Jigsaw, USA 2017 • 92 Min • Regie: Peter und Michael Spierig • Mit: Matt Passmore, Laura Vandervoort, Tobin Bell, Callum Keith Rennie, Clé Bennett • FSK: ab 18 Jahren • Kinostart: 26.10.2017 • Website
Handlung
Fünf Fremde wachen mit Eimern auf ihren Köpfen in einem karg beleuchteten Raum auf. Eine Stimme aus dem Lautsprecher ertönt und verkündet, dass sie alle auf die Probe gestellt werden, damit sie ihre schlimmsten Sünden gestehen. Nur die Wahrheit kann sie befreien. Noch bevor die benommenen Opfer wissen, wie es um sie geschieht, drehen sich schon Kreissägen an der Wand, auf die sie durch Ketten, die an den Eimern befestigt sind, hingezogen werden. Ein Blutopfer muss erbracht werden, um mit dem Leben davonzukommen. Das ist erst der Anfang eines perfiden Spiels, zu dem ihr Entführer sie zwingt. Derweil tauchen in der Stadt verstümmelte Leichen auf und alle Spuren deuten auf einen berüchtigten, aber unmöglichen Täter hin – John Kramer alias Jigsaw (Tobin Bell), der seit zehn Jahren tot ist. Doch ist er das wirklich? Für die Polizei beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, um das blutige Treiben von Jigsaw oder seinen Anhängern zu stoppen, bevor es weitere Opfer fordert.
Kritik
Als sich James Wan und Leigh Whannell den ersten Saw-Film erdachten, haben sie sicherlich nicht damit gerechnet, dass es der Auftakt zu einem der erfolgreichsten Horror-Franchises der Kinogeschichte werden würde. Hätten sie das geahnt, hätten sie ihren Antagonisten Jigsaw vermutlich nicht als unheilbar Krebskranken geschrieben. Natürlich ist es gerade dieser Umstand, der (zumindest im ersten Film noch) Jigsaws Plan in Gang setzte, nachdem er lernte, das Leben zu schätzen, doch mit diesem Kniff schossen die Macher der Zukunft der Reihe ins Bein. Sie sind vermutlich auch nicht davon ausgegangen, dass Jigsaw so schnell in die Hall of Fame von Horror-Schurken aufsteigen und für viele Genrefans im gleichen Atemzug mit Freddy oder Jason genannt werden würde. Es sind nicht nur seine ausgeklügelten, perfiden Fallen, die Jigsaw zu einem Favoriten vieler Horrorfans machte, sondern auch seine pseudointellektuellen Ausführungen zu Schuld, Sühne und dem wahren Wert des Lebens, den man offenbar nur verstehen kann, wenn man furchtbar verstümmelt wird. Im ersten Saw verbrachte der Charakter noch nahezu die gesamte Laufzeit als angebliche Leiche. Erst im zweiten und dritten Film konnte Tobin Bell sein diabolisches Spiel wirklich zur Geltung bringen.
In Saw III ist die Uhr dann für Jigsaw abgelaufen, nicht durch seinen Tumor, sondern durch die Hand eines seiner Opfer. Was macht man also, wenn der Haupt-Antagonist einer sehr erfolgreichen Filmreihe aus dem Leben scheidet und man nicht die übernatürlichen Gefilde betreten möchte, um ihn zurückzubringen? Man verpasst ihm einen ähnlich wahnsinnigen Lehrling, spielt mit Zeitebenen und baut unzählige Flashbacks rein, um Jigsaws Vorgeschichte unnötig zu beleuchten. Jigsaw wurde zum Tupac des Horrorkinos, mit mehr Auftritten nach seinem Filmtod als davor. Mit jedem neuen Film wurde es jedoch problematischer, Jigsaw irgendwie in die Handlung reinzuzwängen und sein Screentime wurde immer kürzer.
