„Was ist die Frage?“, will Pierre (Mathieu Almaric) irgendwann wissen. Ja, was ist eigentlich die Frage? Worum geht es? Was soll das Ganze? Kommt da noch was, vielleicht der Ansatz einer Handlung, interessante Dialoge, ein halbwegs komischer Witz? Das Wort richtet der alternde Spießer Pierre an seine nörgelnde Dauerpartnerin Pomme (Emmanuelle Devos), aber es wirkt eher, als würde er es ratlos in den Raum richten: an die restliche Filmcrew am Set, das zwischen farbloser Mittelklassewohnung und Waldwegen wechselt, das Publikum, das mehr Durchhaltevermögen braucht als Pomme auf ihrer ausgedehnten Wandertour, um die triviale Beziehungskiste bis zum tumben Ende durchzusitzen, und an Regisseurin und Drehbuchautorin Sophie Fillières.
Sie erinnert nur auf erschöpfende Weise daran, dass die, die pauschal sagen, sie „mögen französische Komödien“, die sinn- und witzlosen Untiefen der Kategorie nicht kennen. Humorfreie, reaktionäre Ergüsse wie der Fillières lassen es mir als Wunder erscheinen, dass allein die Werbezeile „französische Komödie“ auf deutschen Filmplakaten quasi als Qualitätssiegel wahrgenommen wird. Das ist so als ob jemand in den USA den neuen Til-Schweiger-Film mit der Tagline „The Comedy Hit from Germany!“ schaut und sich denkt „Classy, that’s real arthouse.“ Arthouse ist das Gegenteil von Fillières' Panorama-Beitrag „Arrête ou je continue“, so der Originaltitel von If You don’t, I will. Diese Aussage mache ich an der Zahl der Kollegen fest, die während der Pressevorführung das Weite suchten. Ich kann bekunden, nicht darunter gewesen zu sein, aber der Vergleich ist nicht ganz fair, denn ich habe vorher geübt. Ganz früher, beim Wandern. Wanderwege sind bei Fillières der Nährboden existentieller Konflikte: Wer darf den Rucksack tragen? Wo wird gepicknickt? Andere Wanderer meiden oder ihnen hilfsbereit die Küchenrolle geben? Für Pierre und Pomme werden derlei Animositäten zur Zerreißprobe. Packend! Schließlich hat Pomme genug und stampft los, in irgendeine Richtung, bloß weg. Identifikationsmoment! Genau das habe ich früher bei Wanderstreitereien gemacht! Allerdings war ich da fünf. Die Hauptfigur ist schätzungsweise zehnmal so alt, aber geistig auf Kindergartenniveau Dort dümpelt auch die fade Paarkomödie, die etwa so spannend ausfällt wie meine kindlichen Familienwandertouren. Ist das eine Empfehlung? Nein.
0,5/5 Sterne
Verwackelte Handkameraaufnahmen, Texttafeln in betont amtlicher Schreibmaschinen-Typographie und in Panik gekeuchte Worte in mieser Tonqualität: „Bitte, bitte, wir haben Angst! Irgendwas ist da draußen!“ Allerdings, und dieses etwas ist Axel Steins Regiedebüt. Grund zur Panik! Wer jetzt nicht wie die junge Doreen (Sonja Gerhardt), deren Anruf bei der Polizei den Vorspann des Found-Footage-Streifens untermalt, vor dem Hyperventilieren steht, kennt wahrscheinlich keines der bisherigen Filmprojekte Steins. Bei dessen Omnipräsenz im hiesigen Kino, besonders in deutschen Komödien, haben wohl wenige dieses Glück.
