Der letzte Tag auf dem Japan-Filmfest war zwar kurz, aber intensiv. Mit einer Ghibli-Produktion fand es nach fünf Tagen voller japanischer Filmkunst einen würdevollen Abschluss. Ein kleines Fazit zum JFFH 2015 gibt es dann im Laufe der Woche.
Die Legende der Prinzessin Kaguya (2013)
(Kaguya-hime no monogatari)Ein Bambussammler und seine Frau leben in einem kleinen Dorf mitten in der Natur. Es sind einfache Leute, die sich durch ihr traditionelles Handwerk ihren Lebensunterhalt verdienen. Eines Tages macht der Bambussammler im Wald eine merkwürdige Entdeckung. In einem Bambusspross findet er ein kleines Mädchen, das er zunächst für einen Waldgeist hält. Als er es mit zu seiner Frau nimmt, verwandelt es sich in ein menschliches Baby. Beide beschließen daraufhin, es wie ein eigenes Kind großzuziehen. Schnell wächst die Kleine, die von den anderen Kindern im Dorf Takenoko (Bambussprössling) gennant wird, zu einer wunderschönen jungen Frau heran. Doch schnell merkt der Bambussammler, dass das Mädchen für etwas Höheres bestimmt ist. Durch das Gold, das er eines Tages in einem Bambus findet, lässt er ein Anwesen in der Hauptstadt errichten. Nach dessen Fertigstellung heißt es für ihn, seine Frau und vor allem für das Mädchen Abschied von der alten Heimat zu nehmen. Ein Abschied, ohne Lebwohl sagen zu können. In der Stadt beginnt dann ihr neues Leben als Prinzessin Kaguya. Anfangs freut sich das neugierige Mädchen über ihr neues Leben. Schon bald spricht das ganze Land von der wunderschönen Prinzessin. Doch ihre Freude währt nicht lange. Sie stellt leidvoll fest, was ihr neues Leben wirklich bedeutet und was sie dafür opfern musste. Nach und nach scheint die Freude aus ihrem Leben zu schwinden. Und ein Wiedersehen mit ihrer großen Liebe aus Kindheitstagen ist in unendliche Ferne gerückt.
Isao Takahata ist neben Hayao Miyazaki der Gründer des legendären Studio Ghibli und ein weiterer Großmeister des japanischen Anime. Auch wenn Takahata oftmals im Schatten von Miyazaki zu stehen scheint, ist er ihm absolut ebenbürtig. Sein Stil unterscheidet sich stark von dem Miyazakis. Er probiert zeichnerisch gern mal etwas Neues aus, wie auch sein aktuelles Werk Die Legende der Prinzessin Kaguya beweist. Ganze acht Jahre sollen die Arbeiten laut Produzent Yoshiaki Nishimura gedauert haben. Eindrucksvoll erzählt er in kunstvoll gezeichneten Bildern das japanische Märchen des Bambussammlers neu. Es ist eine tragische Geschichte, deren zentrales Motiv ein permanenter Wechsel von Freud und Leid in sämtlichen Variationen ist. Besonders die leidvollen Momente lassen den Zuschauer immer wieder mit den Tränen kämpfen. Während der Bambussammler endlich ein Leben führen kann, wie er es sich immer gewünscht hatte, sieht er nicht, wie seine Tochter unter den neu auferlegten Zwängen leidet. Doch Kaguya steckt für ihre Familie persönliche Interessen zurück. Bis sie es irgendwann nicht mehr aushält. Es gibt in den 137 Minuten Laufzeit viele Stellen, an denen man sich das Ende der Geschichte gewünscht hätte. Nicht weil es langweilig geworden ist und man sich ein Ende herbeisehnt, sondern weil das Leid gerade mal nicht so unerträglich hoch ist. Und ausgerechnet an der Stelle, an der man es sich am wenigsten vorstellen möchte, beginnt der Abspann über die Leinwand zu laufen. Es gibt nur ganz wenige Filme, die es wagen, das Publikum so traurig zurückzulassen. Erst einige Zeit nach dem Abspann merkt man, dass man diesem Ende auch etwas Gutes abgewinnen kann. Schließlich kann ein Blick zurück auch ein Blick nach vorn bedeuten. Mehr Weisheit kann ein Film nicht besitzen.
Die Legende der Prinzessin Kaguya lief bereits im November letzten Jahres in den deutschen Kinos. Der Film wurde 2015 in der Kategorie „Bester Animationsfilm“ für den Oscar nominiert. Seit Ende April 2015 findet man die DVD und Blu-ray hierzulande im Handel.
4,5/5 Sterne
Credits: Nihon Media e. V. (2)