Sieben Saw-Filme erschienen zwischen 2004 und 2010 im Jahres-Rhythmus, bis das Franchise den Ermüdungserscheinungen erlag. Jetzt kommt nach einer siebenjährigen Pause ein neuer Film in die Kinos und dass er das Erbe der Reihe stolz zur Schau trägt, zeigt schon sein Titel: Jigsaw. Natürlich darf Tobin Bell auch im neuen Film nicht fehlen. Die Umstände, unter denen er hier zurückkehrt, werden an dieser Stelle natürlich nicht verraten, doch sein Auftritt wirkt diesmal tatsächlich weniger forciert und passender als in den letzten Filmen der Reihe. Von Anfang an ist Jigsaw eine Präsenz in dem Film, doch bis sie Bell endlich zu sehen bekommen, müssen die Zuschauer etwas Geduld aufbringen. Zum Glück vertreibt der Film einem bis dahin die Zeit mit dem, was die Saw-Reihe am besten kann: brutale Tode durch unrealistisch komplexe Fallen. Wie erstmals in Saw II, ist es wieder eine Gruppe von Opfern, die sich durch Jigsaws krankes Escape-Room-Szenario durchschlagen müssen. Wie in den meisten Saw-Sequels sind die Opfer-Charaktere (u. a. gespielt von "Bitten"-Star Laura Vandervoort) allesamt recht langweilig. Sie sind weder sympathisch genug, um mit ihnen mitzufiebern, noch böse genug, um sie zu hassen. Sie sind Kanonenfutter für Jigsaws Maschinen des Todes. Die neuen Regisseure Michael und Peter Spierig erklärten zwar im Vorfeld, ihr Film sei nicht ganz so grausam wie die Vorgänger, doch eins ist gewiss: Gore-Fans werden hier voll auf ihre Kosten kommen und der Film hat sich seine FSK-Freigabe ab 18 redlich verdient. Wie spätestens ab Saw III, dient die übertriebene Gewaltdarstellung hier wieder dem Selbstzweck und keine Szene in der gesamten Reihe kommt für mich immer noch an das Fuß-Absägen aus Teil 1 heran, als Gewalt noch vor allem psychologisch anstatt explizit eingesetzt wurde. Den Maskenbildnern gebührt aber für ihre Arbeit an Jigsaw auf jeden Fall Respekt, denn in puncto Blood ’n' Gore braucht sich der Film hinter seinen Vorgängern nicht zu verstecken. Gelegentlich kommt bei den Fallen-Szenen sogar echte Spannung auf, die spätere Sequels der Reihe vermissen ließen.
Deutlich uninteressanter wird es immer, wenn die Handlung von den Spielen zu den Ermittlungen im Fall von Jigsaws neuer Mordserie wechselt, denn die klischeehaften Polizisten und Pathologen sind genau so uninteressant und austauschbar wie die Opfer des Serientäters, nur dass sie nicht den Bonus haben, in regelmäßigen Abständen zersägt, aufgespießt oder zerrissen zu werden. Um der klassischen Saw-Blaupause treu zu bleiben, beinhaltet Jigsaw neben einfallsreichen Fallen und solider Härte auch diverse Twists, die sich natürlich zuspitzen, wenn die beiden Handlungsstränge gegen Ende zusammenlaufen. Wer mit der Reihe vertraut ist und weiß, wie die Filme funktionieren, wird die meisten dieser Wendungen vom Weiten kommen sehen.
Seinen Höhepunkt erreicht Jigsaw jedoch, wenn Tobin Bell endlich die Bühne betritt und binnen weniger Sätze die Zuschauer daran erinnert, dass er immer noch das (schwarze) Herz der Reihe. Da er sein Gesicht im Gegensatz zu vielen Horror-Schurken nicht hinter einer Maske oder unter viel Makeup versteckt, ist er schauspielerisch gefordert und schafft es wieder einmal durch Ruhe, Bedrohlichkeit auszustrahlen.
Die Spierig-Brüder, die u.a. für ihren Vampirfilm Daybreakers und den cleveren Zeitreisethriller Predestination bekannt sind, haben mit Jigsaw die Reihe nicht neu erfunden, sondern vielmehr einen Film inszeniert, der ganz im Geiste seiner Vorgänger steht. Wer nicht nur den ersten Film, sondern v.a. die gesamte Reihe mochte, wird hier auf seine Kosten kommen. Doch Jigsaw ist trotz diverser Querverweise und Hommagen an die früheren Filme so ausgelegt, dass auch Neueinsteiger sich problemlos zurechtfinden könnten. Die Macher befreiten sich weitgehend von der Last der Franchise-Mythologie, die vor allem ab Teil 2 immer verschachtelter wurde, und steuerten stattdessen ein eigenes Puzzlestück zu diesem bei. Was soll’s, dass einige rückwirkende Ergänzungen der Vorgeschichte geradezu haarsträubend sind. Auch wenn die Saw-Reihe sich auf eine drollige Art und Weise todernst nimmt, sollte man es als Zuschauer lieber nicht tun. Jigsaw ist so gut, wie man es vom achten Saw überhaupt erwarten kann.
Fazit
Ausgeklügelte Fallen, ultrafiese Tode, viele Twists, eindimensionale Kanonenfutter-Charaktere und ein charismatischer Tobin Bell. Der neue Saw-Film ist ein alter Hut, doch nach einer siebenjährigen Pause macht Wiedersehen doch irgendwie Freude und es ist schon skurril-sympathisch, wie ernst der Film sich und seine haarsträubende Mythologie nimmt.
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