Auch Chris Hemsworth hatten wir bei unserem Interview-Marathon zu Rush – Alles für den Sieg vor dem Mikrofon. Der charismatische Australier wurde der breiten Öffentlichkeit mit seinem kurzen Auftritt als James T. Kirks Vater in J. J. Abrams' Star Trek vorgestellt und erlangte mit seiner Darbietung des Marvel-Helden Thor im gleichnamigen Film weltweite Berühmtheit – sowie eine stets wachsende Schar weiblicher Fans. Mit Marvel’s The Avengers und Snow White and the Huntsman konnte er in den folgenden Jahren weitere weltweite Riesenhits landen und wird in Thor: The Dark Kingdom ab Ende diesen Monats wieder als der Donnergott in den deutschen Kinos zu sehen sein. In Rush beweist er jedoch, dass sein Talent weit über die Auftritte als muskelbepackte Actionhelden ausgeht. Als die gesellige und im Exzess lebende Formel-1-Legende James Hunt überzeugt er als Gegenpol zu Daniel Brühls Niki Lauda. In unserem Interview verriet Hemsworth, wie er sich der Mentalität von Rennfahrern annähern konnte, wie er privat fährt und was ein perfekter freier Tag für ihn bedeutet.
(das Interview ist jetzt auch in englischer Sprache verfügbar)
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Filmfutter: Du hast eigentlich eine bessere Rolle im Film als Daniel (Brühl), oder?
Chris Hemsworth: Vielleicht (lacht). Ich hatte definitiv bessere Zeiten. Daniel musste täglich um 3 Uhr morgens aufstehen und ihm musste stundenlang die Maske für die Rolle aufgetragen werden. Ich, wiederum, musste erst um 9 Uhr raus. Daniel sagte einst, dass er sich die Dispo angeschaut hat und auf dieser stand: „Szene 1: James Hunt küsst eine Krankenschwester. Szene 2: James Hunt hat Sex im Flugzeug. Szene 3: Niki Lauda checkt seine Reifen”. Er war ein wenig verstimmt (lacht).
FF: Was hast Du über den Charakter und die Mentalität eines Formel-1-Piloten gelernt und wie bist Du in diese Denkweise hineingekommen?
CH: Diese Sportart zieht sicherlich sehr interessante Persönlichkeiten an, insbesondere in einer Zeitepoche, in der die Todesgefahr viel höher war und die Wahrscheinlichkeit zu sterben bei 20% lag. I habe mich selbst gefragt, warum jemand diese Sportart ausüben würde und kam zu dem Schluss, dass es an der Unmittelbarkeit liegt, die einem die Angst vor dem Tod ermöglicht. Sie ist einzigartig. Sie zwingt einen, sich auf den Moment zu konzentrieren, aufmerksam zu sein und an das Hier und Jetzt zu denken. Nicht an morgen, nicht an gestern und nicht an andere Sorgen. Man muss absolut in der Gegenwart sein oder man stirbt. Die Menschen, die an solchen Veranstaltungen teilnehmen oder die auf Berge klettern – sie reden darüber, wie es einen in das Jetzt katapultiert. Es ist nicht schwer, danach süchtig zu werden oder sogar nach Extremen generell. So jagte James auch bei allen anderen Aspekten in seinem Leben Extremen hinterher. Alles musste diesen Level an Hingabe und Adrenalin haben.
FF: Fasziniert Dich diese Art von Adrenalinrausch persönlich?
CH: Nun, ich surfe gerne und als Kind war ich sehr aktiv und genoss viele adrenalintreibende Aktivitäten. Ich denke der Grund war damals der Gleiche, auch wenn mir das nicht direkt bewusst war. In vielerlei Hinsicht war es sehr belebend. Natürlich erreichte das nie die Ausmaße von dem, was James und andere Fahrer erlebten.
FF: Wie viel durftest Du bei den Dreharbeiten selber fahren?
