Miss Peregrine’s Home for Peculiar Children, USA/BE/GB 2016 • 127 Min • Regie: Tim Burton • Drehbuch: Jane Goldman • Mit: Eva Green, Asa Butterfield, Ella Purnell, Allison Janney, Judi Dench, Samuel L. Jackson • Kamera: Bruno Delbonnel • Musik: Michael Higham, Matthew Margeson • FSK: ab 12 Jahren • Verleih: 20th Century Fox • Kinostart: 6.10.2016 • Deutsche Website
Tim Burtons „Die Insel der besonderen Kinder“ gehört zu jenen Produktionen, an die ich mich ohne spezifische Vorkenntnisse genähert und nach der Sichtung vollauf begeistert den Kinosaal verlassen habe. Es ist einer dieser Stoffe, von denen ich bereits in meiner Kindheit immer fasziniert gewesen bin: Zeitreisen, Helden mit außergewöhnlichen Fähigkeiten, fantastische Welten, bedrohliche Schurken und die richtige Prise Romantik und Horror. Schön unheimlich und unheimlich schön zugleich. Ich habe die populäre Romanvorlage von Ransom Riggs nicht gelesen, aber unter dem Zepter von Bilderstürmer Burton treffen sich hier Einflüsse von J.K. Rowling und Neil Gaiman, während die streng individuelle Handschrift des Regisseurs stets unverkennbar bleibt. Auch wenn Anhänger des Buches in Foren bereits hitzig über Änderungen in der Leinwandumsetzung diskutieren, darf in Anbetracht des Resultates Entwarnung für Filmfreunde gegeben werden. „Die Insel der besonderen Kinder“ ist kein seelenloser Blockbuster, der mit seinem Bestseller-Bonus den schnellen Cash-In versucht, sondern ein wundervolles Kino-Märchen mit Herz und Tiefe.
Durch die Augen des jungen Außenseiters Jake (Asa Butterfield) erleben wir dieses Abenteuer: Nach dem grausamen Tod seines geliebten Großvaters Abe (Terence Stamp), möchte der Teenager den Ursprungsort von dessen unglaublichen Geschichten aufsuchen und herausfinden, ob doch etwas Wahres in dem magischen Schmarrn steckt. Jake hat etwas Monströses in der Nähe von Abes Leiche gesehen, das ihm niemand glauben will. Von seinen Eltern und seiner Psychologin abgestempelt, findet er bei einem walisischen Dorf genau das vor, von dem ihm früher immer berichtet worden ist – einen vermeintlich sicheren Ort, der in einer Zeitschleife in der Vergangenheit liegt und so seine besonders begabten Bewohner vor einer wiederholt aufkommenden Katastrophe schützt. Es ist die Heimbesitzerin Miss Perigrine (Burtons neue Muse Eva Green), die es vermag, diesen Zauber zu vollbringen und mit ihren Schützlingen stets denselben Tag inmitten der Schrecken des Zweiten Weltkriegs zu feiern. Schließlich erkennt Jake, dass auch er unter den Unsichtbaren, Starken und Entzündbaren über eine ungewöhnliche Kraft verfügt, die ihn an seine neue Familie schweißt. Eine dunkle Macht hat es auf die Kinder abgesehen, und nur gemeinsam können sie das Unheil bezwingen …
Missverstandene Individualisten nehmen stets einen besonderen Platz in den Werken Tim Burtons ein – wohl nicht zuletzt, da der passionierte Verehrer von Gothic-Horror-Klassikern selbst zu den eigenwilligsten und immer noch unterschätztesten Künstlern der Traumfabrik zählt. „Die Insel der besonderen Kinder“ ist nun eine wahre Ode an die Andersartigkeit. Es gibt eine zentrale Szene im Film, in der ein SS-Flugzeug eine Bombe über dem Kinderheim abwirft und lediglich durch die Fähigkeit von Miss Perigrine gestoppt werden kann – das idyllische Leben einer Minderheit soll durch das rücksichtslose Treiben einer Übermacht ausgelöscht werden. Ohne zu dick aufzutragen, lässt Burton hier die Fantasy-Story geschickt mit einem realen Horror verschmelzen. Doch natürlich sind es nicht die Nazis, gegen die sich Jake und seine Freunde letztlich beweisen müssen: Unter der Führung des brutalen Barron (herrlich böse: Samuel L. Jackson) hungert eine Horde untoter Kreaturen nach den Augäpfeln der Besonderen. Nein, für ganz junge Zuschauer ist der teilweise reichlich morbide Film wirklich nicht geeignet!
Auch wenn Burton im actionreichen, aberwitzigen Finale auf einem Rummelplatz etwas zu sehr den Turbo anschaltet, ist es vor allem der sorgfältige Aufbau mit all den schillernden Charakteren, der einen nachhaltig an das Geschehen fesselt: „Die Insel der besonderen Kinder“ ist in erster Linie Jakes Coming-of-Age-Geschichte, in der der Junge seinen Platz in – oder besser: am Rande – der Welt finden muss. Da ist das enge emotionale Band zwischen dem Helden und seinem Großvater, eine zarte Liebesgeschichte zwischen Jake und der schwerelosen Emma (Ella Purnell) und am Ende natürlich die Entscheidung, ob die Rückkehr in die triste Realität eine echte Alternative zur endlosen jugendlichen Träumerei sein kann. Hier gelingt dem Regisseur ein schönes Bild, wenn sich ein Schiff aufs offene Meer begibt und die Suche nach einem neuen, sicheren Hafen beginnt.
Vielleicht geht es ja nur mir so, aber „Die Insel der besonderen Kinder“ ist nach der „Harry Potter“-Reihe genau das Projekt, das ich mir als Freund düsterer Fantasy-Geschichten von Hollywood erhofft habe. Ich freue mich bereits auf eine Fortsetzung.
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