Am ersten Tag standen drei Filme auf dem Programm. Während die ersten beiden Filme Blockbuster-Niveau hatten, machte ein Film den Abschluss, der vor allem für Genrefans interessant sein dürfte. Alle drei Filme vereint, dass sie in Deutschland bereits im Handel erhältlich sind und damit sofort von jedem genossen werden können, dessen Interesse geweckt wird.
Space Battleship Yamato (2010)
(Supêsu batorushippu Yamato)Wir schreiben das Jahr 2199. Seit Jahrzehnten herrscht Krieg zwischen den außerirdischen Gamilon und der Erde. Durch die zahlreichen Meteorangriffe auf den Blauen Planeten ist der Großteil der Menschheit ausgelöscht worden. Die Erdatmosphäre ist bereits so stark atomar verseucht, dass die wenigen Überlebenden in unterirdische Bunkerstädte flüchten mussten. Kurz vor der endgültigen Vernichtung der Erde trifft eine Nachricht der Iscandarier ein. Die Erzfeinde der Gamilon verfügen über eine Technologie, die den Planeten wieder bewohnbar machen könnte. Dafür muss das letzte Kampfschiff der Erdbewohner, die Yamato, kampfbereit gemacht werden. Nur so kann es den 148.000 Lichtjahre entfernten Planeten Iscandar erreichen und die Erde vor ihrem Untergang bewahren. Der ehemalige Kampfpilot Susumu Kodai (Takuya Kimura) und Captain Jûzô Okita übernehmen das Kommando für die Mission. Zusammen mit Navigator Daisuke Shima (Naoto Ogata), dem Multitalent Yuki Mori (Meisa Kuroki) und zahlreichen anderen Crew-Mitgliedern machen sie sich auf den gefährlichen Weg. Die Zeit ist knapp und der letzte Kampf entscheidet über alles oder nichts.
Der Realfilm von Takashi Yamazaki erinnert an eine Mischung aus Star Trek, Star Wars und Alien. Für Sci-Fi-Fans ist es auf den ersten Blick eine willkommene Abwechslung zu den geradlinigen Hollywood-Produktionen. Auch technisch kann das aufwendig inszenierte und vor allem aufwendig digital animierte Projekt mit diesen mithalten. Die Produktionskosten in Höhe von 22 Millionen US-Dollar wurden so weit sinnvoll eingesetzt. Doch es gibt ein großes Aber, das den Film streckenweise unaushaltbar macht: die Inszenierung der Handlung. Einige Szenen sind so extrem gelängt, dass es schon wehtut. Besonders das nicht enden wollende Ende ist für jeden Zuschauer eine Qual. Gepaart mit vielen gefühlsduseligen, geradezu schmalzigen Szenen wird Space Battleship Yamato streckenweise zu einem Abenteuer für die Nerven. Das Sci-Fi-Spektakel ist insgesamt jedoch kein schlechter Film, er macht durchaus Spaß. Am schönsten sind die Momente, in denen sich die japanische Crew freut, wenn etwas geklappt hat, hüpfend und grinsend wie japanische Schulmädchen. So etwas würde es in westlichen Produktionen nicht geben, ausgenommen in einer Komödie vielleicht. Der Film hat also auch seine sympathischen Seiten. Hätte man sich auf die gelungene technische Umsetzung und die solide Grundhandlung konzentriert, hätte es dem Film insgesamt besser getan. Wer Lust auf einen japanischen Sci-Fi-Film hat, dem sei Space Battleship Yamato aber dennoch ans Herz gelegt.
Das Sci-Fi-Abenteuer basiert auf der Original-Anime-Serie Uchû senkan Yamato aus den 70er-Jahren. Die Serie, die optisch ein wenig an Captain Future erinnern lässt, war ein Riesenhit im japanischen Fernsehen. Durch den Star Wars-Hype ab 1977 wurde der Anime erneut sehr erfolgreich ausgestrahlt und um eine zweite und dritte Staffel erweitert. 2012 gab es ein Remake der Serie unter dem Titel Uchû senkan Yamato 2199 mit 26 Episoden.
In Deutschland ist der Film bereits seit Längerem auf DVD, Blu-ray und als Steelbook erhältlich.
3/5 Sterne
Shield of Straw – Die Gejagten (2013)
(Wara no tate)Takaoki Ninagawa (Tsutomu Yamazaki) ist als milliardenschwerer Tycoon einer der einflussreichsten Männer Japans. Nach dem Tod seiner siebenjährigen Enkeltochter nutzt er seine Möglichkeiten und schaltet landesweite Anzeigen über alle großen Medienkanäle. Darin fordert er auf, den Mörder seiner Enkelin zu töten, und verspricht als Belohnung eine Milliarde Yen (rund 10 Millionen Euro) in bar. Als Kunihide Kiyomaru (Tatsuya Fujiwara), der psychopathische Täter, auf die Anzeigen aufmerksam wird, fürchtet er um sein Leben. Er beschließt, sich der Polizei zu stellen. Fünf Polizisten bekommen daraufhin die Aufgabe, Kunihide lebend vom Revier in Fukuoka zur Staatsanwaltschaft nach Tokyo zu bringen. Darunter die zwei Agenten der Sicherheitsbehörde Kazuki Mekari (Takao Ozawa) und Atsuko Shiraiwa (Nanako Matsushima). Unter der Leitung von Kazuki und Agent Takeshi Okumura (Gorô Kishitani) machen sich die Beschützer und der Mörder auf den 1200 Kilometer langen Weg. Dabei kreuzen immer wieder mordlüsternen Menschen, die blind von der Gier nach dem großen Geld getrieben werden, ihren Plan. Da das ganze Land Jagd auf den Mörder macht, wird das Unterfangen von Stunde zu Stunde aussichtsloser.
