Child’s Play (2019) Kritik

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Child’s Play, USA/CA/FR 2019 • 90 Min • Regie: Lars Klevberg • Mit: Aubrey Plaza, Gabriel Bateman, Mark Hamill, Brian Tyree Henry, David Lewis • FSK: ab 16 Jahren • Kinostart: 18.07.2019 • Website

Handlung

Die revolutionäre Hightech-Puppe Buddi des internationalen Technologie-Konzerns Kaslan ist der letzte Schrei für Kinder und Gadget-Fans. Der Zusammenbau der Puppe und die Programmierung ihres Prozessors erfolgt natürlich in Vietnam, wo unterbezahlte Arbeiter in einer heruntergekommenen Fabrik rund um die Uhr schuften müssen. Nachdem ein unzufriedener Mitarbeiter von seinem Vorgesetzten heruntergemacht wurde, schaltet er aus Trotz alle Sicherheitsprotokolle und Hemmmechanismen einer der Roboterpuppen aus, bevor er Selbstmord begeht. Die manipulierte Puppe wird derweil in die USA verschifft und landet über Umwege im Haushalt der jungen, alleinerziehenden Mutter Karen (Aubrey Plaza) und ihres 13-jährigen Sohns Andy (Gabriel Bateman). Die beiden sind für einen Neuanfang nach Chicago gezogen, doch der hörbehinderte Andy hat Schwierigkeiten, sich anzupassen und Freunde zu finden. Von seinem fehlerhaften Buddi, der sich selbst Chucky tauft, ist er anfangs wenig begeistert, bis er feststellt, dass die Puppe keinerlei Filter hat und ihm aufs Wort gehorcht. Dank Chucky werden auch andere Kids aus dem Wohnkomplex auf Andy aufmerksam und freunden sich mit ihm an. Anfangs setzen sie Chucky für harmlose Streiche ein, doch das Verhalten der selbstlernenden Puppe wird immer bedrohlicher. Sie wird nichts zwischen sich und ihrem besten Freund Andy kommen lassen. Dann geschieht der erste Mord und während niemand Andy glaubt, ist der Junge davon überzeugt, dass Chucky verantwortlich ist.

Kritik

Vor 31 Jahren, als Freddy, Jason, Michael und Leatherface bereits längst als Ikonen des Horrorgenres etabliert waren, haben Drehbuchautor Don Mancini und Regisseur Tom Holland mit der Mörderpuppe Chucky einen ungewöhnlichen Neuzugang erschaffen. Die durch einen Voodoo-Zauberspruch von der Seele eines Serienkillers besessene Puppe machte mit den späteren Sequels eine ähnliche Wandlung durch wie auch Freddy Krueger. An beide erinnern sich viele Horrorfans vor allem als augenzwinkernde Sprücheklopfer mit einer Vorliebe für ausgefallene Morde, doch in beiden Fällen wird vergessen, dass die Anfänge deutlich ernster und mehr auf Grusel und Atmosphäre bedacht waren als auf böse Comedy. Gerade der erste Chucky-Film zog seine absurde Prämisse einer besessenen Puppe, die einen Sechsjährigen terrorisiert, mit ernster Miene durch, und hat trotzdem oder vielleicht eben deswegen funktioniert.

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Immer wieder wurde Chucky in seinen Filmen getötet und wiedergeboren. Auch kreativ erlebte die Reihe unter Originalschöpfer Don Mancini mehrere Wiedergeburten. Vom gradlinigen Horror über bitterböse schwarze Komödie und Hollywood-Satire hin zurück zu ernsten und düsteren Wurzeln und einem Touch Surrealismus mit dem ambitionierten, polarisierenden Cult of Chucky. Nachdem die letzten zwei Filme nur noch direkt im Heimkino erschienen sind, erlebt Chucky seine neuste Reinkarnation im Kino – diesmal jedoch ohne Mancini, mit neuem Look, einer neuen Stimme und einer ganz neuen Entstehungsgeschichte. Chucky ist im Remake-Land angekommen!

Childs Play (2019) Filmbild 1Irgendwann ereilt es jedes Horror-Franchise. Jede der vier eingangs erwähnten Horrorikonen hat es schon durchgemacht. Als die Neuverfilmung letztes Jahr angekündigt wurde, war ich, wie auch viele andere Chucky-Anhänger, recht skeptisch. Einerseits weil die Figur so untrennbar mit Brad Dourifs Stimme verbunden ist, andererseits weil Don Mancinis Hauptreihe gar nicht beendet ist und demnächst mit einer TV-Serie fortgeführt wird. MGM, das Studio hinter dem Remake, besitzt nämlich ausschließlich die Rechte an dem ersten Film, während Universal alle weiteren Franchise-Rechte gehören. Daher wirkte dieses Remake von Anfang an wie ein schwarzes Schaf und der Plot um eine gehackte Roboterpuppe klang bemüht modern und weit entfernt von dem, was Chucky ursprünglich ausgemacht hat.

