The Strangers: Prey at Night, USA 2018 • 85 Min • Regie: Johannes Roberts • Mit: Bailee Madison, Lewis Pullman, Martin Henderson, Christina Hendricks • FSK: n. n. b. • Kinostart: 21.06.2018 • Website
Handlung
Eine vierköpfige Familie – Papa Mike (Martin Henderson), Mama Cindy (Christina Hendricks), Vorzeigesohn Luke (Lewis Pulman) und mies gelaunte Tochter Kinsey (Bailee Madison) – ist auf dem Weg zu einem Internat, wo Problemkind Kinsey eingeschult werden soll. Die Reise ist lang und die Familie übernachtet unterwegs in einem Trailerpark, der von ihren Verwandten betrieben wird. Die Stimmung ist alles andere als harmonisch, denn Kinsey hat keine Lust, von ihrer Schule und ihren Freunden wegzuziehen. Die interfamiliären Spannungen werden jedoch zweitrangig, als sie feststellen, dass der augenscheinlich verlassene Trailerpark doch nicht ganz leer ist. Drei vermummte Gestalten schleichen um die Gegend. Was mit einem vermeintlich harmlosen Klopfen an der Tür beginnt, wird für die Eltern und ihre Kinder zu einem Kampf ums nackte Überleben.
Kritik
Es ist überraschend, dass zehn Jahre ins Land ziehen mussten, bis wir einen Nachfolger zum Horrorhit The Strangers bekamen. Rein aus kommerzieller Sicht wäre aus jedem vergleichbar erfolgreichen, kostengünstigen Film längst ein Franchise entstanden. Noch überraschender ist jedoch, dass The Strangers: Opfernacht keine lieblos heruntergekurbelte, uninspirierte Fortsetzung geworden ist, sondern auf eigenen Beinen stehen und mit ihrem hochspannenden Vorgänger mühelos mithalten kann, ohne ihn jedoch zu kopieren. Was lange währte, ist tatsächlich endlich gut geworden!
Bryan Bertinos The Strangers war kein Vorreiter des Home-Invasion-Horrorkinos, doch er war einer der erfolgreichsten Vertreter dieser Welle von Psychohorrorfilmen, in denen anonyme, maskierte Gestalten in die Häuser von unbescholtenen Bürgern eindringen und sie terrorisieren. Filme wie Kidnapped, Cherry Tree Lane, You’re Next und der erste The Purge schlugen allesamt mit mehr oder minder großem Erfolg in die gleiche Kerbe. Der Hype zog schnell vorbei und es dauerte nicht lange, bis die Beiträge aus diesem Subgenre mit immer gleichen Schockeffekten redundant wirkten. Die Macher der Purge-Reihe sahen die Trendwende früh genug und entwickelten sich weg von der Prämisse des ersten Films.
Als später Nachzügler der Welle hatte The Strangers: Opfernacht zunächst einmal keine guten Karten. Zum Glück hat Regisseur Johannes Roberts, der bereits Genrefilme wie The Other Side of the Door und 47 Meters Down inszenierte, die kluge Entscheidung getroffen, seinen Film vom Original stilistisch möglichst abzugrenzen – gänzlich zum Vorteil des Sequels. Hatte der erste Film noch einen recht kühlen Look und zog seine Spannung aus der minimalistischen Inszenierung, dominiert Roberts' auffälliger Stil die Fortsetzung. Wie schon It Follows oder The Guest vor ihm, setzt Roberts mit Opfernacht auf den Trend der Hommage an die Genrefilme der Achtziger und insbesondere an den Altmeister John Carpenter. Der Film wirkt dadurch ein klein wenig unwirklich und wie aus der Zeit gefallen. Zehn Jahre nach The Strangers hatte Teil 2 keine Chance, dessen Überraschungseffekt zu wiederholen. Und obwohl es dem Sequel an Spannung nicht mangelt, erreicht er nur selten die unerbitterliche Intensität des Vorgängers.