Takashi Miike ist zweifelsohne einer der produktivsten und erfolgreichsten Regisseure Japans. Auch außerhalb des Inselstaats hat er sich einen Namen gemacht. Typisch für seine ersten Werke sind die gnadenlosen Gewaltdarstellungen und zahlreiche Tabubrüche. Mit seiner Black Society Trilogy, bestehend aus Shinjuku Killers (Shinjuku kuroshakai), Rainy Dog (Gokudô kuroshakai) und Ley Lines (Nihon kuroshakai), hat er seine Leidenschaft für Crime Thriller in den 90er-Jahren auf Zelluloid gebannt. Diese und viele seiner anderen Werke wurden stets kontrovers diskutiert. Auch wenn seine Sturm-und-Drang-Phase abgeebbt ist, bleibt er sich treu. In Shield of Straw zeigt er einen handwerklich rundum gelungenen Polizeithriller, der vor Spannung nur so strotzt. Die Situation erreicht immer wieder eine neue Eskalationsstufe, ein Dilemma jagt das nächste. Immer wieder müssen die Personenschützer entscheiden, ob es überhaupt Sinn macht, das eigene Leben für einen Kindermörder aufs Spiel zu setzen. Schließlich sind sie mittlerweile selbst zur Zielscheibe geworden. Die Geldgier und Rachegelüste der Menschen machen jeden Anwesenden und alle 125 Millionen Japaner zu potenziellen Tätern. Die zwei Stunden, die der Film dauert, fragt man sich nur: Wann wird der Mörder selbst zum Opfer? Miike inszeniert den Roman Wara no tate von Kazuhiro Kiuchi in brillanten Bildern. Das Niveau der Spannung ist enorm, zumal man sich selbst fragt, ob es nicht besser wäre, wenn der Mörder endlich stirbt. Schließlich sterben mehr und mehr Unschuldige, je näher das Ziel rückt. Das Spiel zwischen der Interpretation von Moral, Ehre und Gerechtigkeit in all seinen Varianten macht Shield of Straw zu einem beeindruckenden Thriller. Die Nominierung für die Goldene Palme bei den Filmfestspielen von Cannes 2013 erscheint da absolut nachvollziehbar.
Auch Shield of Straw ist bereits auf DVD und Blu-ray erhältlich. Warner Home Video vermarktet ihn hierzulande unter dem Titel Wara no tate – Die Gejagten.
4,5/5 Sterne
Live (2014)
(Raibu)Naoto Tamura (Yûki Yamada) hasst die Menschen um sich herum. Er ist lieber einer von den Bösen, auch wenn er dadurch ein Außenseiter ist. Mit seiner Mutter (Akiko Ikuina) hat er seit der Trennung von seinem Vater Probleme. Doch plötzlich wird sie entführt. Ein mysteriöser Anrufer macht Naoto klar, dass er sich beeilen sollte, sie zu finden. Sonst würde ihr ziemlich bald eine Hinrichtung mit der Giftspritze drohen. Alle Hinweise, die er braucht, liefert ihm ein Buch mit dem Titel „Live“. Als er sich auf den Weg zur ersten Station macht, wird ihm erst das Ausmaß der Entführung deutlich. Denn nicht nur Naotos Mutter ist verschwunden. Zahlreiche andere (u. a. Ito Ôno, Mari Iriki, Yûki Morinaga) scheinen ebenfalls einen Nahestehenden zu vermissen. Wessen Angehörige überleben, entscheidet ein Wettrennen. Dabei heißt es: jeder gegen jeden. Es wird ein Rennen gegen die Zeit, bei dem es um Leben und Tod geht.
Jeder, der die Filme von Noboru Iguchi kennt, kann sich vorstellen, was ihn erwartet: aufwendiger Trash. Nach Splatter-Klassikern wie The Machine Girl (Kataude mashingâru), Robo Geisha (Robogeisha) und Zombie Ass (Zonbiasu) folgte 2014 mit Live ein typischer Death-Game-Film. Die Story ist auch diesmal wieder schön absurd, die Charaktere sind stark überzeichnet, und hier und dann gibt es eine Großaufnahme von ausgeprägten Teilen des weiblichen Körpers. Letzteres ist eines seiner Markenzeichen, was unweigerlich an Iguchis Anfänge als Regisseur von Pornofilmen denken lässt. Das Erfrischende an all seinen Filmen ist, dass sie sich kein Stück ernst nehmen. Seine gewohnt abgefahrenen Filme sind allein für Genrefans gemacht, nicht für ein Mainstream-Publikum. Wer in der richtigen Stimmung für einen Splatter ist, kann also viel Spaß mit seinen Filmen haben. So auch mit Live. Es werden wieder einige Liter Blut in die Umwelt geschossen und skurrile Tode herbeigeführt. Vermischt wird das Ganze mit einer Schippe Iguchi-Humor. Im Vergleich zu seinen anderen Werken muss man jedoch feststellen, dass es schon deutlich kreativere Filme von ihm gab. Ich denke da beispielsweise an den Film Gothic Lolita Battle Bear (Nuigurumâ Z), der letztes Jahr auf dem Japan-Filmfest lief. Nichtsdestotrotz ist Live für Iguchi-Liebhaber und Splatter-Anfänger sehenswert.
Der Film ist Ende April auf DVD und Blu-ray in Deutschland erschienen. Hierzulande wird er allerdings unter dem Titel Raining Blood vermarktet.
3/5 Sterne
Credits: Nihon Media e. V. (6)
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