Der einleitende Telefondialog soll total authentisch sein, authentisch wie: „Hey, wir sind glatt im falschen Saal gelandet. Das ist ja eine Doku!“ Dass Tape_13 dafür zu nachlässig und nicht selten lächerlich gestelzt ausgeführt ist, kann ich nicht sicher sagen, da ich bisher nie den Polizeinotruf gewählt habe. Aber ich spiele mit dem Gedanken, dass nachzuholen. Nur so, um rauszufinden, ob Polizisten am Telefon tatsächlich sprechen als würden sie vom Blatt ablesen. Womöglich ist die gestelzte Vortragsweise auch ein Stilmittel des Regisseurs, der seine vorgebliche Horror-Hommage an „Blair Witch Project“ fast durchgehend in Englisch drehte. Tape_13 betont, der erste Found-Footage-Horrorfilm aus Deutschland zu sein, hat aber einen Originaltitel, der wie eine Mischung aus „Session 9“ und „The Tape“ klingt, und Hauptfiguren, die aus den skandinavischen Ländern kommen, aber wie aus Webster’s Dictionary sprechen; mit gelegentlichen Einschüben aus dem Urban Dictionary. Diesen Umstand, der nicht gerade zum Realismus des Plots beiträgt, rechtfertigt Stein mit einem erzählerischen Coup: „By the way, Your english is better than I thought.“, sagt einer der vier Jugendlichen, in deren Hütte Gero (Lars Steinhöfel) und Ann (Nadiene Petry) nach einer Autopanne landen. Am Lagerfeuer erzählt der aufgedrehte Vince (Pit Bukowski) die blutrünstige Historie des Häuschens und Franzi (Cristina do Rego) erwähnt, dass hier ihr Bruder starb. Und dann wecken alle außer Good-Girl Ann fröhlich mittels Ouija-Brett das Böse, das laut Vince unabdingbar für das kosmische Gleichgewicht ist. „Without evil there is no good. As there are places of good, there are places of pure evil. And this is one of them.“ Aha, so habe ich heute im Kino wieder etwas gelernt. Filme wie die Axel Steins – ob als Schauspieler, Regisseur oder Kabelträger – müssen sein. Denn: Ohne schlechte Filme gibt es keine guten. So wie es gute Filme gibt, gibt es Filme von purer Schlechtigkeit. Und das ist einer von ihnen.
0,5/5 Sterne
Es gibt diese Arbeitstage, an denen das Pech hinter jeder Ecke lauert. Dialoglastige bourgeoise Beziehungskomödie aus Frankreich – enttäuschend. Okay, das Kontrastprogramm ausprobieren. Reißerischer trashiger Horror-Streifen aus Deutschland – noch schlimmer. Dann bleibt nur eines: alles so gut es geht unter Kontrolle halten, die Situation und sich selbst. Diese Strategie verfolgt der verschlossene Hauptcharakter von Till Kleinerts psychologischem Thriller, der bei Perspektive Deutsches Kino trotz durchschaubarer Taktik wie ein autarker Gegenentwurf zum hohlen Schematismus von Axel Steins Amateur-Horror wirkt.
Der Titel Der Samurai, der über der Szenerie eines von Intoleranz und unterdrückter Aggressivität beherrschten Dorfes nahe der polnischen Grenze steht, ist ein erster Verweis auf Jakobs Rolle des exotischen Einzelgängers. Ein weiterer ist der Wolf, der durch die akkuraten Vorgärten streift. In den Augen der Anwohner ist das Tier zum Abschuss freigegeben; nicht, weil von ihm eine reelle Gefahr ausginge, sondern weil es das Ordnungsverständnis des prüden Kleinbürgermilieus angreift. Dabei ist der Wolf der ursprüngliche Bewohner der Wälder, deren Schönheit die vulgären Dörfler mit ihren Einfamilienhäuschen und Jagdtrophäen verletzen. Die Tötung des Tieres, die Jakob im Rahmen seines Polizeidienstes obliegt, wird vor diesem Hintergrund zum symbolischen Affront gegen die Natur. Sie ist im von Verbohrtheit, Senilität und Brutalität geprägten Umfeld des Protagonisten praktisch ausgerottet. Doch in Jakob, den sein Nachname Wolski semantisch mit dem Raubtier verbindet, regt sich noch ein Rest Widerstand gegen die Stupidität um ihn. Er fütterte den Wolf in den Wäldern und füttert sinnbildlich das Animalische – das Ungebrochene – in seiner Seele. Hinter seiner zurückhaltenden Fassade schwelt die Wut auf ein primitives Normverständnis. Obwohl es ihn insgeheim anwidert, ist es ihm aufgezwungen durch die äußeren Lebensumstände. Sie sind unabänderlich, glaubt der Außenseiter, bis er tief im Wald, dem grimmschen Reich des Unterbewusstseins, sein undomestiziertes Alter Ego trifft. Dem zugleich anziehend und erschreckend wirkenden Es legt Jacob selbst die archaische Waffe in die Hand, die Gartenzwerge, Zierblumen und Nachbars Haushund Raffi köpft. Und ein paar Dorfprolls, um die es einem am wenigsten Leid tut. Der „einsame Wolf“, wie eine Durchreisende Jakob nennt, verteidigt sein Revier – ohne zu erkennen, dass er den Kampf gegen sich selbst nur verlieren kann.
1,5/5 Sterne
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