Lässt man die Vorurteile jedoch beiseite, ist Child’s Play ein gelungener, kleiner, böser und sehr blutiger Horrorspaß. Neben gleichen Charakternamen, einigen subtilen Referenzen und der Grundidee einer tödlichen Puppe mit rotem Haarschopf, hat das Drehbuch von Tyler Burton Smith sehr wenig mit Mancinis Vorlage gemeinsam. Am besten kann man sich auf den Film einlassen, wenn man ihn gar nicht erst als Remake betrachtet. Insofern profitiert der Film vielleicht gerade in Deutschland davon, dass der Originaltitel beibehalten wurde, unter dem Chucky hierzulande nie bekannt war.

Childs Play (2019) Filmbild 2Der Plot der Neuverfilmung ist marginal weniger absurd als im Originalfilm. Der Ansatz, auf die Gefahren der modernen Vernetzung hinzuweisen, ist hochaktuell. Allerdings stellt sich bereits in den ersten Minuten des Films, der mit einem Werbespot von Kaslan zu Buddi beginnt, die Frage, warum eine Firma eine unansehnliche Puppe wie diese mit einer Art Super-Alexa ausstatten würde. Kinder brauchen nicht all die Zusatzfunktionen einer solchen Puppe; Erwachsene würden wiederum etwas Dezenteres vorziehen. Der Clue beim alten Chucky war, dass das Puppendesign an sich niedlich war und die Figur erst durch die Besessenheit und Dourifs Stimme bösartig wirkte. Der neue Chucky ist auf Anhieb ultracreepy, was Andy auch sehr schnell anmerkt. Diese Selbsterkenntnis zieht sich durch den Film hindurch, erklärt aber immer noch nicht, wie eine Puppe wie Chucky der heißeste Scheiß werden konnte.

Die Anthologie-Serie "Black Mirror" warnt uns seit Jahren schon vor den Tücken hochmoderner Technologien und künstlicher Intelligenz, und Child’s Play spielt sich wie eine simple, dafür aber besonders brutale Episode der Serie ab. Doch "Black Mirror" war nicht die einzige Inspiration der Macher, die augenscheinlich auch von "Stranger Things" angetan waren. Entstanden ist dabei ein Hybrid, in dem postmoderne Technik-Paranoia mit einem spürbaren Achtziger-Vibe kontrastiert wird. Die Mischung ist interessant und entfernt das Remake erfolgreich von der Vorlage, während sie ihr trotzdem Respekt zollt. Die "Stranger Things"-Inspiration geht jedoch noch weiter. Auch hier haben wir eine Gruppe von mutigen Kindern, die sich der Unwesen treibenden Puppe stellen. Leider wirkt die Freundschaft der Kids hier unausgereift und ihr Zusammenhalt kommt zu kurz und zu spät im Film.

Childs Play (2019) Filmbild 5Tonal kehrt Child’s Play weder ganz zum Horror des Originals zurück noch wird er jemals so albern wie Chucky und seine Braut. Vielmehr wandelt er recht erfolgreich auf dem schmalen Grat zwischen Horror und extrem makabrer Komödie. Letztere geht weniger direkt auf Chucky zurück, sondern ist situationell bedient, wenn der defekte Chucky Anweisungen missversteht, sehr wörtlich nimmt, oder seine Opfer sehr brutal und kreativ tötet.  Der Film bezieht schwarzen Humor aus seinen brutalen Momenten. Insbesondere eine Todesszene und ihre Nachwirkungen (Stichwort: Wassermelone!) dürften Fans von bitterbösem, blutigem Horror ein Grinsen in die Gesichter zaubern. Die Genre-Inspiration des Regisseurs, Tobe Hoopers Texas Chainsaw Massacre 2, der den Psychohorror seines Vorgängers durch schwarzen Humor und explizite Over-the-Top-Gewalt ersetzte, wird in einer Szene buchstäblich vorgeführt. Diese könnte man auch als schlauen, subtilen Hinweis des Machers interpretieren, dass Kinder, auch wenn sie diese für sie eigentlich nicht geeigneten Filme im jungen Alter sehen, dennoch nicht gleich verstört sind und Fiktion von der Realität unterscheiden können. Das kann Chucky aufgrund seiner rigiden Lernprozesse eben nicht und so beginnt sein Wandel zum Psychopathen.

