Liebe Filmfutter-Fans,
willkommen zum Abschlusssegment unserer ausführlichen Vorschau auf die Nominierungen zu den 88. Academy Awards, die heute bekanntgegeben werden. nachdem ich nun über die Drehbücher und die Schauspieler gesprochen habe, komme ich heute zu den zwei Kategorien, die von vielen als die wichtigsten der Oscarnacht erachtet werden und für gewöhnlich auch Hand in Hand gehen: "Beste Regie" und "Bester Film". Obwohl hier natürlich unterschiedliche Leistungen honoriert werden, ist es dennoch häufig so, dass der gleiche Film in beiden Kategorien prämiert wird. In 87 Jahren Oscargeschichte wurden nur in 23 Jahren unterschiedliche Filme in den beiden Kategorien ausgezeichnet. Due letzten Beispiele sind 2012 und 2013, als Argo und 12 Years a Slave in der Königsklasse gewannen, während Ang Lee (Life of Pi – Schiffbruch mit Tiger) und Alfonso Cuarón (Gravity) für ihre Regiearbeit prämiert wurden. In den Neunzigern ist das aber nur einmal passiert, als Shakespeare in Love "Bester Film" wurde, während Steven Spielberg die Regie-Auszeichnung für Der Soldat James Ryan erhielt. Daher ist es immer naheliegender, davon auszugehen, dass der gleiche Film beide Trophäen mitnehmen wird.
Seit die Academy 2010 dazu übergegangen ist, wieder mehr als fünf Filme als "Bester Film" zu nominieren, während die Zahl der nominierten Regisseure weiterhin bei fünf geblieben ist, ist die Kategorie "Beste Regie" meist auch ein Indikator dafür, welche der nominierten Filme besonders stark im Rennen sind und wie das Lineup der Film-Nominees aussehen könnte, wenn wir weiterhin nur fünf nominierte Filme gehabt hätten. Allerdings kam es letztes Jahr seit der Einführung der neuen Regel erstmals überraschend vor, dass mit Bennett Miller (Foxcatcher) ein Regisseur nominiert wurde, obwohl sein Film sich nicht unter den acht nominierten Filmen befand. Es ist jedoch eher eine Ausnahmeerscheinung, die nur sehr selten vorkommen wird, solange wir weiterhin mehr als fünf Filme in der "Bester Film"-Kategorie haben.
Aussagekräftig sind für die beiden Kategorien, auf die ich diesmal eingehe, hauptsächlich drei Industrie-Gewerkschaften und die BAFTAs. Die Regiegewerkschaft Directors Guild of America (DGA) zeigte sich über viele Jahre als ein sehr zuverlässiger Prädiktor für beide Kategorien und sagte in den letzten zehn Jahren 80% der "Beste Regie"-Nominierungen und 90% der "Bester Film"-Nominierungen vorher. Es gibt allen Grund zu erwarten, dass die DGA auch dieses Jahr mit ihren Nominierungen nah an den Oscars liegen wird. Deshalb sollten wir zur Auffrischung einen Blick auf die Nominierungen der DGA werfen:
Adam McKay (The Big Short)
George Miller (Mad Max: Fury Road)
Ridley Scott (Der Marsianer)
Alejandro González Iñárritu (The Revenant – Der Rückkehrer)
Tom McCarthy (Spotlight)
Die zweite wichtige "Gilde" ist die Gewerkschaft der Filmproduzenten, Producers Guild of America. Deren Nominierungen sind hauptsächlich für die Oscarkategorie "Bester Film" ausschlaggebend, wobei es viel wichtiger ist, welche Filme es nicht auf deren Liste geschafft haben, als die Filme, die es darauf geschafft haben. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass alle zehn PGA-nominierten Filme auch von der Academy nominiert werden, doch wiederum sind die Chancen aller Filme, die von der PGA nicht nominiert wurden, recht niedrig, es bei den Oscars trotzdem zu schaffen. Hier sind die diesjährigen Nominierungen der Producers Guild of America:
The Big Short
Bridge of Spies – Der Unterhändler
Brooklyn
Ex Machina
Mad Max: Fury Road
Der Marsianer
The Revenant – Der Rückkehrer
Sicario
Spotlight
Straight Outta Compton
Da in der Kategorie "Bester Film" alle Mitglieder der Academy im Nominierungsprozess abstimmen und Schauspieler einen großen Anteil der Academy ausmachen, haben sich seit jeher auch die Ensemble-Nominierungen der Screen Actors Guild als gute Prädiktoren erwiesen. Seit 1995 hat kein Film bei den Oscars den Hauptpreis gewonnen, ohne zuvor für sein Ensemble von der Schauspielergewerkschaft nominiert gewesen zu sein. Natürlich kann jeder Trend irgendwann auch gebrochen werden, doch nach dem bisherigen Stand der Dinge haben diese fünf Filme durch die Ensemble-Nominierung der SAG einen Vorteil im Rennen:
Beasts of No Nation
The Big Short
Spotlight
Straight Outta Compton
Trumbo
Die "britischen Oscars" der BAFTA spielen auch eine nicht unerhebliche Rolle, denn viele Mitglieder der britischen Academy stimmen auch über die Oscars ab. Es sind gerade die Nominierungen der BAFTAs, die dieses Jahr Filme wie Bridge of Spies und Carol zurück ins Spiel brachten.
