Wonder Wheel (2017) Kritik

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Wonder Wheel, USA 2017 • 101 Min • Regie: Woody Allen • Mit: Kate Winslet Justin Tmberlake, Jim Belushi, Juno Temple • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 11.01.2018 • Deutsche Website

Handlung

Ginny (Kate Winslet) geht schnell auf die 40 zu und arbeitet als Kellnerin in einem Restaurant in einem Vergnügungspark auf Coney Island der fünfziger Jahre. Gemeinsam mit ihrem Sohn aus erster Ehe (Jack Gore) und ihrem ungebildeten, prolligen Ex-Alkoholiker-Ehemann Humpty (Jim Belushi) wohnt sie in einer schäbigen Wohnung inmitten des andauernden Lärms des Freizeitparks. Mit einem Mann unglücklich verheiratet, mit dem sie keinerlei Gemeinsamkeiten hat, und mit einem pyromanisch veranlagten Sohn, trauert Ginny ihrer ersten Ehe, die aufgrund ihres Seitensprungs in die Brüche ging, und ihren zerbrochenen Träumen von einer Karriere als Theaterschauspielerin hinterher. Wenn sie den deutlich jüngeren Kriegsveteranen, Rettungsschwimmer und aufstrebenden Bühnenautor Mickey (Justin Timberlake) trifft, stürzt sie sich Hals über Kopf in eine Affäre. Plötzlich schöpft Ginny neuen Lebenswillen und Hoffnung auf ein besseres Leben. Als jedoch Humptys entfremdete Tochter Carolina (Juno Temple) aus erster Ehe plötzlich vor ihrer Tür steht, auf der Flucht vor ihrem Mafioso Ex-Mann, den sie beim FBI angeschwärzt hat, sieht Ginny ihr neu gefundenes Glück in Gefahr. Mickey macht der jüngeren, bildhübschen und etwas naiven Carolina schöne Augen und Humpty schenkt seiner heimgekehrten Tochter seine ganze Aufmerksamkeit. Ihre Bemühungen, Mickeys Zuneigung zu bewahren, treiben Ginny an den Rand des Nervenzusammenbruchs.

Kritik

Wie ein Uhrwerk produziert das inzwischen 82-jährige New Yorker Multitalent Woody Allen jedes Jahr einen neuen Film (und fand sogar nebenbei Zeit für eine Amazon-Miniserie). Wenn man das seit fast 50 Jahren macht und nicht gerade der wandlungsfähigste Filmemacher der Welt ist, ist es nur natürlich, dass die Quote der wirklich sehenswerten Filme mit der Zeit sinkt. Sogar die eingefleischten Allen-Fans stellen sich vor jedem seiner neuen Filme mittlerweile die übliche Frage: "Wird es wieder einer von den guten?". Für jeden Match Point, Vicky Cristina Barcelona und Midnight in Paris gibt es leider auch einen To Rome with Love, Irrational Man, Magic in the Moonlight und Ich sehe den Mann deiner Träume. Während Café Society letztes Jahr an den Höhen von Allens besten Werken der letzten Jahre vorbeischlitterte, dank der tollen Chemie zwischen Jesse Eisenberg und Kristen Stewart aber auch weit von den Tiefen seines schwächsten Outputs entfernt war, fällt Wonder Wheel leider in die letzte Kategorie.

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Wonder Wheel (2017) Filmbild 1Es ist nichts Neues, dass Woody Allen immer wieder ähnliche Themen aufgreift und in einer leicht abgewandelten Form aufarbeitet. Gerade in den letzten 10-15 Jahren arbeitet er immer mehr mit Versatzstücken seiner früheren (häufig besseren) Filme. Dass das Ganze dennoch fabelhaft funktionieren kann, zeigte beispielsweise Vicky Cristina Barcelona. Ungewöhnlich ist bei Wonder Wheel jedoch, dass Allen nur vier Jahre nach Blue Jasmine eine weitere Huldigung an Tennessee Williams’ Endstation Sehnsucht und dessen tragische Heldin Blanche DuBois aufgezogen hat. Winslets Ginny wirkt wie ein Arbeiterklasse-Abziehbild von Cate Blanchetts verzweifelter Ex-Millionärsgattin Jasmine. Die Figur wird in Wonder Wheel lediglich durch den Aspekt ihrer schauspielerischen Vergangenheit erweitert, was Winslet auch einen Touch von Gloria Swanson aus Boulevard der Dämmerung verleiht, einschließlich eines wahnhaften Monologs vor ihrem Spiegelbild.

