Captain Phillips (2013)

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Captain Phillips, USA 2013 • 134 Min • Regie: Paul Greengrass • Mit: Tom Hanks, Barkhad Abdi, Catherine Keener, Barkhad Abdirahman • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 14.11.2013 • Deutsche Website

Die Schattenseiten der Globalisierung werden nicht immer offensichtlich in den Nachrichten hervorgehoben, sondern geistern oft im Subtext von Schlagzeilen wie „Somalische Piraten kapern Frachtschiff“ herum. Regisseur Paul Greengrass („Green Zone“) nähert sich in „Captain Phillips“ dieser Thematik anhand einer wahren Geschichte aus dem Jahr 2009. Der Output kann sich sehen lassen, denn hochspannende Thriller-Elemente, großartige Figurenzeichnung und Globalisierungskommentar mittendrin ergeben ein packendes Hochsee-Filmerlebnis.

Captain Phillips (2013) Filmbild 1 © 2013 Sony Pictures Releasing GmbHKnappe 235 Kilometer vor der somalischen Küste wird das unter Captain Richard Phillips‘ (Tom Hanks) Kommando stehende amerikanische Schiff namens „Maersk Alabama“ von Piraten geentert. Mit viel Geschick, Raffinesse und Finten versucht die unbewaffnete Crew die Piraten zu bekämpfen. Die somalischen Piraten entschließen sich, die Flucht mit dem Rettungsboot zu ergreifen, allerdings nur mit Captain Phillips als Geisel, inklusive Aussicht auf mögliches Lösegeld. In der darauffolgenden Zeit ereignet sich schließlich ein atemloses Katz-und-Maus-Spiel zwischen den somalischen Geiselnehmern, Captain Phillips und den US-Navy SEALs. Besonders die Dialoge zwischen dem Piratenanführer Muse (Barkhad Abdi) und dem listig zeitschindenden Richard Phillips beherbergen interkulturelle und globalpolitische Würze.

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Paul Greengrass bewies mit „Green Zone“ und im Besonderen mit „Flug 93“ die Symbiose von globaler Perspektive, wahren Ereignissen und pulsierender Inszenierung patent zu beherrschen. Schon damals bei „Flug 93“ wählte Greengrass einen simplen Kniff aus, nämlich gänzlich unbekannte Darsteller, um somit eine gezielte Identifikation „jedermanns“ mit dem Terror am 11.09.2001 sicherzustellen. In genau diesem Flugzeug war eine zufällig und wahllos zusammengewürfelte Menge Menschen, die niemals mit diesen verhängnisvollen Ereignissen an Bord gerechnet hätten. Eine Wahl blieb ihnen nicht – genau wie Captain Phillips, seiner Crew sowie den somalischen Fischern keine andere Wahl bleibt. Die Besetzung der Piraten mit bisher unbekannten Schauspielern löst einen ähnlichen Effekt aus, da es die Beweggründe greifbarer macht.

Captain Phillips (2013) Filmbild 2 © 2013 Sony Pictures Releasing GmbHDie marinen Ökosysteme stehen Angesicht zu Angesicht mit Ölkatastrophen (Deepwater Horizon 2010), Nuklearkatastrophen (Fukushima 2011) und der übereifernden Gier der Überfischung in Küstenökosystemen (wie z.B. in dem an Somalia grenzende indische Ozean). Illegales Fischen, völlige Überschreitung der Quoten, werden häufiger als Grund für aufkeimende Piraterie aus Somalia genannt. Einheimischen Küstenfischern wird die Lebensgrundlage entzogen und eben diese lassen sich von lokalen Warlords in die Piraterie treiben. Die Piratenschar um Muse erscheinen nicht allesamt als skrupellose Gangster, sondern vielmehr als Getriebene; getrieben von Überlebenswillen und Ermangelung an potenten Alternativen. Zum Glück verwahrt sich Greengrass stets davor, irgendeiner Seite künstlich Schuld oder womöglich eine Entschuldigung für ihr Handeln einzuräumen. Ambivalenz der Taten, derer wir Zeuge werden, ist durchgehend vorhanden. Es ist gut spürbar, wie den Piraten die Situation zu entgleiten droht und gewisse moralische Grenzüberschreitungen wie Tötung oder Hinrichtung wohl im Vorfeld nie in Erwägung gezogen worden sind. Eigentlich wollten/mussten/durften die mutmaßlichen Fischer nur einen guten Schnitt machen und nicht mit leeren Händen in ihre Heimat wiederkehren. Somit wird der Zuschauer Zeuge eines dramaturgisch aufgearbeiteten und dennoch einschneidenden Tatsachenberichts, da bekanntermaßen dem Film inhaltlich das Buch „A Captain’sDuty: Somali Pirates, Navy SEALs, and Dangerous Days at Sea” von Richard Phillips und Stephan Talty zugrunde liegt.

