
Broadchurch ist eine kleine und ländliche Küstenstadt, in der bisher nie viel passiert ist, was die Aufmerksamkeit der Medien groß auf sich gezogen hätte. Jeder lebt seinen Alltag, geht zur Arbeit oder kümmert sich um seine Familie, und man grüßt einander natürlich freundlich, wenn man sich sieht und mal schnell ein Wort über das Wetter verliert. Das alles ändert sich schlagartig, als die Leiche des 11-jährigen Danny Latimer am Strand gefunden wird und sich nach kurzer Zeit herausstellt, was hier auf den ersten Blick wie der Selbstmord eines verzweifelten Kindes aussah, war eindeutig Mord. Detective Ellie Miller (Olivia Colman) kommt gerade aus dem Urlaub, als der neue Fall bei der Polizei eintrifft, und ärgert sich darüber, dass sie nicht wie versprochen ihre Beförderung zum Inspektor bekommt, sondern ein komplett Neuer, nämlich Detective Alec Hardy (David Tennant), diese Stelle einnimmt, und somit natürlich auch den Fall zugewiesen bekommt. Schnell spricht sich die Nachricht um den Tod des Jungen herum und die Polizei hat nicht nur mit der Suche nach dem Täter zu kämpfen, sondern auch mit der Presse und den Geheimnissen der Einwohner, denn Broadchurch ist nicht so unschuldig, wie es scheint…
Gleich in der ersten Folge von "Broadchurch" wird man in das tolle Setting hineingeworfen, den schönen kleinen Küstenort und seine faszinierende und doch bedrohliche Steilküste. Dem Zuschauer werden schnell die Personen vorgeführt, die ihn über die nächsten acht Folgen begleiten sollen und dann auch ins Visier der Ermittlungen und somit auch des Verdachts des Zuschauers geraten. Immer weiter verstrickt sich ein interessanter und vielschichtiger Kriminalfall, welcher alle paar Folgen den Fokus auf einen neuen Verdächtigen richtet. Dabei werden immer wieder tiefe Einblicke in Ermittlungsverfahren und die Diskrepanzen zwischen Polizei und Presse gewährt, was sich als sehr interessant herausstellt. Auch werden moralische Diskussionen in den Vordergrund gerückt und es wird teilweise versucht, tief in die menschliche Psyche einzutauchen. Schade ist nur, dass hier merklich sogar ein Ticken zu viel gewollt wurde, und manche Nebenstorys dadurch ab einem gewissen Punkt ihre Glaubwürdigkeit verlieren, da die Serie uns scheinbar endlos viele dramtische Vergangenheiten von verzweifelten Menschen präsentieren will, anstatt sich etwas mehr auf die paar wirklich interessanten Handlungsstränge zu konzentrieren.
Ungeachtet davon ist "Broadchurch" zweifelsohne außergewöhnlich stark in seiner Umsetzung. Tolle Bilder der gleichzeitig öden und doch so facettenreichen Landschaft werden immer wieder kombiniert mit künstlerisch unscharfer Optik und gekonnt simplen Nah- und Detailaufnahmen, die eine so dichte Atmosphäre schaffen, dass einen nicht nur einmal im Verlauf der Staffel die Gänsehaut packt. Untermalt wird das mit einem so fantastisch stimmigen Soundtrack vom isländischen Komponisten Ólafur Arnalds, wie man ihn selten in Serien zu hören bekommen darf. Klares und eintönig trauriges Klavierspiel kombiniert mit Elementen aus der elektronischen Musik kreiert einen monotonen und bedrückenden Klang, der die Bilder der Serie einzigartig unterlegt. Teilweise werden diese Stilelemente dann auch schon fast zu oft angewendet und die eintönige Musik beinhaltet ein bisschen zu wenig Abwechslung, doch das nimmt ihr nicht ihren gefühlvolle und brillante Note.
Jene stimmungsvollen Bilder werden perfektioniert von einem Cast, der zu überraschend großen Teilen brilliert. David Tennant, der den meisten sicherlich durch seine Darstellung des Doctors in der britischen Kultserie "Doctor Who" bekannt sein wird, gibt eine ruppige und charismatische Glanzperformance eines genervten Bosses ab, die von Folge zu Folge vielschichtiger wird, und die man besser nicht hätte machen können. Es ist schön den Schauspieler, der vor allem für seine verrückte und witzige Spielweise bekannt ist, in einer so zynischen Rolle zu sehen, die beweist, wie facettenreich er spielen kann. Perfekt bildet sich eine Chemie zwischen ihm und Olivia Colman aus, die ebenfalls eine tolle Charakterentwicklung durchmacht und stets die große Sympathieträgerin der Serie bleibt.