Eine solche Rolle bietet einer großartigen Schauspielerin wie Winslet natürlich die Bühne für eine ausschweifende, facettenreiche Performance. Die Oscarpreisträgerin tritt groß auf, trägt dick auf, spielt theatralisch und gibt in der Rolle wirklich alles. Vielleicht etwas zu viel, denn während Blanchetts ähnlich überengagierte Performance von einem starken Drehbuch getragen wurde und sich deshalb bei aller Theatralik nicht wie Overacting anfühlte, sondern sich natürlich ins Geschehen fügte, bekommt Winslet hier wenig Unterstützung. Sie scheint gelegentlich gar in einem anderen Film zu sein als der Rest der Besetzung.

Wonder Wheel (2017) Filmbild 2Jim Belushi, der hier kaum wiederzuerkennen ist, zeigt Potenzial als zwischen Liebe und Gleichgültigkeit schwankender Ehemann, wird aber zu wenig eingesetzt. Fehl am Platze wirkt Justin Timberlake, der natürlich als Woody-Allen-Ersatz auftritt. Im Gegensatz zu perfekt gewählten Jesse Eisenberg oder Owen Wilson in ähnlichen Rollen, wirkt Timberlake einfach viel zu souverän für den Part und die pseudophilosophischen Floskeln, die er als Erzähler im Film von sich gibt, sind ebenso wenig glaubwürdig wie die Tatsache, dass er ein angehender Autor sein soll. Nichts gegen Timberlake, der als listiger Sean Parker in The Social Network eine tolle Leistung an den Tag gelegt hat, doch vielleicht umfasst seine Bandbreite (noch) nicht alle Rollen. Doch während sich Timberlake in seinem Schauspiel von Allen unterscheidet, sind die Ähnlichkeiten seiner Figur im Film zu Allens echtem Leben schwer zu übersehen. Schließlich verliebt sich Mickey in die Stieftochter seiner Freundin. Diese ist von Juno Temple gespielt, die zwar äußerst sympathisch wirkt, als Spielball anderer Figuren im Film jedoch wenig selbst beiträgt. Ein kleiner, unerwarteter Bonus für alle "Sopranos"-Fans ist der Auftritt von Tony "Paulie Walnuts" Sirico und Steve "Bobby Bacala" Schirripa als Gangster auf der Suche nach Caroline.

Wonder Wheel (2017) Filmbild 3Wonder Wheel hat nicht viel zu sagen, was man nicht schon in besseren Allen-Filmen – sogar vor nicht zu langer Zeit – gesehen hat. Jede Pointe wirkt wie ein müder Aufguss. Es ist jedoch sogar mit den meisten schwächeren Filmen von Woody Allen so, wie mit den indischen Restaurants in meiner Umgebung. Es gibt zwar den einen oder anderen wirklich herausragenden, doch in den meisten schmecken die meisten Gerichte von der Karte zum Verwechseln ähnlich, egal was man bestellt. Schlecht schmeckt es jedoch nie. An Allens Filmen lässt sich eigentlich auch fast immer etwas Positives finden und neben Winslets wuchtiger Performance ist es bei Wonder Wheel die prächtige Kameraarbeit des italienischen Altmeisters Vittorio Storaro, der schon Apocalypse Now für Francis Ford Coppola, Reds für Warren Beatty und Der letzte Kaiser für Bernardo Bertolucci auf Film bannte (und für jeden der drei einen Oscar gewann). Storaro war auch  bei Café Society für die Kamera zuständig, doch hier ist sie noch viel auffälliger. Er taucht die Szenen abwechselnd in leuchtendes Blau, Rot oder Gelb. Der kitschige Vergnügungspark wird bei ihm zu einer sonnendurchfluteten, goldfarbenen Idylle. Möglicherweise spiegelt das eine nostalgische Erinnerung von Woody Allen an seine Jugend dort wider. Schade, dass er keine bessere Geschichte aus dieser erzählen konnte. Doch natürlich wird der Stadtneurotiker schon bald mit einem neuen Film zurückkehren. Neues Spiel, neues Glück.

Fazit

Weder Kate Winslets überengagierte, theatralische Performance noch Vittorio Storaros wundervolle Kamera, die aus der Hektik von Coney Island der Fünfziger eine farbenprächtige, in Sonnenlicht getauchte Idylle macht, können darüber hinwegtäuschen, dass Wonder Wheel ein weiterer austauschbarer Beitrag aus Woody Allens spätem Œuvre ist.

Trailer

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Kate Winslet gibt alles - vielleicht sogar zu viel - doch weder sie noch Vittorio Storaros leuchtende Farben können Wonder Wheel vor der Mittelmäßigkeit der meisten neueren Woody-Allen-Filme bewahren.Wonder Wheel (2017) Kritik