Chappie, MX/USA 2015 • 121 Min • Regie: Neill Blomkamp • Mit: Sharlto Copley, Hugh Jackman, Dev Patel, Sigourney Weaver, Watkin Tudor Jones, Yolandi Visser • FSK: ab 12 Jahren • Kinostart: 5.03.2015 • Deutsche Website
„District 9“: Super. „Elysium“: Gut. „Chappie“: Missglückt. Regisseur Neill Blomkamp (bald dreht er für das „Alien“-Franchise) will dem Zuschauer auf den ersten Blick wieder sozialkritisches Zelluloid aus dem Herzen Johannesburgs präsentieren, wie einst seine Alien-Apartheids-Parabel „District 9“. Die Idee, die Technik und der Look tragen unverkennbar Blomkamps einprägsamen Stempel. Dieses Mal verzettelt sich der Regisseur leider nicht nur in einer zu langen Laufzeit von 121 Minuten, sondern auch in unsinnigen, löchrigen Verhaltensweisen mancher Charaktere sowie langgezogenen Kitscheinlagen bei der „Erziehung“ des ehemaligen RoboCops namens Chappie. Mit einem künstlichen, dem eines Menschen gleichkommenden Bewusstseins ausgestattet, ist das kindlich-naive nervige Verhalten von Chappie so zentral im Fokus, dass der gesamte Plot gefühlt belanglos vor sich hindümpelt. Allein die äußere technische Bravour, der saucoole Soundtrack von den südafrikanischen Musikern „Die Antwoord“ (auch selbst mitspielend als Chappies Quasi-Pflegeeltern) und das satirereife Großziehen des Droiden zum echten Gangster sind überzeugend. Der Rest leider nicht.
Johannesburg in Südafrika: Die Polizei bedient sich mechanischer Hilfe, sogenannter Scouts, um der Kriminalität Herr zu werden. Vielen Menschen ist der Schutz durch Roboter aber nicht geheuer. Vor allem die Gangster haben ihre Zweifel. Eine kleine Crew Gangster (Watkin „Ninja“ Tudor Jones und Yolandi Visser) stiehlt einen lädierten Roboter und seinen Erbauer Deon (Dev Patel). Der Roboter wird umprogrammiert und repariert, woraufhin dieser ein lernfähiges, fühlendes Bewusstsein erhält. Fortan „Chappie“ genannt, hilft der Roboter den Gangstern, krumme Dinger zu drehen. Doch die mächtige Waffenfirma sieht ihren zweckentfremdeten Roboter nicht gern auf der anderen Seite des Gesetzes. Vielleicht ist Chappie sogar eine Gefahr für die Menschheit. Erfinder Deon wähnt in Chappie eine Möglichkeit für einen evolutionären Sprung. Der Ex-Soldat Vincent (Hugh Jackman) sieht darin Gefahrenpotential und wittert endlich die Chance, sein Waffensystem „The Moose“ zur Bekämpfung der vermeintlichen Bedrohung zu testen.
Wie in der Einführung beschrieben, tun sich wirre Verhaltensweisen mancher Charaktere auf. Mal mehr mal weniger. Besonders auffällig ist das bei Chappies Erbauer Deon (Dev Patel). Dieser wird von den Schmalspur-Gangstern Ninja und Yolandi Visser (das Duo von „Die Antwoord“) brutal entführt, mehrfach verprügelt und erpresst. Ihm gelingt irgendwann so etwas Ähnliches wie eine auf gegenseitigem Einvernehmen bestehende Flucht, nur um kurzerhand wieder in die Höhle des Löwen zurückzukehren. Der Grund: Er möchte verhindern, dass Chappie von den Gaunern zu gaunerhaften Coups angestiftet wird. Schließlich soll das Bewusstsein von Chappie Poesie und Kunst wertschätzen anstelle von Autodiebstahl. Sehenswert ist Hugh Jackmans Haarschnitt. Vorne Business und hinten Party. Ein Vokuhila ziert das Haupt seines Charakters Vincent. Dieser entwickelte eine extravagante Kampfmaschine, die er nicht zum Einsatz bringen darf, weil sie völlig überteuert ist. Er intrigiert solange herum, bis er sein Kampfgerät gegen Chappie einsetzen darf. Das gelingt lediglich mit Hilfe diverser Drehbuchanpassungen, um aus dem Ex-Soldaten und jetzigen Ingenieur einen mordgeifernden Rambo zu machen. Außerdem sieht das Model seines „The Moose“ verdächtig auffällig aus wie die Kampfläufer aus dem aktuellen „RoboCop"-Remake. Die Beziehung zwischen Yolandi als Chappies „Mutter“ und dem Roboter ist ebenso aufdringlich, künstlich, quietschbunt und kitschig wie ihr neonfarbener Kleidungsstil (der ist an sich stylish). Die absolute Klimax an Zuckerwatte gibt es dann in der Schlussszene des Films, die Mutter und Robo-Sohn Chappie gehört. Genug gemeckert an dieser Stelle und seht selbst.
Wenn es den Charakteren im letzten Viertel des Films an den Kragen geht, zieht das Drehbuch völlig blank und lässt einen Overkill des berüchtigten Deus Ex Machina raus. Es ist schwierig seinen Unmut darüber auszulassen, ohne gravierende Spoiler zu offenbaren. Schließlich können unvoreingenommene Kinogänger immer noch ihren Spaß an dem Film entdecken, dem bei hohen Erwartungen auf Grund Blomkamps Filmographie unglücklicherweise schwer beizukommen ist. Zurück zum Thema: Der zuvor infantile Chappie entwickelt völlig aus dem Nichts eine hanebüchene Möglichkeit, um Teile seiner Crew auf irrsinnige Weise am Leben zu halten. Diese kommen auch erstaunlich easy damit klar. „Die letzte Hoffnung der Menschheit ist kein Mensch“ als Schriftzug auf dem deutschen Filmposter ist nicht nur irreführend und prätentiös, sondern einfach abstruses Marketingflunkern. Bis auf den Nebensatz, dass Roboter mit Bewusstsein die nächste Stufe der Evolution sein könnten, hat „Chappie“ nichts mit den guten bis sehr guten globalkritischen Überbauten seiner Vorgänger von Blomkamp gemein. Ob Blomkamp hier zu offensichtlich kritisieren möchte, oder zur Abwechslung eher reine Unterhaltung liefern will, bleibt schleierhaft. Eine Schelte (sofern vorhanden) für Polizeistaat, Polizeiwillkür oder der Technik-Hörigkeit der Menschen, trifft nicht wirklich ins Schwarze.
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