Paganini: The Devils Violinist, D/IT 2013 • 122 Min • Regie: Bernard Rose • Mit: David Garrett, Jared Harris, Christian McKay, Joely Richardson, Veronica Ferres • FSK: ab 6 Jahren • Kinostart: 31.10.2013 • Deutsche Website
„Er war der erste Musiker, der auf Tournee ging und die Menschen in ganz Europa begeisterte. Doch sein Vermögen zerrann ihm zwischen den Fingern. Er starb verarmt, fast vergessen. Kurzum: Er war der erste Rockstar der Welt!“ Klar wen Bernard Rose meint! Sogar klassikferne Kinogänger kennen seinen Namen und wissen, wie er drauf war. Er war Superstar, er war populär, er war so exaltiert because er hatte Flair. Er war ein Virtuose, war ein Rockidol und alles rief: „Come on and rock me!“ Nein, nicht „Amadeus“.
Das brillante Filmporträt eines Musikgenies war dieser andere Film, der, den der Regisseur und Drehbuchautor von „Der Teufelsgeiger“ damals vermutlich gesehen hat und dessen Intensität sein zweites Musikermelodram erreichen soll. Gemessen an seinem Beethoven-Biopic „Immortal Beloved“ (deutscher Titel: „Ludwig van B. – Meine unsterbliche Geliebte“) hat Rose sich mit seinem neusten Film immerhin selbst übertroffen: an Schwülstigkeit. Es schluchzen die Geigen, genauer: eine Geige. Sie wird gespielt von Niccolò Paganini. Für ein Historiendrama an sich keine schlechte Ausgangsposition, gäbe es nicht einen Haken: Niccolò Paganini wird gespielt von David Garrett. So ein faustischer Pakt, wie ihn der italienische Virtuose um 1830 mit seinem mephistophelischen Manager Urbani (Jared Harris) schließt, bringe noch heute manchen Musiker in Versuchung, meint Rose und denkt dabei womöglich an seinen Hauptakteur. Ihn trieb wohl Ähnliches den Vertrag zu unterzeichnen wie Paganini: „Mein Ehrgeiz ist unermesslich.“ Wohl wahr, der Pop-Violinist ist ein Teufelsgeiger und der Film sein Instrument. Darauf fiedelt er bis der Geschichte der Handlungs- und dem Zuschauer der Geduldsfaden reißt wie Paganini die Saiten. Garrett spielt die erste Geige, vor der Kamera, dahinter und auf dem Soundtrack.
Ein Film mit David Garrett, der nicht Musik macht: das wäre ein echter Knaller. Aber natürlich musiziert Garrett in den an fadenscheinige Theaterkulissen erinnernden Szenenbildern wie ein Berserker, da es die einzige Rechtfertigung für seinen talentfreien Auftritt ist. Besteht da eine gewisse Ähnlichkeit zwischen seinem Schauspiel und dem auf der Geige? Stimmen, die ihn „Jörg Pilawa der klassischen Musik“ nennen und sein Showspektakel „Softpornopopklassikjunkfood“ würde ich persönlich jedenfalls nicht widersprechen. Ich würde ihnen vielmehr Referenz erweisen und das Filmfiasko Softpornomainstreambiopicjunkfood titulieren. Softporno passt besonders, wenn Garrett mit schmollendem Hundeblick durch einen Vorhang wirren Lockenhaars schaut. Der Blick tut seinen Dienst bei Paganinis zahlreichen Gespielinnen, deren eine ihm Sohn Achilles beschert. Beliebige weibliche Nacktheit gibt es reichlich, während man von Garrett weniger sieht als von einem lupenreinen Boygroup-Star. Wie einen solchen bekreischen Paganini die paar jungen Mädchen, die auf seiner London-Tour eine kaum zu bändigende Schar Anbeterinnen darstellen sollen. Die Bemühungen seines Impresario John Watson (Christian McKay), beim Concerto die Plätze zu füllen, kennen die Filmemacher offenkundig.
In London begegnen einem daher stets die gleichen Gestalten: die lärmende Frauenrechtlerin Primrose Blackstone (Olivia D´Abo), der homophile Lord Burghersh (Helmut Berger) und die unlautere Kolumnistin Ethel Langham (Joely Richardson). Wer gleich ihnen von dem arroganten Virtuosen, der auf ärmeres Publikum buchstäblich von der Bühne herabblickt, Watson mit seiner Prasserei ruiniert und gern seine Geringschätzung zum Ausdruck bringt, nicht hingerissen ist, erscheint als prüde, dekadent oder opportunistisch. Rose sieht beim Kinopublikum ähnlichen Aufklärungsbedarf wie Urbani bei Paganinis Publikum: „Ihnen muss gesagt werden, dass die Musik, die vor ihnen liegt, revolutionär ist!“ Etwa so wie es David Garrett tut, wenn er Skeptiker zu Snobs erklärt.
Fazit
Die Überzeugung, dass sein Genie unanfechtbar sei, wäre zumindest eine Parallele zum Titelheld, der nach über zwei Stunden gnädig abtritt, auch von der Bühne des Lebens. „Ja, sie geht über Leichen, wenn sie muss, die Musikindustrie“, seufzt Watson. Bei „Der Teufelsgeiger“ sind es die der zu Tode gelangweilten Zuschauer.
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