panama (Pavle Vuckovic)
Amnesia (Barbet Schroeder)
Hayored Lema’Ala (Elad Keidan)
Oka (Souleymane Cisse)

Außerhalb des Wettbewerbs

Mad Max: Fury Road (George Miller)
Inside Out (Pete Docter, Ronaldo Del Carmen)
Irrational Man (Woody Allen)
Der kleine Prinz (Mark Osborne)

Midnight Screenings

Amy (Asif Kapadia)
Office (Hong Won-Chan)

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Den Vorsitz der Jury übernehmen Ethan und Joel Coen. Weitere Jury-Mitglieder werden noch bekanntgegeben werden. Isabella Rossellini leitet die Jury in der Sektion "Un certain regard". Offen bleiben u. a. noch die Fragen nach dem Abschlussfilm des Festivals sowie nach dem Eröffnungsfilm von "Un certain regard".

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