Fantastic Beasts and Where to Find Them, USA/GB 2016 • 133 Min • Regie: David Yates • Mit: Eddie Redmayne, Katherine Waterston, Dan Fogler, Alison Sudol, Colin Farrell, Ezra Miller, Carmen Ejogo, Samantha Morton • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 17.11.2016 • Deutsche Website
Handlung
Der im Umgang mit seinen Mitmenschen ungeschickte Magizoologe und (Zauber)Tierschützer Newt Scamander (Eddie Redmayne) widmet sein Leben der Erforschung, Rettung und Erhaltung von magischen Geschöpfen sowie der Aufklärung seiner zaubernden Zeitgenossen darüber, dass viele dieser gefürchteten und unliebsamen Wesen lediglich missverstanden sind und Schutz bedürfen. Mit seinem alten Endlos-Koffer, der ganze Habitate mit seltenen, gefährdeten und gelegentlich auch gefährlichen Zauberwesen beherbergt, die Newt auf seinen Expeditionen rund um die Welt aufgelesen hat, trifft er 1926 in New York ein. Durch eine unglückliche Verkettung von Missgeschicken und Verwechslungen kommt Newt sein Koffer kurzzeitig abhanden, einige von dessen Bewohnern büchsen aus und stiften in Big Apple Chaos. Gerade in dem für seine rückschrittlichen Zaubergesetze bekannten Land, konnte dies zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt passieren. Der in Europa spurlos verschwundene dunkle Zauberer Grindelwald, die mit ihm möglicherweise in Verbindung stehende Zerstörungswelle durch eine geheimnisvolle Macht in New York und die Hetze durch die fanatischen Zweiten Salemer setzen die US-amerikanische Zauberergemeinde unter enormen Druck. Die Enthüllung der Existenz von Zauberern und Hexen könnte einen katastrophalen Krieg mit den regulären Menschen (genannt No-Maj) auslösen. Gemeinsam mit der in Ungnade gefallenen Aurorin Tina (Katherine Waterston), ihrer gedankenlesenden Schwester Queenie (Alison Sudol) und dem liebenswürdigen No-Maj Jacob (Dan Fogler) versucht Newt die entflohenen Zauberwesen wieder einzusammeln, während der gnadenlose Leiter der Abteilung für magische Strafverfolgung, Percival Graves (Colin Farrell), ihnen dicht auf den Fersen ist. Schon bald erkennt das ungleiche Quartett, dass die größte Gefahr in New York nicht von Newts Geschöpfen ausgeht…
Kritik
Fünfeinhalb Jahre nachdem bei der Harry-Potter-Saga (vorerst) der letzte Vorhang im Kino gefallen ist, gelingt Autorin (und hier Drehbuchdebütantin) J.K. Rowling und Regisseur David Yates mit Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind eine nahezu reibungslose Rückkehr in die magische Welt, die die Kinogänger erstmals vor 15 Jahren erblickten. Die vermutlich größte und lobenswerteste Leistung der Macher liegt darin, dass die Zuschauer des Films schnell in ein wundervolles Universum eintauchen, das sich gleichermaßen vertraut und dennoch neu anfühlt. Sobald das graue Warner-Bros.-Logo auf der Leinwand erscheint, begleitet von den magischen Klängen von John Williams’ "Hedwig’s Theme", läuft vermutlich den meisten Fans ein wohliger Schauer über den Rücken. Die Existenz einer magischen Parallelwelt benötigt keiner Einführung mehr, sondern wird als selbstverständlich wahrgenommen. Die Standard-Zaubersprüche und die grundlegenden Regeln der Zauberwelt sind allen Kennern der Harry-Potter-Bücher und –Filme bekannt, das rege Namedropping von Dumbledore bis Lestrange sorgt für das Gefühl einer größeren, zusammenhängenden Welt. Doch es wird nach Newts Ankunft in New York schnell klar, dass weder er noch der Film Harry Potter 2.0 sind, was sich unter anderem in James Newton Howards wundervoll peppiger, von der Jazz-Ära, in der der Film spielt, geprägter Filmmusik widerspiegelt. Auch das das Setting in den hektischen Straßen von Manhattan, in einem Land, das von der Prohibition und der Nachkriegszeit gezeichnet ist, könnte kaum verschiedener sein zum geregelten Schulalltag von Hogwarts, der sich komplett innerhalb einer magischen Welt abspielte. In Phantastische Tierwesen sind die Zauberer die Außenseiter, die die ganze Zeit mit der Furcht vor der Entdeckung durch die Muggel No-Maj leben und sich in den Schatten bewegen müssen.
