The Diary of a Teenage Girl, USA 2015 • 102 Min • Regie: Marielle Heller • Drehbuch: Marielle Heller • Mit: Bel Powley, Alexander Skarsgard, Kristen Wiig, Christopher Meloni, Abby Wait, John Parsons, Madeleine Waters, Quinn Nagle, Austin Lyon, Margarita Levieva • Musik: Nate Heller • Kamera: Brandon Trost • Verleih: Sony Pictures • Kinostart: 19.11.2015 • Website
Fünfzehn ist Minnie (Bel Powley) erst und freut sich gleich in der Eröffnungssequenz, in der der Film provokant erst einmal ihren Hintern zeigt, darüber, dass sie gerade zum ersten Mal Sex hatte. Wie und mit wem zeigt sich kurz danach, ein durchgehend sexuell vibrierende Stimmung ist durch die vielen expliziten Zeichnungen, ob nun bildlich oder durch Minnies Beschreibung, von Anfang an präsent. Locker-leicht stellt sich The Diary of a Teenage Girl als verschrobene Indie-Komödie vor. Das Setting im San Francisco der Siebziger, der Zeit der Hippies, zeichnt sich rundherum durch sexuelle Offenheit und Entfaltung aus, stellvertretend für Minnie, die anfängt ihre Sexualität zu entdecken. Die unbequeme Vorahnung bahnt sich jedoch langsam an, als die sexuelle Spannung zwischen Minnie und dem festen Freund (Alexander Skarsgard) ihrer Mutter (Kristen Wiig) spürbar wird. Und richtig unangenehm wird es wenn wir dem Geschlechtsakt der Minderjährigen mit dem 20 Jahre älteren Mann beiwohnen. Nach dieser sexuellen Aufblühung verschlägt es sie in einen wahren Rausch aus sexuellen Erfahrungen, die langsam krankhafte Züge annehmen.
Minnies Auffassung von Sexualität, Liebe und Erwachsenwerden ist ziemlich verkehrt und nimmt immer dramatischere Züge an. Angefangen mit unschuldigem Teenie-Sex-Gequatsche über nymphomanisches Verhalten, bis hin zu Prostitution spannt sich nach und nach der Bogen. Bis zu letzterem Punkt verpasst es der Film jedoch, sich genug davon loszulösen, irgendwie doch ein drolliger kleiner Indie-Flick zu sein. Ergo: The Diary of a Teenage Girl nimmt sein Thema zu wenig ernst. Unbequeme Themen müssen den Zuschauer nicht komplett ins kalte Wasser des Ernstes klatschen, ja, ernste Themen können und müssen auch mal mit Humor angegangen werden, aber grenzwertige sexuelle Liebesbeziehungen mit pädophilem Touch können nicht mit fluffiger Musik und ein paar Witzchen unterlegt werden. So fühlt es sich gruseligerweise fast schon an, als wäre es doch ganz ulkig, wenn sich die krankhaft nach Sex lechzende Minnie mit ihrer Freundin in einer Bar besäuft und die beiden ein paar Jungs danach auf dem Klo einen blasen. Minnie strapaziert mit ihrer schrägen, überdrehten Art und dem zunehmend (pseudo-)emanzipatorischen Auftreten schmerzhaft die Nerven der Zuschauer, auch wenn sie sich zugegeben trotz des glänzenden Casts deutlich hervorspielt.
Die Kurve bekommen tut The Diary of a Teenage Girl in wenigen Momenten und im (fast) gesamten Schlussteil dann aber glücklicherweise doch noch – positioniert sich trotzdem nicht deutlich oder abschließend zu seinen Charakteren. Die dramatische Zuspitzung hingegen ist auf den Punkt inszeniert und mit starken Einzelszenen plus auf Hochtouren laufenden darstellerischen Leistungen heraustretend. Technisch ist Marielle Hellers Drehbuch- und Regiedebüt wenig vorzuwerfen. Das 70er-Feeling hat der Film in Look, Set- und Produktionsdesign vollkommen verinnerlicht und Kamermann Brandon Trost (The Interview) kreiert die ein oder andere schicke Bildkomposition.
Fazit
The Diary of a Teenage Girl beschreibt das dramatische Dilemma eines missverstehenden und -verstandenen Teenagers mit zu wenig Gespür für den richtigen Ton, ist technisch jedoch überaus solide und bietet einen gut aufgelegten Cast.