Trainwreck, USA 2015 • 124 Min • Regie: Judd Apatow • Mit: Amy Schumer, Bill Hader, Brie Larson, Tilda Swinton, Colin Quinn, Vanessa Bayer, John Cena, LeBron James, • Drehbuch: Amy Schumer • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 13.08.2015 • Deutsche Website
Inhalt
"Monogamie ist unrealistisch!" – Das ist der Satz, den Amys Vater (Colin Quinn) seinen Kindern schon seit frühesten Zeiten einbläut, als er und seine Frau sich trennen. Und Amy (Amy Schumer) folgt der Ansicht ihres Vaters. Als eingespannte Journalistin eines Männermagazins lebt sie ein Leben von Sex, Drugs und Rock ’n' Roll mit der festen Überzeugung, damit ein freieres Leben zu führen. Fast jede Nacht reißt sie einen anderen Typen auf, doch entweder verschwindet sie noch bevor dieser aufwacht, oder sie schmeißt ihn am Ende unsanft aus der Wohnung. Weder eine richtige Beziehung, noch wirkliches Verliebtsein hat Amy je erfahren. Bis sie von ihrer knallharten und kompromisslosen Chefin Dianna (Tilda Swinton) den Auftrag bekommt, einen Artikel über den erfolgreichen Sportmediziner Aaron Conners (Bill Hader) zu schreiben. Nach einem One-Night-Stand empfindet sie plötzlich mehr für ihn, als sie bisher zulassen wollte. Doch soll sie ihn wiedersehen oder ihn abservieren, so, wie sie es bisher immer getan hat? Amy ahnt noch nicht, dass ihr der Lebensumbruch schon kurz bevorsteht…
Kritik
Wie der Untertitel auf den Plakaten schon sagt, "Beziehungen sind auch keine Lösung", spricht die neue Komödie von Genreguru Judd Apatow eben genau das wieder an, was in vielen seiner Werke schon Thema war: Beziehungsprobleme. Und das so offen und hemmungslos, wie man es aus seinen anderen Filmen wie Jungfrau (40), männlich, sucht… oder auch Beim ersten Mal bereits kennt. Sich nicht festlegen zu wollen und ein so uneingeschränktes und freies Leben wie nur möglich zu führen, am besten ohne jegliche Bindung an irgendwen oder irgendwas. – Das ist auch das Motto des Hauptcharakters Amy in seiner neuesten Komödie Dating Queen, die zwischen Alkohol, Drogen und Bettgeschichten hin- und herspringt und sich dabei keineswegs an den Gefühlen anderer stört. Wie man es dann nicht anders erwartet, entwickelt sich aus jener Nacht mit dem Richtigen doch das, was sie unbedingt vermeiden wollte: eine Beziehung. Ob sich das jetzt gut oder schlecht für sie anfühlt, dafür muss sie sich noch entscheiden.
Vielleicht ist es sinnvoll, vorab zu erwähnen, dass der deutsche Titel Dating Queen dem amerikanischen Original-Titel Trainwreck überhaupt nicht nahe kommt. Wer bei diesem Film rein nach der deutschen Übersetzung geht, kann einen sehr falschen Eindruck vom Inhalt bekommen und sollte sich lieber am Trailer orientieren, der zwar nur die schmutzige, aber auch lustige Seite des Werks von Regisseur Judd Apatow sehr klar zeigt.
Man mag es sich vielleicht nicht erwarten, doch mit Dating Queen ist Apatow in Zusammenarbeit mit Amy Schumer ein wirklich urkomisches Kinohighlight mit interessanten Hauptcharakteren und vor allem einem perfekten Schauspielensemble gelungen. Schumer, die in der Stand-Up-Comedy-Branche mit ihren Shows (z.B. "Inside Amy Schumer") Erfolge feiert, bringt mit Dating Queen ihren Schauspiel-Stil und Humor auf die Leinwand. Bekannt ist sie vor allem dafür, sich mit ihrer krassen und ehrlichen Art über Liebe, Sex, Beziehungen im Allgemeinen und auch jegliche Frauenklischees nach Herzenslust auszulassen. Ihr Debüt auf der Kinoleinwand gab sie bereits 2012 (u. a. Price Check und Auf der Suche nach einem Freund fürs Ende der Welt), dieses Mal schrieb sie nebenbei auch noch das Drehbuch zum Film, was diesem definitiv ihre eigene Handschrift und einen speziellen Charakter verleiht. An Schumers Seite steht als zweite Hauptrolle, Sportmediziner Aaron Conners, Schauspieler und "South Park"-Mitautor Bill Hader. Auch er ist in der Comedy zuhause, hauptsächlich kennt man ihn als Stiefbruder Jason Segels in Nie wieder Sex mit der Ex und aus 22 Jump Street, ebenso wie aus der Comedy-Show "Saturday Night Live". Dass Hader und Schumer sowohl branchen-, als auch schauspieltechnisch gut zusammenpassen, zeigt sich in Dating Queen recht schnell. Um für das Gesamtwerk zu sprechen, muss man allerdings sagen: Schumer dominiert.