CH: Vor dem Drehbeginn gingen wir drei oder vier Wochen lang zu einem Trainingscamp und als wir mit dem Dreh begonnen haben, sind wir viel mehr selbst gefahren als wir ursprünglich erwartet haben. Das hatte mit der Art dieses Drehs zu tun, nach dem Motto: “Nimm mit, was du kannst, wann du es kannst”. Es gab einige Tage, an denen es eine Lücke im Drehplan gab. Während dieser sprangen wir schnell in die Autos, Kameras wurden überall darauf montiert und wir drehten einige Runden. Die wirklich herausfordernden, präzisen und gefährlichen Szenen wurden vom Präzisions-Fahrteam erledigt.
FF: Kannst Du uns mehr über dein Vorsprechen für Rush erzählen?
CH: Zu dem Zeitpunkt steckte ich gerade mitten in den Dreharbeiten (Anm. der Red: zu Marvel’s The Avengers). Normalerweise, wenn ich etwas drehe, dann konzentriere ich mich nur darauf und das war’s. Wenn neue Drehbücher reinkommen, versuche ich, sie zu lesen oder wenn ich gerade in Los Angeles bin, kann ich auch einen Produzenten oder Regisseur treffen. Ich habe aber schon lange keine Probeaufnahmen mehr von mir verschickt. Normalerweise würde ich mich einfach direkt mit dem Regisseur treffen, aber ich habe Ron Howard bereits getroffen. Es war ein tolles Meeting, aber ich wusste, dass ich nicht vorankommen würde, ohne etwas dafür zu tun. Ich war gerade in Albuquerque, drehte The Avengers und dachte, ich würde es einfach versuchen und proaktiv sein. Ich nahm ein Vorsprechen auf und schickte es an Ron.
FF: Wie viel wusstest Du über James Hunt vor dem Film?
CH: Ehrlich gesagt, nicht sonderlich viel. Ich wusste auch wenig über die Formel 1, insbesondere über die Zeitepoche, über James (Hunt) oder Niki (Lauda). Es kam mir während meiner Recherchen aber alles irgendwie vertraut vor, sodass ich wohl von den beiden gehört haben muss. Ich kannte aber auf jeden Fall keine Details.
FF: Was fandest Du furchteinflößender – die Aufgabe, einen Comic-Charakter mit Million Fans weltweit zu spielen oder eine Person aus echtem Leben, die zudem noch eine wahre Sportlegende ist?
CH: Beide waren einschüchternd (lacht). Aber diese Rolle war besonders nervenaufreibend, weil er eine legendäre Person war und weil er nicht mehr lebt, was für mich zusätzlichen Druck bedeutete, da ich der Erinnerung an ihn gerecht werde wollte. Gleichzeitig war eben diese Herausforderung sehr spannend. Beides geht Hand in Hand. Es gab so viel Quellen, so viele Menschen, mit denen man reden konnte und so viel Information zum Verarbeiten. Ich hätte niemand Besseren als on Howard am Schiffsruder haben können. Er erschuf eine sehr angenehme Atmosphäre am Set und seine schier endlose Unterstützung und detailreiches Wissen über diese Welt, machten es mir einfacher.
FF: Worin bestand Deine Recherche?
CH: Ich habe mit Leuten geredet, die James (Hunt) kannten – einigen Mechanikern und Fahrern. Ich las einige Biografien über ihn. Am nützlichsten waren aber die Interviews, die ich online finden konnte. BBC hatte sogar eine Reihe an Outtakes aus Interviews, die nicht verwendet werden konnten, weil er geflucht, herumgealbert oder Witze gemacht hat, die für die Ausstrahlung unangemessen waren. Ich erhielt dadurch einzigartige Einsichten, weil ich ihn in seinem Element sehen konnte. Er konnte an etwas sehr interessiert oder komplett desinteressiert sein, aber er war darüber immer ehrlich. Es ab etwas Kindhaftes an der Art, wie er sich für etwas begeistern konnte oder wie er von etwas fasziniert war.
FF: Hattest Du die Gelegenheit, mit Niki Lauda über seine Beziehung mit James Hunt zu reden?
CH: Leider hatte ich während des Drehs gar keine Gelegenheit mit ihm zu reden. Ich habe ihn erst bei der Premiere getroffen. Er ist fantastisch. Im echten Leben ist er genau so undiplomatisch und direkt, wie er im Film dargestellt wird. Er sagte, dass er den Film liebte und sich wünschte, dass James ihn gesehen hätte. Die beiden hatten einen Riesenrespekt vor einander. Ich denke, dass Niki die Freiheit schätzte, die James genoss und James im Gegenzug Nikis Disziplin.