Im Folgenden wende ich mich den einzelnen Kategorien zu.
Beste Regie
Die zwei Top-Kandidaten in dieser Kategorie sind bereits alte Hasen, was die Oscars betrifft und blicken gemeinsam auf insgesamt fünf Regie-Nominierungen und einen Sieg zurück. Es sind auch die einzigen Regisseure, die dieses Jahr sowohl von der DGA als auch von den Golden Globes und der BAFTA für ihre Arbeit nominiert wurden, womit sie sich einen Platz unter den sicheren Kandidaten verdienten. Doch eigentlich hat sich die Top 5 der Regie-Kandidaten spätestens nach den DGA-Nominierungen ganz klar abgezeichnet und es wird schwierig sein für einen anderen Regisseur, einen dieser fünf Anwärter zu ersetzen.
Sichere Kandidaten
Alejandro González Iñárritu (The Revenant – Der Rückkehrer) – Zuletzt gelang es David O. Russell mit Silver Linings und American Hustle zweimal in Folge als Regisseur nominiert zu werden (rechnet man The Fighter dazu, so erhielt Russell sogar drei Regie-Noms in vier Jahren!), jetzt wird das auch dem letztjährigen Gewinner Iñárritu gelingen, den nach Babel und Birdman seine dritte Oscarnominierung als "Bester Regisseur" erwartet. Dass Iñárritu einer der großen Kandidaten dieses Jahr sein würde, hat sich bereits früh, spätestens nach dem ersten Trailer zu The Revenant, abgezeichnet. Die Nominierungen bei den Golden Globes, der BFCA und den BAFTAs haben seinen Status bekräftigt und der Sieg bei den Golden Globes hat die letzten Zweifel aus dem Weg geräumt. Die Nominierung der Regiegewerkschaft war dann nur noch das i-Tüpfelchen. In über 70 Jahren Golden-Globes-Geschichte kam es lediglich siebenmal vor, dass der prämierte Regisseur bei den Oscars nicht nominiert war. Zuletzt war es en Affleck für Argo, doch für ein weiteres Beispiel muss man schon bis in die Achtziger zurückgehen. Iñárritu sollte also problemlos seine Regienominierung erhalten. Die interessantere Frage ist, ob er sich John Ford und Joseph L. Mankiewicz anschließen wird und erst als dritter Filmemacher überhaupt, zwei Oscars in Folge für "Beste Regie" gewinnen kann. In dieser Hinsicht haben die Golden Globes eigentlich keine große Aussagekraft, denn on den letzten 20 Gewinnern des Regie-Globes, gewannen nur 10 auch den Oscar.
Ridley Scott (Der Marsianer) – Nach Thelma & Louise, Gladiator und Black Hawk Down erwartet Ridley Scott seine vierte Oscarnominierung als Regisseur und vielleicht auch endlich der langersehnte Sieg. Ich bezweifle, dass die Academy noch viele Gelegenheiten haben wird, den 78-Jährigen Regisseur auszuzeichnen (sollte er gewinnen, wäre er jetzt schon der älteste Gewinner überhaupt in der Kategorie und würde Clint Eastwoods Rekord um vier Jahre schlagen). Der Marsianer ist seine beste Arbeit seit über einem Jahrzehnt und zudem ein großer Box-Office-Hit und Publikumsliebling. Vor zwei Jahren erst gewann Alfonso Cuarón für einen Weltraum-Survival-Film mit Gravity. Könnte auch Scott dafür den Oscar bekommen? Eine Nominierung ist ihm jedenfalls sicher, da sowohl die DGA als auch die BAFTAs, die Golden Globes und die BFCA ihn nominierten. Die National Board of Review, einer der renommiertesten Kritikergruppen der USA, hat Scott bereits zu Beginn des Oscar-Rennens als besten Regisseur des letzten Jahres ausgezeichnet und ihn damit erfolgreich ins Oscar-Rennen geschickt.