Die Stimmung steht und fällt mit ihrer Hauptfigur, die definitiv den Mittelpunkt des gesamten Films darstellt und dementsprechend sehr vielschichtig ausgelegt ist. Ihre Freiheit, ihr Leben so zu leben, wie sie es gerade tut, lässt sie sich von nichts und niemandem nehmen, nicht einmal von ihrer Schwester Kim (Brie Larson), die sich mit ihrem Ehemann Tom (Mike Birbiglia) ein Familienleben aufbaut und sie dazu ermutigen will, zur Vernunft zu kommen. Auf der anderen Seite steht ihre inneres Chaos und das seltsame Verhältnis von Amy zu ihrem Vater. Was sowohl Apatow in der Regie als auch Schumer im Drehbuch wirklich gut gelungen ist, ist der Effekt, dass sich alles um die große Lebenswende von Hauptcharakter Amy dreht und der Witz dabei fast immer in der Balance zur Handlung steht. Bettszenen, die Stoff zum Witzereißen bieten, gibt es genug. Zu Anfang vielleicht ein paar mehr als nötig gewesen wäre, denn eine kleine Schwachstelle des Films sind die teilweise etwas zu ausführlich diskutierten Intimprobleme, die die Lustigkeit mancher Momente zwischendurch ein wenig wieder herausnehmen. Lange Reden über Tampons lassen dabei eher leichtes Fremdschämen beim Kinobesucher hochkommen, sicherlich provokant, andererseits aber auch nicht unbedingt eine Notwendigkeit.
Doch neben allen Absurditäten, Joints und Sauforgien mag es vielleicht verrückt klingen, doch ein deutlich positiver Nebenaspekt von Dating Queen ist tatsächlich auch die Emotionalität des Films, die von allen Darstellern gut herübergebracht wird. Natürlich kommt hier der Witz trotzdem nicht zu kurz, jedoch ist dies auch ein Faktor, der die neue Komödie Apatows ein wenig von den anderen abhebt. Zwischen allen Standards der vulgären Liebescomedy kommt auch die tiefgreifendere Seite von Amy in einem kleinen Umfang zum Vorschein, die den Zuschauer packt und sogar eine leichte Tendenz zur Identifikation zulässt. Vielleicht ist es auch ein bisschen die Art des Humors, in dessen Rolle man an wenigen Stellen im eigenen Leben hätte stecken können, die einen mitreißt. Trockene Sprüche, witzige Situationen und Figurenkonstellationen geben eine gute Mischung zwischen den hin und wieder etwas klischeegeladenen Gesprächen. Was der Gesamthandlung in Dating Queen ebenfalls wirklich gut tut, ist auch Sportlerlegende LeBron James, der zusammen mit Bill Hader ein putziges Freunde-Pärchen abgibt. James übernimmt dabei mit seiner realen Identität die Rolle des ratgebenden, gefühlvollen besten Freundes, der Aaron ein bisschen auf den richtigen Weg schubst. Die Struktur des Films ist dabei relativ einfach gehalten: Nach anfänglichen Schwierigkeiten über anrufen – nicht anrufen und Gefühlschaos, der gemeinsamen Beziehung mit allem Drum und Dran, dem ersten Liebeskummer und der letztendlichen Frage "Will ich das wirklich?“, folgt dann die endgültige Entscheidung – und das direkt mit einer der besten Szenen des Films.
Fazit
Dating Queen ist eine der besseren Komödien, die zurzeit in den Kinos läuft. Zwar ist das Thema von Bindungsängsten und deshalb geistiger Desorientierung schon ein bisschen abgenutzt, trägt gerade Newcomer Amy Schumer in Sachen Präsenz und Authentizität eine Menge zur überwiegend positiven Wirkung des Films bei. Dadurch ist sowohl Story als auch Umsetzung eben nicht ganz 08/15, wie man es vielleicht vom Trailer (und ja leider auch vom deutschen Titel) erwarten mag, sondern bringt Frische in die Kino-Comedy-Welt. Ob der durchgängig mitwirkende Sexismus für den Einzelnen ansprechend oder witzig ist, muss am Ende jeder selbst wissen. Jedoch sind gerade die Szenen zwischen den massentauglich versauten Witzen immer wieder mit solchen überraschenden Brüllern belegt, dass selbst der weniger Schmuddelfilm-Begeisterte das Lachen nicht zurückhalten können sollte und von Dating Queen sicher nicht enttäuscht wird.
[…] Filmfutter 4/5 […]