Yates, der bei den vier letzten Harry-Potter-Streifen Regie geführt und sich mit der Zeit immer besser in die Welt eingefunden hat, ist hier wieder in seinem Element. Gemeinsam mit der Crème de la Crème von Effektkünstlern, Ausstattern, Kostümdesignern (die dreifach oscarprämierte Colleen Atwood brilliert mit einer Kombination aus exzentrisch zauberhafter und zeitgenössisch stylischer Kleidung), Tontechnikern und Makeup-Spezialisten erweckt er Rowlings reges Vorstellungsvermögen zum spektakulären Leben. Insbesondere die zahlreichen, sehr kreativ gestalteten titelgebenden Tierwesen bieten einen unvergesslichen Anblick. Auch einige Geschöpfe, die es nie aus den Harry-Potter-Romanen in die Filme geschafft haben, bekommen hier endlich ihren Auftritt, allen voran der knuddelige diebische Niffler, der wie eine Kreuzung aus einem Maulwurf und einem Schnabeltier aussieht und gleich in zwei Szenen allen die Show (und die Juwelen) stiehlt. Wenn Newt und Jacob in einer bemerkenswerten Sequenz den magischen Koffer betreten und in nur wenigen Schritten von einem Ökosystem zum nächsten spazieren, während ein aufwendig gestaltetes Zauberwesen nach dem anderen durchs Bild huscht, kommt man als Zuschauer kaum aus dem Staunen heraus. Auf einer tieferen Ebene spielen, wie schon in Rowlings Romanen, Sozialkommentare und Allegorien auch in ihrem Drehbuch eine wichtige Rolle und richten sich hier hauptsächlich gegen die Missstände in den USA. Themen wie Todesstrafe (in einer überraschend grimmigen Szene), Segregation und fundamentalistisch religiöser Wahn werden gekonnt aufgegriffen.
Doch nachdem der Film die Zuschauer eine Zeitlang verzaubert, setzt in der zweiten Filmhälfte immer mehr die Ernüchterung ein, denn man kann sich des Gefühls nicht erwehren, dass obwohl die Macher Vieles richtig gemacht haben, etwas Entscheidendes fehlt, die besondere Zutat in dem Zaubertrank, der die besten Harry-Potter-Filme ausmachte. Das auffälligste Problem ist, dass Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind eigentlich zwei Filme beinhaltet. Der eine davon ist ein unterhaltsames, familiengerechtes Abenteuer à la Nachts im Museum, bei dem Newt und seine Begleiter die entlaufenen Tierwesen einfangen. Der andere schlägt einen düsteren Ton an und stellt den übergreifenden Handlungsbogen über Grindelwald und die Konflikte zwischen den No-Maj und den Zauberern dar, der das Fundament für die künftigen Filme der Reihe legen soll. Beide Plots verlaufen die meiste Zeit parallel zueinander und kommen nie organisch zusammen, sondern werden gegen Ende mehr als holprig zusammengebracht. Hier zeigen sich die Schwächen von Rowling als Drehbuchautorin. Ihre große Stärke lag schon immer in ihrer schier unerschöpflichen Fantasie und die meisten Harry-Potter-Romane zeichneten sich durch zahlreiche Nebenhandlungen aus, die in Romanform auch gut funktionierten. Bei der filmischen Umsetzung ging es immer darum, die Geschichten auf ihre Essenz herunterzuarbeiten – eine Herausforderung, die nach den ersten beiden Harry-Potter-Filmen auch gut bewältigt wurde. Als Skript-Autorin fehlt Rowling noch der klare Fokus aufs Wesentliche, der einen in sich kohärenteren Film ermöglicht hätte. Am deutlichsten werden die Probleme beim großen Finale, das auch dank einigen vorhersehbaren Twists und einer computergenerierten Zerstörungswut, die langsam zur Spezialität von Warner zu werden scheint, zum schwächsten Moment des Films verkommt.