Wahrscheinliche Kandidaten
Adam McKay (The Big Short) – Vor einem halben Jahr erschien es noch sehr unwahrscheinlich, dass der Regisseur von Anchorman und Ricky Bobby – König der Rennfahrer ein ernstzunehmender Oscarkandidat werden könnte, doch seine Chancen sind in den letzten Wochen kontinuierlich gewachsen. Erst wurde The Big Short für vier Golden Globes nominiert und für einen PGA Award, dann erhielt McKay selbst eine Regie-Nominierung von der BAFTA und setzte sich damit gegen Konkurrenten George Miller und Tom McCarthy durch und vorgestern setzte ihn die Regiegewerkschaft DGA auf die Liste der nominierten Regisseure und katapultierte ihn endgültig unter die Top-5-Kandidaten dieses Jahr. Auf der negativen Seite ist jedoch auch anzumerken, dass sowohl die Golden Globes als auch die BFCA ihn nicht als Regisseur nominiert haben (dafür aber als Drehbuchautor), doch beide sind Kritikerpreise, währen die DGA Awards und die BAFTAs als Industriepreise mehr Gewicht haben. Es sieht ganz danach aus, als würde McKay gleich zwei Oscarnominierungen für The Big Short dieses Jahr erhalten.
George Miller (Mad Max: Fury Road) – Wenn es mit den rechten Dingen zugeht, wird George Millers Monumentalarbeit an Mad Max: Fury Road von der Academy zumindest mit einer Nominierung anerkannt werden. Die Golden Globes, die BFCA und die Regiegewerkschaft DGA haben ihn nominiert und kein anderer Regisseur erhielt mehr Kritikerpreise in dieser Oscar-Saison als Miller, der von den Kritikerverbänden von Chicago, Detroit, Los Angeles, San Francisco, Vancouver, San Diego, Washington D.C. und vielen anderen prämiert wurde. Doch seit die Academy es tatsächlich geschafft hat, Christopher Nolan trotz DGA-Nominierungen und weiteren eindeutigen Indikatoren weder für The Dark Knight noch für Inception zu nominieren, beschleichen mich Zweifel, dass sie den Regisseur des vierten Mad-Max-Films nominieren würden. Bekräftigt wurden diese Zweifel auch dadurch, dass die BAFTA weder Miller noch Mad Max als "Besten Film" nominiert und damit die Chancen des Films leider deutlich geschwächt hat. In den letzten zehn Jahren kam es nicht vor, dass ein Regisseur, der von der BAFTA nicht nominiert wurde, den Oscar trotzdem gewonnen hat, sodass Miller vermutlich bestenfalls auf eine Nominierung hoffen kann. Diese erscheint seit der DGA-Nominierung wieder wahrscheinlicher, doch leider auch nicht sicher, wovon Nolan ein Lied singen kann. Er wurde nämlich bereits dreimal von der Regiegewerkschaft nominiert (zusätzlich zu den beiden oben erwähnten Filmen auch für Memento), jedoch kein einziges Mal von der Academy als "Bester Regisseur".
Tom McCarthy (Spotlight) – McCarthy wird hauptsächlich dadurch im Oscar-Rennen gehalten, dass sein Film Spotlight weiterhin die Favoritenposition für den Oscar als "Bester Film" innehat. Unter allen Regiekandidaten ist McCarthys Arbeit die subtilste und unauffälligste, was Inszenierung betrifft. Vielleicht wurde er auch deshalb von der BAFTA ebenfalls nicht nominiert, was seine zuvor als sicher geltenden Chancen auf eine Oscarnominierung schwächte. Dennoch kann McCarthy, wie auch Miller, Nominierungen bei den Golden Globes, der BFCA und der DGA vorweisen. Das reicht auf jeden Fall aus, um ihn weiterhin zu den stärksten Kandidaten für eine Nominierung zu zählen, doch seine Siegeschancen sind eher gering.
