Chatroom, GB 2010 • 97 Min • Regie: Hideo Nakata • Drehbuch: Enda Walsh • Mit: Aaron Taylor-Johnson, Imogen Poots, Matthew Beard, Hannah Murray, Tuppence Middleton, Ophelia Lovibond • FSK: ab 16 Jahren • Heimkino-Start: 24.06.2011 • Website
Handlung
Der Teenager William eröffnet im Internet den Chat „Chelsea Teens!“, schnell werden die ersten Jugendlichen auf ihn aufmerksam. Emily, Eva, Mo, Jim und William treffen sich von nun an regelmäßig online und chatten über ihr Leben und ihre Sorgen, denn jeder von ihnen kämpft in der Realität mit Problemen, wie Sexualität, fehlende Anerkennung, Liebe, Verlust und Einsamkeit. Darüber hinaus erholt sich William gerade erst von einem Suizidversuch. Der einfühlsame Junge gewinnt das Vertrauen der anderen, doch nach und nach löst sich seine Maske und offenbart sein teuflisches Vorhaben.
Kritik
Das Thema des 2010 angelaufenen Thrillers ist und wird wohl auch in naher Zukunft akut bleiben. Chatrooms und soziale Netzwerke gehören bei den meisten schon zum Alltag und ein Leben ohne sie wäre nicht das gleiche. Doch inwieweit können wir die virtuelle Welt noch von der Realität abgrenzen? Wie sehr wird unser Handeln, Denken und Fühlen von ihr beeinflusst?
„Chatroom“ beschäftigt sich dabei vor allem mit den düsteren Seiten des Internets. Cybermobbing, Pädophilie, Suizidgedanken. All diese Probleme scheinen im Web äußerst präsent. Doch die Teens suchen genau dort Hilfe für ihre eigenen Probleme. Mo hat sich in die erst 11 Jahre alte Schwester seines besten Freundes verliebt, Emily sehnt sich nach der Aufmerksamkeit ihrer Eltern, Eva ist zwar hübsch, kann sich jedoch unter ihren Modelfreundinnen nicht behaupten und Jim wurde von seinem Vater verlassen und leidet seitdem unter Depressionen. William ist dabei nicht ausgenommen, er hat bereits versucht sich umzubringen, da er im Schatten seines Bruders nicht leben kann. Im Chatroom jedoch gibt sich William hilfsbereit und einfühlsam. Im Laufe der Ereignisse allerdings stellt sich immer mehr heraus, wer er wirklich ist. Er hat es auf Jim abgesehen und versucht durch ihn seine alten Bedürfnisse auf neuem Wege zu befriedigen. Die anderen Teenager sind nur Spielfiguren in seinem perfiden Spiel aus Manipulation und Sadismus.
Dank des allgegenwärtigen Themas erscheint der Thriller durchaus interessant und erweckt große Erwartungen. Darüber hinaus führt der Japaner Hideo Nakata, der schon für Horrorfilme, wie „Ringu“ und „Dark Water“ verantwortlich ist, bei diesem Thriller Regie. Für ihn ist die britische Produktion das zweite Werk in der englischen Sprache. Stilistisch bleibt er mit „Chatroom“ an seinen alten Traditionen hängen. Denn auch bei diesem Film setzt Nakata seinen Schwerpunkt auf das Hintergründige bzw. auf den subtilen Horror. Besonders gelungen ist dabei seine Art, den Chat darzustellen, nämlich als wirklichen Raum, in dem sich die Protagonisten versammeln und dort nahezu real miteinander in Verbindung treten. Diese Idee hat ihren Ursprung in dem Theaterstück von Enda Walsh, auf dem der Film basiert. Dadurch ergeben sich viele Situationen, die ohne dieses Mittel gar nicht zustande hätten kommen können und dem Film für den Zuschauer zugänglicher machen. Ein gutes Beispiel dafür ist die aufkeimende Beziehung zwischen William und Eva, sowie die Nähe, die sich zwischen allen Figuren aufbaut, die allein durch Worte nicht annähernd so gut umsetzbar gewesen wäre.
So gut die Darstellung der virtuellen Welt auch gelungen ist, so wenig raffiniert stolpern die Szenen in der Realität über die Bühne. Trotz der rasant fortschreitenden Story mit ständigem Wechsel zwischen virtueller und realer Welt, büßt der Thriller bereits am Anfang sowie in einigen Teilen der Mitte einiges an Spannung ein. Die Figuren werden lang und breit vorgestellt und doch bleibt so Manches, vor allem Williams Hintergrundgeschichte, weitestgehend im Dunkeln. Um einiges spannender als die zähe Exposition ist das letzte Drittel mit anschließendem Finale. Zwar sind sie ebenso vorhersehbar, allerdings ist die Szenerie insgesamt beweglicher bzw. dynamischer.
Aaron Johnson, der die Schlüsselfigur William verkörpert, zeigt in „Chatroom“, dass er auch eine dunkle Seite besitzt. In seiner wohl bekanntesten Rolle als „Kick-Ass“ kennt man ihn eher als unbeholfenen Teenie, während er hier undurchsichtiger bzw. finsterer auftritt. Der mittlerweile nicht mehr Newcomer hebt sich durch seine schauspielerische Leistung eindeutig von seinen Kollegen ab. Neben Johnson, spielen Hannah Murray, Imogen Poots, Matthew Beard und Daniel Kaluuya die restlichen Teilnehmer der „Chelsea-Teens!“. Murray und Kaluuya waren bereits bei der britischen Erfolgsserie „Skins“ zusammen vor der Kamera, in der sie eindeutig überzeugender waren. Und auch Poots („Fright Night“-Remake) läuft in dem Thriller nicht zur Höchstform auf. Die Charaktere erscheinen zwar anfangs individuell und interessant, können diesen Eindruck jedoch nicht bestätigen. Sie fügen sich in die vorgegebene Richtung ein, so dass der Film zielgerichtet auf sein Ende zusteuert und keine Aspektvielfalt zulässt. Daher sind die Protagonisten recht einseitig und stereotypisch. Ebenso eindimensional wird Thema des Internets präsentiert, welches kaum noch Platz hat zwischen den Teenie-Identitätskrisen.
Fazit
Der visuell starke, jedoch in der Handlung eher schwache Thriller, lockt mit aktuellem Thema rund um die dunkle Seite des Internets und seine Gefahren. In den Grundzügen attraktiv, scheitert die Umsetzung an Spannungspausen und Stereotypen, die auch vom ansprechenden Äußeren nicht überdeckt werden können.
Trailer
https://youtu.be/YtrdMVzJXNA