FF: James war mehr oder weniger ein Rockstar. Denkst Du, dass jemand wie James Hunt heutzutage existieren könnte? Verhält es sich bei berühmten Schauspielern ähnlich?
CH: Es war eine andere Zeit. Die Unmittelbarkeit der Informationen in den Medien heutzutage lässt es nicht zu, dass jemand mi etwas „ungestraft“ davonkommt, womit er damals hätte ungestraft davonkommen können. Ehrlich gesagt, glaube ich aber nicht, dass ihn das gekümmert hätte. Das war sein Charakter. Bei Schauspielern ist es anders. Als Fahrer kann man sich dann immer noch in das Auto setzen, gut fahren und das Rennen gewinnen. Wenn man als Schauspieler zu viele Kontroversen hat, schauen sich die Menschen deine Filme einfach nicht mehr an, egal wie gut du bist. Man muss etwas vorsichtig sein. Aber James war schon einzigartig
FF: Hattet Du und Daniel (Brühl) auch eine freundschaftliche Rivalität am Set?
CH: Wir hatten so viel Spaß. Man könnte annehmen, dass wenn man abseits der Kameras eine Rivalität entwickelt, dass die Rivalität im Film davon nur profitieren kann, aber das ist nicht der Fall. Eine solche Rivalität schränkt meiner Meinung nach einen ein. Die Tatsache, dass wir uns so gut verstanden haben, ermöglichte es uns, unsere Filmbeziehung sehr offen zu erforschen. Wir beide teilten die gleiche Aufregung und Begeisterung, aber auch die gleichen Ängste. Daniel hat einen tollen Sinn für Humor und er ist so talentiert, dass er einen selbst dazu bringt, besser zu werden.
FF: Magst du körperlich betonte Rollen? Sogar in Rush ist das bei Deiner Rolle ein wenig der Fall.
CH: Nun, Thor, The Avengers and Snow White (and the Huntsman) kamen allesamt nacheinander. Aber mein Geschmack und meine Interessen sind deutlich breiter gefächert. Ich liebe es natürlich auch, solche Filme zu drehen, aber ich habe sie dank weiteren Thor– und The Avengers-Filmen sowieso haufenweise. Ich wollte wirklich etwas Anderes machen. Obwohl Rush sehr aufregend, teilweise auch körperlich herausfordernd ist und einen sehr spannenden Hintergrund hat, ist es auch eine Charakterstudie dieser beiden faszinierenden Persönlichkeiten. Es war erfrischend, einen kleineren, intimeren Film zu drehen, der seinen Fokus auf die Charaktere legt.
FF: Ist The Heart of the Sea, der Film, den du momentan mit Ron Howard drehst, ähnlich zu Rush, insofern als auch er charakterzentriert ist?
CH: Es ist eine schöne Mischung. Genau das liebe ich ja – wenn ein Film sehr unterhaltsam, visuell ansprechend ist und einen auf ein Abenteuer mitnimmt und zugleich das Drehbuch aber viel Intelligenz und Integrität besitzt. Ich wusste im Vorfeld nicht, dass Herman Melville bei „Moby Dick“ von einer wahren Begebenheit inspiriert wurde. Das Buch, auf dem unser Film beruht, handelt von dieser wahren Geschichte. Der Film spielt in der Walfangindustrie im Jahre 1822. Ein Walfangschiff wird von einem Wal angegriffen und versenkt. Die Überlebenden müssen 93 Tage auf hoher See verbringen. Es ist eine Geschichte von Überleben, Heldentum und Tragödie. Die Charaktere sind sehr stark.
FF: Wenn Dir neue Drehbücher vorgeschlagen werden, findest Du es schwer, von der Rolle von Thor wegzukommen?
CH: Anfangs ja. Diese Art an Drehbüchern war natürlich die offensichtlichste Wahl, wenn es um mich ging. Aber ich habe tolle Agenten, die hart daran arbeiten, verschiedene Möglichkeiten für mich zu finden. Filme wie Rush öffnen mir viele Türen. Filmemacher reden natürlich untereinander. Michael Mann redete mit Ron Howard und schließlich drehte ich einen Film mit ihm. Es war aber eigentlich nie ein Problem für mich. Ich habe meine Chance bei Rush bekommen, weil Ron zuvor Thor gesehen hat. Ich würde deswegen da nie die Nase rümpfen
FF: Was kannst Du uns über den Cyber-Thriller erzählen, den Du mit Michael Mann gedreht hast?
