Links: Emily Blunt in Mary Poppins' Rückkehr © 2018 Walt Disney Pictures
Rechts: Tomasz Kot und Joanna Kulig in Cold War – Der Breitengrad der Liebe © 2018 Amazon Studios
Nachdem wir nun einen Tag hatten, um den Schock über einige der Oscarnominierungen (hier alle zum Nachlesen) sich setzen zu lassen, ist es Zeit, ein Fazit zu ziehen. Zu diesem Zweck werfe ich einen ausführlichen Blick darauf, wer von den Nominierungen der Academy besonders profitiert hat, und welche Filme und Performances leider außen vor gelassen wurden.
Insgesamt lässt sich sagen, dass die zum Teil sehr überraschenden und vielfältigen Nominierungen sehr wahrscheinlich unmittelbar auf die enorme Ausweitung der Mitgliederzahl der Academy of Motion Picture Arts and Sciences zurückzuführen ist. Anfang 2017 zählte die Academy noch knapp 6700 Mitglieder. Im Laufe der letzten zwei Jahre und im Zuge heftiger Kritik an der überwiegend anglophonen, weißen, älteren und männlichen Zusammensetzung der Wähler, lud die Academy mehr als 2000 neue Mitglieder in die eigenen Reihen ein. Viele von ihnen stammten aus Europa und Asien. Zum jetzigen Zeitpunkt zählt die Academy über 9000 Mitglieder, sodass es Sinn ergibt, dass bisherige Muster wenig Geltung haben. Eine neue Ära für die Academy ist angebrochen.
Gewinner
Roma – Es hat sich bereits seit geraumer Zeit abgezeichnet, dass Roma einer der großen Favoriten im diesjährigen Oscar-Rennen sein würde. In Kritikerkreisen ist Alfonso Cuaróns Film eindeutig der beliebteste Film des letzten Jahres. Doch man darf auch nicht vergessen, wie viel augenscheinlich gegen ihn sprach: Es ist ein schwarzweißer, spanischsprachiger Film aus Mexiko mit weitgehend unbekannten Darstellern, der von Netflix vertrieben wird. In der Regel wäre jede große Nominierung für einen solchen Film abgesehen von "Bester fremdsprachiger Film" eine tolle Leistung. Dass Roma jedoch gleich zehn Nominierungen erhalten und zusammen mit The Favourite die Nominierungsliste anführen würde, hat wohl kaum jemand erwartet. Sehr überraschend sind die Nominierungen für seine beiden Darstellerinnen Yalitza Aparicio und Marina de Tavira, die zuvor kaum eine Rolle im Oscar-Rennen gespielt haben. Auch die beiden Ton-Nominierungen, mit denen sich Roma gegen zahlreiche Blockbuster durchgesetzt hat, waren nicht selbstverständlich. Nur ein einziger nicht-englischsprachiger Film hat zuvor genau so viele Oscarnominierungen erhalten – Ang Lees Tiger and Dragon. Der Film gewann 2001 vier Oscars. Roma hat die Chance auf mehr und gilt nach seinem überraschenden Abschneiden bei den Nominierungen als größter Favorit im Oscar-Rennen. Sein einziges Handicap: Der Film verpasste eine Nominierung für seinen Schnitt und seit 1981 kam es lediglich nur einmal vor, dass ein Film ohne eine Schnitt-Nominierung den "Bester Film"-Oscar gewann (Birdman). Doch es ist auch ein ungewöhnliches Jahr.
Vice – Der zweite Mann – Mit nur 64% positiver Rezensionen auf RottenTomatoes ist Adam McKays Vice einer der polarisierendsten Filme im diesjährigen Rennen, doch die Academy ist der Satire offenbar verfallen. Es war abzusehen, dass er um den großen Preis konkurrieren würde, nicht jedoch, dass er gleich in acht Kategorien nominiert werden würde. Neben BlacKkKlansman und The Favourite ist Vice der einzige "Bester Film"-Kandidat, der sowohl für seine Regie als auch sein Drehbuch und seinen Schnitt nominiert wurde. Darüber hinaus ergatterte er gleich drei Nominierungen für seine Darsteller, darunter für Sam Rockwell, der bereits letztes Jahr für Three Billboards Outside Ebbing, Missouri gewonnen hat.
Streaming-Portale – Nach mehreren Jahren größtenteils erfolgloser Bemühungen hat Netflix es endlich ins große Spiel geschafft. Insgesamt 15 Nominierungen ergatterte der Streaming-Dienst für seine Filme, darunter die begehrte Nominierung für "Besten Film", die Roma erhielt. Außerdem überraschte auch The Ballad of Buster Scruggs mit drei Nominierungen, obwohl ihn zuvor eigentlich kaum jemand noch auf dem Radar hatte. Man sollte die Coen-Brüder wohl nie unterschätzen. Zwei weitere Nominierungen gingen dank Kurzdokus auf Netflix' Konto. Letztes Jahr gewann Netflix dank der Dokumentation Icarus seinen ersten Oscar. Dieses Jahr werden einige mehr hinzukommen.