Zufälliger- und glücklicherweise kannten sich die Schauspieler der Piratenschar bereits vor dem Film und harmonierten daher als Gruppe hervorragend. Besonders zu loben ist Newcomer Barkhad Abdi in seiner Anführer Figur als Muse. Muse bildet das körperlich dürre Gegengewicht zu Richard Phillips. Abdis markanten Darstellung ist auch die Balance zwischen ihm und Hanks zu verdanken. Hier werden keine Helden vorgeführt, sondern ein sich natürlich verteidigender Kapitän und ein Pirat; sich abkehrend von seinem Fischer-Dasein und sein Leben in einer zusammengeklempnerten, vorsintflutlichen Nussschale riskierend.

Ein sehr glaubwürdiger Tom Hanks („Cloud Atlas“) ist es dann, der in seiner Rolle als Captain Richard Phillips die emotionalen Höhepunkte bzw. Tiefpunkte dieser Tour de Force trägt, sodass der Film nicht als nüchternes Doku-Drama verendet. Wenn Richard Phillips in einer der zahlreichen, lebensbedrohlichen Szenarien den Piraten letztendlich Sätze wie „Ihr seid keine Fischer!“ („You are not fishermen!“) unter Todesangst entgegenschleudert, wird jedem Zuschauer klar, dass diese Situation derart verfahren ist, auf dass eine friedliche Einigung ausgeschlossen scheint.

Captain Phillips (2013) Filmbild 3 © 2013 Sony Pictures Releasing GmbHDer Dreh war eine schiere Herausforderung, da insgesamt 60 Tage auf hoher See gefilmt worden sind und den Schauspielern die Erschöpfung wirklich im Gesicht steht. Nicht zuletzt das Entern der „Maersk Alabama“ wurde von den Schauspielern trainiert, um es möglichst originalgetreu zu verkörpern. Obendrein sorgt eine waschechte Navy-Ärztin gegen Ende des Films für einen beklemmenden Kontrast zwischen Schock und professioneller Routine. Diese Umstände der mehr oder weniger realen Bedingungen erden das Thriller-Drama, welches demgemäß den Untertitel „Based on a True Story“ beansprucht und verdient wissen will. Ferner wurde unter anderem auf dem echten und beinah identischen Frachter „Maersk Alexander“ gedreht – eine logistische Meisterleistung. Klaustrophobische Enge und rauer Seegang werden darüber hinaus gekonnt mit Handkameras eingefangen, die den Kinogänger nah an die Figuren, ihre Angst, ihren Schweiß und Stress heranführen. Sicherlich geht diese Intention des Regisseurs voll auf, allerdings auch voll auf die Kappe der Spiellänge. Öfters schleichen sich im dritten Viertel des Films kleinere Längen ein. Manche Szenen erscheinen sehr ähnlich und beinahe wiederholt, bloß um den Schrecken und die Belastung für Captain Phillips als Geisel immer wieder erneut zu verdeutlichen. Da es sich um eine dramaturgische Aufarbeitung eines realen Ereignisses handelt, hätten die Filmemacher ein paar unnötige, ausbremsende Sandbänke umschiffen sollen. Ob weniger in dem Fall mehr gewesen wäre, bleibt Geschmackssache. Abschließend sei nochmals der unaufdringliche Globalisierungskommentar zu artikulieren, als dieser seine bildliche Zuspitzung in Form des kleinen Rettungsbootes mit somalischen Geiselnehmern im Schlepptau der mächtigen US-Navy findet.

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