Die vielen unausgereiften Nebenhandlungen des Films, wie die eines von Jon Voight gespielten Zeitungsmagnaten, oder der fanatischen Zweiten Salemer, angeführt von einer furchteinflössenden Samantha Morton, gehen leider auf Kosten dessen, was die Harry-Potter-Welt auch immer ausgemacht hat – gute Charaktere. Eddie Redmayne ist kein unsympathischer, aber ein reichlich blasser Held, und der schauspielerische Modus Operandi des Oscargewinners besteht (wie in diversen seiner anderen Filme) hauptsächlich darin, peinlich berührt zu schauen, den Augenkontakt zu vermeiden und meistens verlegen zu wirken. Lediglich einige kurze Andeutungen auf seine Vergangenheit (zweifellos gesäte Samen für die Sequels) lassen aufhorchen. Katherine Waterston, die erst letztes Jahr in Inherent Vice begeisterte, verbringt den Großteil des Films mit ernster oder trister oder tristernster Miene und bleibt leider auch sträflich unterentwickelt. Die vermutlich erhoffte Chemie zwischen ihr und Redmayne kommt nie auf und die beiden haben nicht die Ausrede der drei Harry-Potter-Kids, die im ersten Film zwar nicht gerade Glanzleistungen ablieferten, aber auch gänzlich unerfahrene Schauspieler waren.
Erheblich besser schneidet das zweite "Paar" im Film ab. Die relative Newcomerin Alison Sudol ist eine wahre Entdeckung als Queenie. Zuckersüß, behütet und zunächst noch leicht naiv wirkend, bringt sie die nötige Energie in die häufig trägen Interaktionen der Darsteller. Es ist eine wahre Freude, ihr beim Gedankenlesen zuzusehen. Dan Fogler ist als No-Maj der Gruppe ein ganz neues Element in diesem Filmuniversum. Mit großen Augen erlebt er als durch und durch liebenswerter, einfacher Kerl die ihm bislang verborgen gebliebene magische Welt und steht damit stellvertretend für alle Zuschauer und Leser, die sich einst in J.K. Rowlings Schöpfungen verliebten. Durch die ungewöhnliche Perspektive und das Setting in New York wird die magische Welt einerseits in unserer mehr verankert und andererseits wird der Kontrast zwischen dem Alltäglichen und dem Außergewöhnlichen, mit dem die Harry-Potter-Romane die Leser ursprünglichen in ihren Bann zogen, verstärkt.
Neben einem bemerkenswerten Auftritt von Ron Perlman als Goblingangster war es das auch mit den Lichtblicken im Cast. Colin Farrell spielt das Arschloch, wie es im Buche steht, und der meist großartige Ezra Miller scheint 95% seiner Screentime kurz davor zu stehen, in Tränen auszubrechen, und wird nicht der Rolle gerecht, die ihm im Film zugeschrieben wird.
Phantastische Tierwesen weiß zu unterhalten, gelegentlich zu verzaubern und manchmal sogar zu erstaunen, aber man kann und sollte ihm auch seine diversen Makel vorwerfen. Es tut jedoch gut, sich in Erinnerung zu rufen, dass auch der erste Harry-Potter-Film der mit Abstand schwächste der gesamten Reihe war, sodass meine Hoffnungen auf eine bessere Zukunft der Reihe weiterhin Bestand haben. Schließlich haben auch die Harry-Potter-Macher aus ihren Fehlern gelernt und beendeten das erste Franchise auf einem Höhepunkt.
Fazit
Aller Anfang ist schwer: wie einst Harry Potter und der Stein der Weisen leidet auch Phantastische Tierwesen an einigen Kinderkrankheiten eines Films, der einerseits eine eigenständige Geschichte erzählen soll, andererseits aber auch unter Druck steht, den Grundstein für eine mehrteilige Filmreihe zu legen. Beide Zielsetzungen kommen sich gegenseitig immer wieder in die Quere, was den Erzählfluss stört und die Entwicklung potenziell interessanter Charaktere, mit einigen Ausnahmen, zu Gunsten der zahlreichen Nebengeschichten in den Hintergrund geraten lässt. Dafür blüht der Film in allen technischen Aspekten auf, sprudelt vor Einfallsreichtum und erschafft eine fantasievolle Welt, die sich zugleich vertraut und neu anfühlt. Hoffentlich können die (aktuell vier geplanten) Fortsetzungen auf dieser soliden Basis aufbauen und die Schwächen des Anfängers ausmerzen, wie es auch den Harry-Potter-Sequels nach und nach gelungen ist.