Doch Netflix war nicht der einzige Nutznießer der Akzeptanz von Streaming-Diensten. Amazon zählte mit Cold War – Der Breitengrad der Liebe drei Oscarnominierungen und sogar Hulu ist diesmal mit der Doku Minding the Gap dabei.
Walt Disney Pictures – Insgesamt 17 Nominierungen zählte Disney gestern – mehr als jedes andere Studio. Die meisten von ihnen sammelte das Haus von Mickey Mouse in technischen und Animationskategorien ein. Doch der größte Triumph des Studios ist die "Bester Film"-Nominierung für Black Panther. Die Marvel-Adaption schrieb Geschichte, indem sie zur allerersten Comicverfilmung wurde, die in der Königsklasse nominiert wurde. Da der Film keine Nominierungen für seine Regie, sein Drehbuch, seine Darsteller oder seinen Schnitt erhalten hat, hat er so gut wie keine Chancen auf den Sieg in der Kategorie, doch allein schon die Nominierung ist ein Sieg für diesen Film und für das Genre. Eine etwas überraschende Nominierung gelang Disney in der Effekte-Kategorie, in der Black Panther zwar überraschend nicht aufgetaucht ist, dafür aber Christopher Robin.
Fremdsprachige Filme und Regisseure – Daran zeigte sich der Einfluss der neuen Wähler vielleicht am deutlichsten. Drei der fünf Nominees in der "Beste Regie"-Kategorie kommen nicht aus den USA: Yorgos Lanthimos (Griechenland), Alfonso Cuarón (Mexiko) und Pawel Pawlikowski (Polen). Gerade die (hochverdiente!) Nennung des letzteren anstelle der erwarteten Nominierung für Bradley Cooper (A Star Is Born) oder Peter Farrelly (Green Book) ist eine Riesenüberraschung. Genau so überraschend, wenn auch in einer "kleineren" Kategorie, ist die Nominierung des deutschen Epos Werk ohne Autor für seine Kamera, womit wirklich niemand im Vorfeld gerechnet hat.
Paul Schrader – Kaum zu glauben, aber der Drehbuchautor von Martin-Scorsese-Klassikern wie Taxi Driver und Wie ein wilder Stier hat dieses Jahr mit First Reformed seine allererste Oscarnominierung erhalten. Die Kritikerpreise hat Schraders Drehbuch bereits dominiert, doch dass dies keine Bedeutung hat, wenn es um die Oscars geht, zeigt die Tatsache, dass Ethan Hawke trotz unzähliger Kritikerpreise für First Reformed bei den Oscars unbeachtet geblieben ist.
Auf der 2. Seite geht es mit den diesjährigen Verlierern, Überraschungen und Fun Facts weiter.
Das ist nicht ganz richtig. SCHINDLERS LISTE, der bis auf wenige rote Farbtupfer komplett in schwarz-weiß gedreht wurde, bekam 1995 einen Oscar für die beste Bildgestaltung.
Das ist mir bewusst. Der Text widerspricht dem auch nirgendwo. Da musst du was falsch gelesen haben.
Auf Seite 2 steht doch:
"dass MEHR ALS EIN schwarzweißer Film". Lies: ZWEI.
Weiterhin finde ich sehr überraschend, dass Adam Driver in BLACKKKLANSMEN nur als bester Nebendarsteller norminiert ist. Das ist ganz klar die zweite Hauptrolle.
Ebenfalls überraschend ist die Nominierung von WERK OHNE AUTOR. Der Film ist phasenweise wirklich schlecht und auch nicht besonders gut photografiert.
Diese Haupt- und Nebenrollenunterscheidung war bei den Oscars aber noch nie sehr deutlich. Jamie Foxx hatte die klare Hauptrolle in "Collateral", Jennifer Connelly in "A Beautiful Mind" und sowohl Rachel Weisz als auch Emma Stone spielen in "The Favourite" eher Haupt- als Neberollen. Dennoch wurden alle in Nebenrollen nominiert.
Oder Samuel L. Jacksen: Seine Rolle in PULP FICTION war ganz klar eine Hauptrolle in der Koffer-Episode und er wurde als Nebendarsteller nominiert.
Aber eigentlich hatte "Pulp Fiction", wenn man ehrlich ist, gar keine Hauptrollen.