The Judge, USA 2014 • 141 Min. • Regie: David Dobkin • Mit: Robert Downey Jr., Robert Duvall, Vera Farmiga, Leighton Meester, Jeremy Strong, Vincent D’Onofrio, Billy Bob Thornton • FSK: ab 6 Jahren • Kinostart: 16.10.2014 • Deutsche Webseite
Das Justiz- bzw. Gerichtsdrama/-Thriller kann ein hochspannendes Genre sein („Die Jury“, „Eine Frage der Ehre“) oder aber auch einfach endlos in die Länge gezogen werden wie bei „Der Richter – Recht oder Ehre“; sofern man diesen Film als Gerichtsdrama sehen will. Nichtsdestotrotz verzeichnen wir auf der Haben-Seite einen Robert Downey Jr., der seiner Paraderolle als glattgebügelter Lackaffe hier noch einen Hauch Verletzlichkeit verleiht und seine Rolle somit erdet. Charakterdarsteller Robert Duvall wird ihm entgegengesetzt, um ein Sehvergnügen beim Kräftemessen der Schauspielkunst zu erzeugen. Jedoch schafft dieser Aspekt zuzüglich Schablonendenken bei sonstigen Figuren einerseits, und bei der allgemeinen Handlung andererseits, kein so beachtenswertes Kinoerlebnis, wie es der Trailer suggeriert.
In seiner Wahlheimat Chicago ist Hank Palmer (Robert Downey Jr.) die große Nummer vor Gericht. Nur zu gerne boxt er jeden Mandanten für dickes Geld wieder raus. Man sollte meinen, dass alles cool läuft für den frechen Advokaten. Daheim zetert jedoch die untreue Ehegattin Lisa (Sarah Lancaster) herum und eine Sorgerechtsproblematik um die gemeinsame Tochter Lauren (Emma Tremblay) bahnt sich an. Nach einem Anruf bricht Hank, grantig blickend, alleine zu seinem Geburtsort (Carlinville, Indiana) auf, weil seine Mutter gestorben ist. Hanks Vater Joseph (Robert Duvall) ignoriert seinen Sohn völlig, was Hank jedoch ebenso erwidert. Die Brüder Glen (Vincent D’Onofrio) und Dale (Jeremy Strong) haben zu Hank mittlerweile auch ein eher unterkühltes Verhältnis. Nach der Beerdigung der verstorbenen Mutter wird das Familienoberhaupt Joseph verhaftet, weil er einen ehemaligen Straftäter namens Mark Blackwell (Mark Kiely) mit dem Auto nachts tödlich verletzt haben soll. Brisanz bekommt der Fall, weil Joseph seit 42 Jahren in der Kleinstadt auf dem Richterstuhl sitzt. Dies alles zunächst auf die leichte Schulter nehmend, klagt der lokale, abgeklärte Staatsanwalt Dwight Dickham (Billy Bob Thornton) Richter Palmer wegen Mordes an. Der schlaksige Hobbyanwalt C.P. Kennedy (Dax Shephard) aus der Gemeinde wird von Joseph engagiert, um ihn zu vertreten. Klar, dass Hank das nicht auf sich sitzen lässt und seinen Vater selbst vertreten will. Problem: Vater und Sohn haben sich entfremdet und verachten sich.
Nein, was gibt Robert Downey Jr. einen Punk von Anwalt ab. Nach der Schema-F-„Badass“-Einführung des juristischen Grenzgängers, bestätigt sich der Eindruck, dass Rollen, die eine LKW-Ladung Arroganz abladen sollen, für Downey Jr. maßgeschneidert werden. Es klingt jetzt zynischer als gewollt, doch so wahnsinnig weit hergeholt ist der Gedanke nun auch wieder nicht (Tony Stark im „Iron Man“-Franchise). Etabliertes schauspielerisches Schwergewicht Robert Duvall („Falling Down“, „Der Pate“) ist auf dem Richterstuhl ein sich ruhendes, angesehenes Mitglied der Gemeinde in Carlinville. Die Aura um ihn herum hat etwas durchweg Rechtschaffenes und Gutherziges. Umso mehr überrascht es, dass er in einen Fall von Selbstjustiz verwickelt wird. Duvall schafft es, als alter Hase im Business ganz nonchalant die Fassade aufrechtzuerhalten, um punktgenau wieder ein Steinchen wegbröckeln zu lassen. Die wahre Wonne für den Kinogänger ist jedoch erst im Duell von Vater und Sohn ersichtlich, wenn sie sich anschreien, wenn der Sohn dem stolzen Vater hilft oder wenn sie sich mit grimmiger Gestik ignorieren.
Weil es daheim so unschöne Probleme gibt mit der Knackarsch-Ehefrau, kommt die alte Highschool-Flamme Samantha (Vera Farmiga) als Besitzerin eines örtlichen Diners gerade recht. Die smarte Schauspielerin, bekannt aus „Up in the Air“ oder „Departed – Unter Feinden“ ist keineswegs als treuherziges Doofchen zu verstehen, das sich lediglich über das Wiedersehen mit ihrem ehemaligen Schwarm vom Schulhof freut, sondern einfach eine Rolle für den üblichen Love-Interest. Die Rolle wird standesgemäß ausgefüllt. Obendrauf darf ihre Jura studierende Tochter Carla (Leighton Meester) in den Semesterferien im Diner aushelfen, scheinbar nur damit Staranwalt Hank sie einmal – ohne das Wissen um verwandtschaftliche Verhältnisse – mit einem One-Night-Stand beglücken darf, da es so geschmeidig in seine Rolle passt. Hanks Brüder sind leider ebenfalls nicht mehr als nur Schachfiguren. Ein Ex-Leistungssportler, gefrustet, ausreichend korpulent und schnell mit der Faust in Bars auf der einen, und einmal lernschwacher, mäßig heller, aber herzensguter Hobbyfilmer auf der anderen Seite. Diese Figuren dienen auch lediglich ihrem Zweck, ohne dabei besondere Aufmerksamkeit des Zuschauers einzufordern. Von dem Counterpart vor Gericht mit dem Namen Dwight Dickham bekommt man von Billy Bob Thornton beinah schon ein Understatement serviert, um die Bühne für die zwei klaren Lieblinge des Regisseurs freizuhalten. Seine Rolle als Staatsanwalt ist dennoch souverän geliefert und handwerklich gut anzusehen. Als letztes seien noch die Bilder von Janusz Kaminski („Der Soldat James Ryan“, „Lincoln“) zu erwähnen, der die beschauliche Idylle und den Charme einer Kleinstadt im US-Staat Indiana hervorragend einfängt; oftmals für Awards nominiert bzw. ausgezeichnet und dies völlig zu Recht .