Childs Play (2019) Filmbild 3Als Chuckys neue Originalstimme hat es Mark Hamill nicht leicht, in Brad Dourifs Fußstapfen zu treten. Dass seine zweifellos tolle Arbeit nicht ganz so einprägsam wirkt wie Dourifs hat mehrere Gründe. Zum einen wirkt sich die Bekanntheit von Hamills Stimme als die des Jokers aus der "Batman"-Zeichentrickserie und den "Arkham"-Videospielen zum Nachteil aus. Sobald Chucky endgültig die Sicherungen durchbrennen, klingt er zu sehr nach einer etwas zurückhaltenden Version von Batmans Widersacher. Zum anderen ist Hamill schon durch das Konzept einer Roboterpuppe limitiert. Im alten Chucky steckte immer ein Mensch mit seiner bisherigen Persönlichkeit, und das erlaubte Dourif, die Rolle vergnügt böswillig auszukosten und jede Szene an sich zu reißen. Die Persönlichkeit des neuen Chucky entwickelt sich erst im Laufe des Films. Das ermöglicht Hamill immerhin, die Rolle anders anzulegen und Chucky trotz aller Gewaltakte kindlich naiv wirken zu lassen. Der Hauptunterschied zwischen der alten und der neuen Version ist nämlich, dass dieser Chucky nicht inhärent böse ist. Er möchte wirklich Andys bester Freund sein und ihm Gutes tun. Leider fehlen ihm dazu jegliche Empathie und ein Gewissen. Man könnte den Film also als finsteres Spiegelbild von Toy Story sehen (in dem Woodys und Buzz' Besitzer übrigens auch Andy heißt). Wenn sich Andy und seine Freunde gegen Chucky wenden, hört man die Verletztheit in seiner Stimme und verspürt sogar einen kleinen Hauch Sympathie für das unheimliche Ding. Das ist Hamill zu verdanken, weshalb es sich unbedingt empfiehlt, sich die Originalfassung anzuschauen. Natürlich darf auch ein Star-Wars-Gag im Film nicht fehlen, der umso besser funktioniert, wenn man weiß, wer Chucky die Stimme leiht. Es ist auch nicht Hamills Schuld, dass der neue Chucky so unglaublich hässlich aussieht.

Childs Play (2019) Filmbild 4Gabriel Bateman, der bereits in Lights Out Horrorerfahrungen gesammelt hat, macht seine Sache als Andy gut, auch wenn seine Schwerhörigkeit im Film (im Gegensatz zu beispielsweise A Quiet Place) keine nennenswerte Rolle als Charaktermerkmal spielt. Sarkasmus-Königin Aubrey Plaza ist als seine überforderte Mutter leider unterfordert und zu sehr ein Klischee (einschließlich eines unsympathischen neuen Freundes), lässt jedoch gelegentlich ihren trockenen Humor durchblicken, wenn das Drehbuch es (zu selten!) zulässt. Brian Tyree Henry verleiht dem Film als sympathischer Polizist etwas Herz. Alle anderen Figuren bleiben leider Stereotype, wie der schmierige, voyeuristische Hausmeister oder der Arschloch-Freund der Mutter.

Child’s Play lässt sich mit Chuckys Wandel von einer defekten, aber es gut meinenden Puppe zu einem Amok laufenden Killerroboter viel Zeit, aber die Geduld wird in der zweiten Filmhälfte mit einem echten Blutbad belohnt. Gruselig ist der Film nicht, aber er nimmt sich gerade noch ernst genug, dass man als Zuschauer mit den Hauptfiguren mitfiebert, und zugleich auch feiert, wenn sich Chucky mit allen technologischen und analogen Mitteln durch Menschenmassen meuchelt. Die Satireanflüge des Films beschränken sich auf Kaslans Omnipräsenz (Amazon lässt grüßen) und den Konsumentenwahn (Buddi 2 steht bereits in Regalen!), er lässt jedoch viel Potenzial in dieser Hinsicht unausgeschöpft. Es ist ein Film mit guten Intentionen, wenig Ambitionen und einem Fokus auf das Wesentliche: blutige, augenzwinkernde Unterhaltung. Nach seinem grässlichen und lächerlich blutleeren Regiedebüt Polaroid rehabilitiert sich Lars Klevberg dank Child’s Play nahezu als Horror-Filmemacher.

Fazit

Bei Lars Klevbergs überraschend unterhaltsamem und sehr makabrem Hightech-Horror Child’s Play treffen "Black Mirror" und "Stranger Things" aufeinander, während sich der Film von seiner Vorlage weit genug entfernt, um auf eigenen Beinen zu stehen. Vergleiche sind aber insbesondere bei Chuckys Originalstimme unausweichlich und Mark Hamill zieht trotz großer Hingabe gegenüber Brad Dourif knapp den Kürzeren.

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