Weitere Anwärter
Todd Haynes (Carol) – Für Carol und Regisseur Todd Haynes ist die Oscar-Saison eine Achterbahnfahrt. Sie begann sehr gut mit einer Auszeichnung von den New Yorker Filmkritikern, einer Golden-Globe– und einer BFCA-Nominierung für Haynes, sowie dem zweiten Platz bei den Filmkritikern aus Los Angeles. Doch dann wurde Carol plötzlich von der Produzentengewerkschaft PGA nicht nominiert. Es ist natürlich trotzdem möglich, als Regisseur nominiert zu werden, wenn der Film von der PGA keine Nennung erhielt – wie Terrence Malick mit The Tree of Life und Michael Haneke mit Liebe in den letzten Jahren zeigten, doch es ist dennoch eine wackelige Ausgangsposition. Doch dann überschütteten die BAFTAs den Film mit Nominierungen und brachten Haynes zurück ins Spiel. Die fehlende DGA-Nominierung warf ihn aber wieder zurück. Dennoch ist der auf jeden Fall der wahrscheinlichste Kandidat, um eine Überraschungsnominierung bei den Oscars zu erhalten, wenn einer aus der aktuellen Top 5 plötzlich herausfällt.
Steven Spielberg (Bridge of Spies – Der Unterhändler) – Bei Steven Spielberg und Bridge of Spies verhält es sich ähnlich wie bei Carol und Haynes, nur mit dem Unterschied, dass der Film selbst einen besseren Stand im Oscar-Rennen hat und Spielberg einen etwas schlechteren. Als Bridge of Spies mit schwärmenden Kritiken in die Kinos kam, erschien es noch sehr wahrscheinlich, dass Spielberg für den Film seine 8. Oscarnominierung als Regisseur erhalten würde (das gelang vor ihm nur William Wyler, Martin Scorsese und Billy Wilder), doch schnell wurde klar, dass obwohl viele den Film mochten, nur wenige ihn wirklich liebten. Bei den Golden Globes gab es deshalb lediglich eine einzige Nominierung für den Nebendarsteller Mark Rylance und bei den Kritikerverbänden spielte Spielberg fast gar keine Rolle. Dennoch wurden seine Chancen durch die BFCA-Nominierung und die BAFTA-Nominierung aufrechterhalten, ebenso wie durch die Nominierung des Films von der Produzentengewerkschaft. Allerdings stärken sie eher die Position des Films selbst, denn die von Spielberg.
John Crowley (Brooklyn) – John Crowley gehört definitiv zu den Außenseitern im Oscar-Rennen, obwohl sein Name von mehreren Kritikerverbänden erwähnt wurde. Sine Chancen hängen letztlich gänzlich davon ab, wie gut Brooklyn als Film bei den Oscars abschneidet und auch dann wäre eine Nominierung für die Regie überraschend, wenn auch nicht ausgeschlossen.
Außenseitertipp
Denis Villeneuve (Sicario) – Sicario ist ein Film, der im Oscar-Rennen vor allem durch seine technischen Aspekte punkten konnte, wurde er doch bereits vom Verbänden der Cutter und der Kameraleute nominiert. Dass der Film selbst auch Chancen hat, zeigten Nominierungen der BFCA, der WGA und vor allem der Produzentengewerkschaft. Denis Villeneuve Regie gehört zu den stärksten Aspekten des Films und obwohl er bislang eigentlich kaum relevante Nominierungen erhalten hat, macht es nur Sinn, dass wenn die Chancen des Films steigen, auch Villeneuves Chancen auf eine Nominierung in die Höhe gehen. Sollte Sicario es ins Rennen als "Bester Film" schaffen, könnte auch Villeneuve eine Nominierung erhalten. Ich könnte mir aber auch ein Szenario wie bei Bennett Miller aus dem Vorjahr vorstellen, bei dem Sicario als Film zwar nicht nominiert wird, dennoch aber Anerkennung in Form einer Nominierung für Villeneuve erhält. Beide Szenarien sind nicht sehr wahrscheinlich, doch mein Bauchgefühl sagt, dass Sicario immer mehr Kraft im Oscar-Renne aufbaut, nachdem er anfangs noch ganz unter dem Radar geflogen ist.
Vorhersage:
Adam McKay (The Big Short)
George Miller (Mad Max: Fury Road)
Ridley Scott (Der Marsianer)
Alejandro González Iñárritu (The Revenant – Der Rückkehrer)
Tom McCarthy (Spotlight)
Auf Seite 2 findet die Vorschau ihren Abschluss mit den Kandidaten für den "Besen Film".