Neben den beiden Hauptrollen zeigen auch einige unbekanntere Nebendarsteller eine überragende Leistung. In erster Linie sind hier Jodie Whittaker und Andrew Bucchan zu nennen, die Beth und Mark Latimer spielen, die Eltern des verstorbenen Jungen. Beide sind vor "Broadchurch" noch nicht groß aufgefallen, zeigen hier jedoch überragend gut, was sie an Potential zu bieten haben. So sieht der Zuschauer eine authentische und beklemmend reale Darbietung, wie eine Familie mit der Trauer dieses großen Verlustes umgehen muss und die beiden Darsteller haben einigen Szenen, in denen sie wahrlich emotional und bewegend spielen. Auch zu nennen ist der fantastische David Bradley, den man unter anderem aus seiner Rolle als Hausmeister Argus Filch aus der Harry-Potter-Reihe kennt. Was er hier zeigt, jagt einem nicht nur einmal einen Schauer über den Rücken, und er erschafft mit seiner Vorstellung eine der interessantesten und vielschichtigsten Figuren der Serie.
"Ohne Schmerzen wird’s nicht gehen", sagt Alec Hardy schon zu Beginn der Serie, um seiner Kollegin zu verdeutlichen, dass egal wer der Täter ist, es auf jeden Fall gewaltige Spuren in der Gemeinde hinterlassen wird. Genau das macht die Stärke von "Broadchurch" aus, und zwar eine wunderbare Darstellung der am Anfang so oberflächlich nett wirkenden Einwohner, die aber im Verlauf der Staffel immer mehr dunkle Geheimnisse aus ihrer Vergangenheit preisgeben. Dabei weiß die Serie vor allem durch ganz alltägliche Szenen, die dank der Hintergrundgeschichte allerdings trotzdem schmerzend wirken, zu verdeutlichen, was ein derartiges Ereignis für eine Kleinstadt bedeutet und wie Menschen, die man zu kennen glaubt, oft überhaupt nicht so ticken, wie man anfangs glaubt. So entwickelt sich "Broadchurch" von einer gewöhnlichen kleinen Krimiserie zu etwas, das sich von Folge zu Folge weiter in düstere Ebenen der menschlichen Seele vorarbeitet, und zeigt dem Zuschauer stets auf eindrucksvolle Weise, dass man einen Menschen nie gänzlich kennen kann. Oder wie Hardy es treffend ausdrückt: "Sie können nie einem Menschen in sein Herz hineinsehen.".
Fazit
"Broadchurch" überrascht mit tollen Schauspielern, einer stimmungsvollen Optik und ergreifenden Szenen, weiß aber vor allem in Sachen Dialogen und Ideenreichtum zu brillieren und einzigartig gut zu sein. Somit ist die erste Staffel eine sehr starke und emotionale Erfahrung, wirft allerdings gewisse Zweifel auf, dass eine zweite Staffel von Nöten ist, da die Handlung in sich doch sehr geschlossen wirkt.
Eine zweite Staffel wäre natürlich nicht nötig, aber da hier eine super Truppe beisammen ist – von den Autoren, der Filmcrew über die Schauspieler bis hin zur Landschaft – empfiehlt es sich natürlich weiter zu machen. Soweit ich bisher gehört habe, wird ja allmählich das Dorf zur Hauptperson. Während man sich gerade vom Mord aus Staffel 1 erholt und versucht, das Leben zu normalisieren – soweit das möglich ist – geschieht ein weiterer Mord (damit verrate ich sicher nichts überraschendes). Aber jetzt dürfen die Autoren zeigen, was sie drauf haben: Hatten wir in Staffel 1 die Situation, dass brave Bürger jeden komischen Kauz im Dorf auf die Verdächtigenliste gesetzt haben, und es dann natürlich keiner von ihnen war, hat man nun das Problem, dass die Kauze ja alle weg bzw. schon durchgehechelt worden sind. Wie werden die Bürger nun sich selbst betrachten, wenn sie wissen, es ist wieder ein Mörder unter ihnen? So gesehen, ergibt das selbst bei gleicher Ausgangssituation – eine Leiche am Strand – eine völlig neue Geschichte. Allein dafür muss man sich diesen englischsten aller englischen Krimis anschauen (statt wie früher eine bunt zusammengewürfelte Gesellschaft, eingeschlossen in einem Schloss, hat man jetzt eine Dorfgemeinschaft, aus der auch niemand wirklich aussteigen und verschwinden kann – er wäre sofort der Hauptverdächtige. Das ist eine überaus kluge moderne Variante eines alten Themas. Agatha Christie hätte ihre Freude daran.
Ja, solange das ganze wirklich durchdacht ist, habe ich ja generell nichts dagegen, nur sahen für mich die Trailer für die zweite Staffel eher nicht so gut aus und ich habe hier eben generell die Angst, dass die Serie zu sehr unnötig in die Länge gezogen wird – allerdings hatte ich noch keine Möglichkeit in die zweite Staffel hineinzusehen, deshalb kann ich da natürlich auch schlecht drüber urteilen. Ich bin einfach vorher lieber mal etwas zweifelhaft, dann lass ich mich auch leichter überraschen, wenn dann doch was Gutes bei rauskommt 😉