Dafür ist der Film ein echter Schmaus für die Augen und Ohren von Genrefans. Bereits in den ersten Minuten, wenn die drei maskierten Killer mit ihrem alten Pick-up vor ein Haus vorfahren, während Kim Wildes Achtziger-Hit "Kids in America" laut plärrt, legt Roberts den Ton für den Film fest. Die Retro-Musik und der fetzige Soundtrack bestimmen auch die Atmosphäre im Rest des Films. Johannes Roberts und sein Kameramann Ryan Samul ziehen alle Register: Zooms aus weiter Entfernung, lange ruhige Kamerafahrten mit Verzicht auf nervige schnelle Schnitte und gelungenes Spiel mit Licht und Schatten. Das Zusammenspiel von eindrucksvollen Aufnahmen und perfekt gewählter Musik erreicht in einer fantastischen, blutigen Sequenz in einem Swimmingpool ihren Höhepunkt. Dazu sei nur so viel gesagt: noch nie wurde Bonnie Tylers "Total Eclipse of the Heart" in einem Film so gut eingesetzt wie hier.
Mit knapp 80 Minuten Laufzeit ohne Abspann ist The Strangers: Opfernacht eine kurze und knackige Angelegenheit. Statt auf Psychospielchen zu setzen wie der erste Film, in dem die Eindringlinge erst in den letzten Minuten ihre Morde begingen, machen die Strangers im Sequel ihre Intentionen bereits im Prolog deutlich. Danach ist etwas Geduld angesagt, denn der Film lässt dem Zuschauer Zeit, die späteren Opfer halbwegs gut kennenzulernen (so gut es eben in etwa einer halben Stunde geht) und die Familiendynamik zu etablieren, bevor die Hölle losbricht. Wenn es aber endlich so weit ist, folgt im dritten Akt ein extrem temporeicher, wilder Ritt, bei dem der rote Lebenssaft reichlich fließt und der bis zum Schluss nicht nachlässt. Das ist Terrorkino par excellence!
Bryan Bertino kehrte zwar nicht mehr hinter der Kamera zurück, jedoch als einer der beiden Autoren des Films, und sorgte dafür, dass es hier und da kleine Referenzen an den Originalfilm gibt. "Ist Tamara zu Hause?" ist eine Frage, die der wissende Zuschauer mit gewisser Vorahnung vernehmen wird. Jedoch ist The Strangers: Opfernacht komplett eigenständig und weist, bis auf die drei Killer in Puppenmasken bzw. Jutesack (hinter welchen sich neue Darsteller verbergen), keine direkte Verbindung zum Vorgänger auf. Eine gute Entscheidung war es auch, die Handlung weitgehend ins Offene zu verlagern. Dadurch wirkt der Film weniger wie ein üblicher Home-Invasion-Streifen und mehr wie ein sehr klassischer Slasher.
Leider kommt er auch nicht die üblichen Mankos dieser Filme aus, allen voran Charaktere, die stellenweise entgegen jeder menschlichen Vernunft handeln. Die Familienmitglieder bleiben jedoch trotz einiger fragwürdiger Entscheidungen durchweg sympathisch und man fiebert mit ihnen mit, insbesondere wenn sie anfangen, sich gegen ihre Angreifer zur Wehr zu setzen. Dadurch ist die Stimmung des Films zwar weiterhin sehr düster, jedoch nicht die ganze Zeit von Aussichtslosigkeit und Hoffnungslosigkeit geprägt wie beim ersten Film – und bereitet auf Kosten von etwas Spannung einfach mehr Spaß. Sowohl handwerklich als auch spannungstechnisch ist The Strangers: Opfernacht der bisherige Höhepunkt von Roberts' Regiekarriere.
Fazit
Die lange Wartezeit hat sich gelohnt! Das ausgelutschte Home-Invasion-Subgenre wird hier zwar nicht neu erfunden, doch Regisseur Johannes Roberts setzt in The Strangers: Opfernacht eigene Akzente. Der Film ist schnörkelloses Terrorkino und eine stilsichere Verbeugung vor den Achtziger-Horrorfilmen der Marke John Carpenter, die das Herz des Genrefans höher schlagen lassen sollte.