CH: Ich habe den Dreh gerade beendet. Der Film spielt in der Welt des Cyber-Terrorismus. Im Prinzip wird ein Äquivalent der Chicago Board of Trade (Anm. der Red: weltälteste Terminbörse) gehacked und das löst eine Kettenreaktion bei Aktienmärkten rund um die Welt aus. Der Code, der dazu benutzt wurde, sich in das System zu hacken, wurde Jahre zuvor von meinem Filmcharakter geschrieben, der aber gerade wegen Cyber-Verbrechen im Gefängnis sitzt. Er wird dort rausgeholt und ihm wird ein Deal angeboten, wenn er mit einer gemeinsamen Sondereinheit des FBI und der chinesischen Regierung zusammenarbeitet, um diesen Kerl ausfindig zu machen. Der Film fängt in Chicago an und führt später nach Kuala Lumpur, Hong Kong und Jakarta. Es ist ein internationaler Katz-und-Maus-Krimithriller. Ich sollte mir wirklich einen Einzeiler überlegen, um den Film zu beschreiben (lacht).
FF: Das klingt auf jeden Fall sehr interessant.
CH: Es war sehr faszinierend. Ich wusste vorher nichts von jener Welt. Heutzutage ist es ein sehr aktuelles Thema, denn wir sehen, was mit Hacking und Cyber-Terrorismus möglich ist, wie zum Beispiel Stromnetze in anderen Ländern lahmzulegen. In unserem Film schaltet er (der Bösewicht) die Wasserpumpen in einem Atomkraftwerk ab, um das Kühlungssystem zu überhitzen und sorgt damit für viel Chaos. Wenn man für einen solchen Film recherchiert, wird einem bewusst, wie angreifbar Technologie uns macht.
FF: James Hunt ist eine perfekte Rolle für Dich. Wie einfach findest Du es, gesehen und für Rollen gefunden zu werden?
CH: Ich lese Drehbücher bzw. Jage ihnen hinterher anstatt mich einfach zurückzulehnen und zu warten, bis sie auf mich zukommen. Man muss proaktiv sein und man muss von den richtigen Leuten umgeben sein, die für einen die guten Drehbücher suchen. Bislang hatte ich viel Glück. Es gibt natürlich immer viele Variablen, die im Spiel sind. Ein perfektes Drehbuch kann kommen, aber man ist gerade nicht verfügbar oder man ist verfügbar, aber jemand hat sich die Rolle schon geschnappt…
FF: Was machst Du an einem freien Tag?
CH: Ich bin mit meiner Frau und meinem Kind. Ich hatte so viel zu tun in letzter Zeit und die beiden vermisse ich am meisten. Ein idealer Tag wäre einfach ein Tag mit meiner Familie.
FF: Du sagtest, dass Du vorher kein sonderlicher Formel-1-Fan warst. Interessiert Dich das nach dem Film mehr?
CH: Ja, das tut es. Wenn ich die Gelegenheit habe, würde ich mir gerne ein Rennen anschauen.
FF: War das Setting in den Siebzigern auch eine Attraktion für Dich, was die Rolle betrifft?
CH: Sicher. Das liebe ich am Schauspielern – man hat die Möglichkeit, in verschiedene Genres und Zeitepochen einzutauchen. Die Siebziger zu spielen hat mir viel Spaß gemacht, denn ich habe diese Zeit ja nicht selbst erlebt.
FF: Wie fährst Du im echten Leben? Hat der Film bei Dir das Verlangen geweckt, ein echtes Formel-1-Auto zu fahren oder Co-Pilot in einem zu sein?
CH: Natürlich! (lacht) Zu Hause, in Australien, hatten wir eine Go-Kart Strecke an dem Haus, in dem ich aufgewachsen bin. Meine Brüder und ich fuhren dort Rennen. Wir hatten auch Motorräder. Generell bin ich aber im Straßenverkehr ziemlich konservativ.
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