Cosmopolis, CDN/F/P/I 2012 • 108 Min • Regie & Drehbuch: David Cronenberg • Mit: Robert Pattinson, Juliette Binoche, Sarah Gadon, Mathieu Amalric, Jay Baruchel, Kevin Durand, K’Naan, Emily Hampshire, Samantha Morton, Paul Giamatti • Kamera: Peter Suschitzky • Musik: Howard Shore • FSK: ab 12 Jahren • Verleih: Falcom Media • Kinostart: 05.07.2012
Das neue Jahrhundert ist kalt, gefühlsleer, oberflächlich – und es ist äußerst redselig. In „Cosmopolis“, David Cronenbergs Leinwand-Adaption von Don DeLillos gleichnamigem Roman von 2003, unternimmt der junge Milliardär Eric Packer („Twilight“-Star Robert Pattinson) in seiner voll ausgestatteten Limousine eine gefährliche Reise durch die Straßen Manhattans. Ein Aufstand findet statt und irgendjemand trachtet nach Packers Leben. Sicherheitsstufe Rot. Dennoch lässt er sich nicht von seinem Ziel abbringen: Er will einen neuen Haarschnitt…in einem echten Friseursalon! Unterwegs trifft er auf seine Berater, seine Geliebte Elise (Sarah Gadon), seinen Arzt, der bei ihm eine asymmetrische Prostata diagnostiziert, sowie einen tortenschleudernden Terroristen (Mathieu Amalric). Im Grunde ist Packer kein richtiger Protagonist, er ist eine lebende Hülle – eine Galionsfigur des Kapitalismus -, die sich mit anderen lebenden Hüllen über Alles und Nichts unterhält. Und im Grunde ist „Cosmopolis“ auch kein klassischer Spielfilm, der uns in seinen Plot oder seine Figuren hineinzieht, sondern eine in den hauchdünnen Handlungsrahmen gelagerte Anhäufung wirrer Gespräche, die sich gegenseitig auslöschen. Business trifft auf Sex, Sex auf Fahrstuhlmusik, und so weiter.
Vermutlich werden bereits im Vorfeld viele Filmfreunde ein besonders skeptisches Auge auf Robert Pattinson geworfen haben, als bekannt wurde, dass der Mime letztlich in die Rolle des frisch gefallenen Spekulanten Eric Packer schlüpfen würde. Dabei kann dem Kleinen Kinovampir aufgrund seiner soliden darstellerischen Leistung nun wirklich nicht die Hauptschuld am Ärgernis „Cosmopolis“ angelastet werden. Die anklagenden Finger müssten vielmehr allein auf Regisseur und Drehbuchautor Cronenberg gerichtet sein, der hier angeblich (ich habe DeLillos Buch nicht gelesen) eine zwar wortgetreue Umsetzung der Vorlage geschaffen hat, die aber aus bestimmten Gründen nicht in dem anderen Medium funktionieren will.
„Tatsächlich fing ich an, alle Dialoge aus dem Buch auf meinen Computer zu tippen, ohne irgendetwas zu ändern oder hinzuzufügen“, gibt Cronenberg in einem Interview an und sagt weiter: „Als ich fertig war, stellte ich mir die Frage: 'Ist es genügend Material für einen Film? Ich denke schon'. Die nächsten drei Tage nutzte ich, die Lücken zwischen den Dialogen zu füllen und schon war das Drehbuch fertig.“ Und in der Tat fühlt sich das Resultat an, als habe der ehemalige Meister des Fantastischen Genres nach seinen Großtaten „A History of Violence“ (2005) und „Tödliche Versprechen“ (2007) ein wenig den Fokus für eine interessante (oder zumindest skurrile) Story verloren und konzentriere sich nun seit dem eigenartig kraftlosen Kostümschinken „Eine dunkle Begierde“ (2011) auf die Inszenierung ausufernder Dialoge, die lediglich aufgrund der schicken Bilder auch für den Kinogänger erträglich bleiben. Dabei haben Regisseure wie Richard Linklater oder Quentin Tarantino bewiesen, dass man selbst einen Kaffee-Klatsch im Diner für ein Publikum spannend gestalten kann. Das ist aber nur möglich, wenn sich die Zuschauer mit den betreffenden Figuren identifizieren können, oder zumindest die Themen es vermögen, einen Nerv zu treffen. Über was die überwiegend nur episodisch auftretenden Charaktere in „Cosmopolis“ da so pseudointellektuell schwadronieren, dürfte den Zuschauern dagegen herzlich egal sein. Sie gewähren uns letztlich keinen emotionalen Zugang; sie und ihre Probleme kümmern uns nicht weiter – und was uns damit bleibt, sind rund 108 frustrierende Minuten an cineastischer Langeweile, die sich obendrein größtenteils in der überschaubaren Kabine des Fahrzeugs zutragen.
Natürlich soll die abweisende Sterilität, die uns David Cronenberg hier vorsetzt, in überzeichneter Form auch das entmenschlichte, kapitalistische Bild unserer westlichen Welt (vor allem das der USA) reflektieren. Allerdings ist der satirische Biss, der in die künstlich-glatte Fassade eindringt, im Gegensatz zu, zum Beispiel, Mary Harrons brillanter Bret Easton Ellis-Umsetzung „American Psycho“ (2000) eindeutig zu zahm ausgefallen – zu distanziert und unspektakulär, um zu bewegen, zu verstören oder überhaupt einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Eric Packer ist vielleicht eine ähnlich gequälte Seele wie Patrick Bateman, nur lässt uns „Cosmopolis“ keinen Anteil an dessen Innenleben haben. Denkt er wirklich, was er da ausspricht oder spricht er nur, um etwas zu sagen? Selbst wenn hinter den ineinandergeschlungenen Dialogen mehr steckt, als es zunächst den Anschein hat, so fällt es dennoch extrem schwer, diesen über die Laufzeit echte Aufmerksamkeit zu schenken. Sie kommen aus Mündern, deren Besitzer uns fremd sind und bleiben.
„Cosmopolis“ mag auf dem Papier Eindruck machen, die filmische Umsetzung entpuppt sich jedoch leider als in etwa so aufregend wie eine ganze Packung voller Johanniskrautdragees. David Cronenberg hat nicht die schlechteste Leistung des Jahres 2012 abgeliefert, aber dafür eine äußerst bittere Enttäuschung…
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