Byzantium, BG/IE/US 2012 • 123 Minuten • Regie: Neil Jordan • Mit: Saoirse Ronan, Gemma Arterton, Sam Riley, Barry Cassin, Caleb Landry Jones, Jonny Lee Miller • FSK: ab 16 Jahren • DVD-Start: 27. Dezember 2013 • Verleih: Universum Film GmbH
Das hier ist eine Geschichte über einen Film. Eine Geschichte, die erzählt werden darf. Man wird sie lesen, verstehen – vielleicht nicht nachvollziehen, aber jede Geschichte wird auf andere Weise geliebt oder gehasst. Und so ist es auch die Geschichte zweier Vampire, die zurückrudernd von vorangegangener Mythoszerfleischung endlich mit Bildern begeistert, statt mit Worten zu langweilen.
Und doch ist es Regisseur Neil Jordan, der das geschändete Vampirfilm-Genre anreichert mit Kitsch für das unliebsame Twilight-Publikum. Ausgerechnet Neil Jordan! Der Mann, der 1994 mit Interview mit einem Vampir dem Mythos der Blutsauger brillante Facetten über die Bürde des ewigen Lebens schenkt. Der selben Thematik widmet sich Jordan auch in Byzantium, scheitert indes an der Liebeserzählung zweier Jugendliche, die Groteskes mit Klischees verbinden.
So schreibt Eleanor (Saoirse Ronan) ihre Geschichte in ein Tagebuch. Sie sieht aus wie 16, ist aber schon ein wenig älter – weil sie ein Vampir ist. Ihre Geschichte darf nicht erzählt werden, schreibt sie. Keiner würde sie verstehen, keiner würde ihr glauben, denn Vampire sind ein Mythos, nichts als Märchen. Ihr ganz eigenes Märchen findet Eleanor nie, denn ihre Mutter Clara (Gemma Arterton) hält sie gefangen in den Klauen des jugendlichen Daseins. Zumal Eleanor und Clara flüchten vor der Bruderschaft, die keine weiblichen Vampire duldet; schon gar nicht, wenn diese anfangen, zu töten. Genau darin findet Clara ihren Lebenssinn: Als Prostituierte angelt sie sich allerhand Männer, nimmt sie aus und tötet sie. Eleanor zieht währenddessen ziellos umher, immer in anderen Städten an der Hand ihrer dominanten Mama.
Schließlich landen sie im Hotel Byzantium. Heruntergekommen wie das Seelenheil der beiden neuen Bewohner, eröffnet Clara hier ein Bordell. Ja, sagt man sich, so hat man Vampire auch selten gesehen, so ganz ohne Superkräfte oder funkelndem Oberkörper oder stets zum Heulkrampf vorbereitetem Gesichtsausdruck.
Halt. So einfach ist das nämlich nicht.
Zwei wesentliche Geschichten erzählt Jordan in Byzantium: Einerseits das Erwachsenwerden von Eleanor, andererseits die Tragödie um Clara und ihre ewige Flucht vor der Bruderschaft. Zu oft allerdings rückt die mehr oder minder klassische Coming-of-Age-Handlung um Eleanor in den Fokus, sprich: Streit mit ihrer Mutter, Sehnsucht nach Normalität, die erste große Liebe, ganz viel Poesie und all der Schnulzkram, der nicht per Definition schlecht sein muss – selbst in diesem mittlerweile bis zur Penetration getriebenen Jugend-Vampir-Genre. Doch Eleanors große Liebe namens Frank (Caleb Landry Jones) verkommt zur Lachnummer.
Denn Frank hat Leukämie. Eleanor, Vampir, und Frank, an Leukämie erkrankt. Wie bittersüß, wie schrecklich! Wie langweilig. So spielt Caleb Landry Jones seinen Frank als völlig unsympathischen, grotesk abnormal wirkenden Typen, der so bekloppt dreinschaut, als wäre Eleanor ein Einhorn auf einem Moped. Während also Saoirse Ronan mal wieder brillant-zerbrechlich ihre Rolle in den Hintergrund spielt, ausdrucksstark und doch zurückhaltend, verfällt der Rest dieser Beziehung einer unwirklichen Möchtegern-Liebesgeschichte, um den Schmerz Eleanors noch weiter zu verstärken. Gelingt natürlich nicht, denn Frank ist ein Unsympath, den man mal den aufrechten Gang beibringen müsste.
So sind es die wunderschönen Bilder, die Jordan immer wieder einbringt. Claras Vergangenheit erzählt von Leid und Misshandlung, erklärt ihre perfide Weltansicht und ihr Tun in der Gegenwart. Umwerfend trumpft Gemma Arterton hier auf, setzt ihren makellosen Körper gezielt ein, um im einen Moment ihre Kunden anzulocken, sich danach aber von Vorwürfen geplagt mit ihrer Tochter Eleanor streitet.
Das scheinbar Perfekte, nach außen hin zumindest, gerät in sinnlose Lügen. Eleanor sehnt sich nach Ruhe, einem festen Wohnsitz, während Clara sich ganz ihrem Bordell widmet. Durchaus interessant, sehenswert ohnehin, aber spätestens wenn Leukämie-Frank erneut den Mund aufmacht, setzt der Würgereiz ein.
Schade! Schließlich handelt Eleanor in jeder Hinsicht anders als ihre Mutter. Sie trinkt Blut von denen, die kurz davor sind, an Altersschwäche zu sterben. Mit eindringlicher Präsenz, kühler Anmut und schwerer Melancholie erinnert Byzantium so oftmals an das Meisterwerk So finster die Nacht, erreicht aber niemals dessen Perfektion.
Jordan aber, nun, der wusste um diesen Umstand dieser krampfhaften Beziehungsblödelei, und lässt den Ort, an dem Vampire geboren werden, gleichzeitig mystisch wie begehrenswert erscheinen. Visuell höchst beeindruckend, purer Genuss, fantastische Atmosphäre.
Kurz danach zerfällt diese jedoch – zu viel Kitsch, zu viel Frank, zu viel Poesie. Selbst die überragenden Hauptdarsteller – wirklich, Arterton und Ronan verdienen jedwede Anerkennung, nein, vielmehr reine Liebe! – können dagegen nicht ankämpfen. Also beenden wir hier die Geschichte um den Film Byzantium – denn so anmutig sie zuweilen sein mag, so überbordend verfällt sie nervigen Vampir-Plattitüden.
Ich haette es nicht besser ausdruecken koennen… Danke fuer die mir aus der Seele sprechende Kritik. Genauso habe ich selbst den Film auch empfunden. Schade um die tollen Bilder, die dann doch vom seltsamen Frank und seiner Geschichte mit Eleanor einfach ihren Reiz verlieren…