The Last Voyage of the Demeter, USA 2023 • 119 Min • Regie: André Øvredal • Drehbuch: Bragi Schut Jr., Zak Olkewicz • Mit: Corey Hawkins, Aisling Franciosi, Liam Cunningham, David Dastmalchian, Woody Norman, Javier Botet • Kamera: Roman Osin, Tom Stern • Musik: Bear McCreary • FSK: ab 16 Jahren • Verleih: Universal Pictures • Kinostart: 17.08.2023 • Deutsche Website
Blutdurst auf hoher See: Der Horrorfilm „Die letzte Fahrt der Demeter“ nimmt sich das Kapitel „Logbuch des Kapitäns“ aus Bram Stokers berühmtem Klassiker „Dracula“ vor. Was jedoch vorab in Making-ofs vollmundig als „Alien“-auf-einem-Schiff-Schocker angepriesen worden ist, entpuppt sich leider rasch als müder Sturm im Wasserglas.
Das Projekt, welches rund zwanzig Jahre durch die Traumfabrik gegeistert und zwischendurch an Genre-Hoffnungen wie Robert Schwentke („Tattoo“), Marcus Nispel (das Remake von „Texas Chainsaw Massacre“), Stefan Ruzowitzky („Anatomie“), David Slade („30 Days of Night“) oder Neil Marshall („The Descent“) herangetragen worden ist, landete schließlich bei dem Norweger André Øvredal. Dieser hatte zuerst mit der spaßigen Dark-Fantasy-Mockumentary „Trollhunter“ auf sich aufmerksam gemacht, mit der US-Produktion „The Autopsy of Jane Doe“ einen der gruseligsten Filme der letzten Dekade erschaffen und mit der Alvin-Schwartz-Adaption „Scary Stories to Tell in the Dark“ ein Händchen für jugendfreie Mainstream-Gänsehaut bewiesen. Und das kurz vorweg: An Øvredals Regie liegt es nicht, dass einem von der knapp zweistündigen Laufzeit kaum mehr als ein schmerzender Po in Erinnerung bleibt.
In Zusammenarbeit mit Clint Eastwoods oscarnominiertem Stammkameramann Tom Stern („Der fremde Sohn“) sowie DP Roman Osin gelingen dem Regisseur zwar insgesamt schicke bis düstere Aufnahmen, das ganz große Problem ist allerdings, dass dieses so bestimmt auf dem Pfad von Ridley Scotts Weltall-Grauen wandelnde Werk es einerseits versäumt, seinen Antagonisten (laut Credits von Horror-Performer Javier Botet verkörpert, aber unter all dem CGI kaum von einem x-beliebigen Videospiel-Ghul zu unterscheiden) als wirklich bedrohliche Präsenz einzuführen und – noch viel ärgerlicher – die Demeter so gar keinen Wiedererkennungswert besitzt. Und das bei einem Schiff, das in der Horrorliteratur legendär ist und dessen Name sogar im Titel geführt wird.
Kehren wir doch nochmal zu „Alien“ zurück – einfach weil es die Verantwortlichen doch selbst unbedingt so wollen. Was hat diesen Film einst so besonders gemacht und ihn über die Jahrzehnte nur noch bei Genre-Enthusiasten weiter wachsen lassen? Sicher, da war die zunächst nur angedeutete Albtraum-Kreatur, die völlig unberechenbar die Crew dezimiert hat. Da war auch ein motivierter Cast, der zugegebenermaßen auch in Øvredals Arbeit alles gibt, aber hier mehr gegen eindimensionale Figuren als gegen den Blutsauger selbst kämpfen muss. Vor allem war da aber dieser totenstille, dunkle Ort mit seinen verwinkelten Gängen, in dem alles und nichts zu jedem Zeitpunkt passieren konnte. Im Fall der Demeter bekommt man im Gegensatz ein überschaubares Deck, zwei bis drei Quartiere und einen Gang geboten. Sicher huscht auch hier der Graf in den Ecken herum und sorgt für sporadische Jump Scares. Wahre Kino-Angst geht allerdings ganz anders und ein richtiger Spannungsborgen will sich erst recht nicht ausbilden. So verkommt diese Schreckensodyssee zur öden Horror-Butterfahrt.
„Die letzte Fahrt der Demeter“ ist unterm Strich klischeegetränkter Stoff aus der Schock-Mottenkiste. 08/15-Ware at best. Ein Film, den man als mittelmäßige Amazon– oder Netflix-Produktion anmachen würde, beim Kochen nebenher weiterlaufen lässt und beim Abspann schon wieder vergessen hat. Den Preis einer Kinokarte rechtfertigt er definitiv nicht.
Ach ja, die Story. Zunächst grob das, was wir von der Stoker-Story ja längst kennen: Die Demeter war ein Handelsschiff, das sich im Jahr 1897 von Transsilvanien aus auf den Weg nach England gemacht hat. An Bord geschmuggelt befand sich auch der untote Graf Dracula, der an der Crew seinen Blutdurst stillte und die Demeter als Geisterschiff am Zielhafen einlaufen ließ. Von den mysteriösen Ereignissen erzählten im Roman lediglich die Logbucheinträge des Kapitäns Elliot, der im Film solide von Liam Cunningham gespielt wird.
Bei der Anwerbung um neue Crew-Mitglieder – die meisten Einheimischen flüchten wohlwissend um Draculas Präsenz aus dem Hafen – landet auch der schwarze Arzt Clemens (Corey Hawkins) auf der Demeter. Dieser macht sich außer bei Elliot und dessen jungem Sohn (Woody Norman) rasch unbeliebt bei der restlichen Besatzung (u.a. David Dastmalchian als erster Maat Wojchek), die nur pünktlich am Ziel ankommen und einen Bonus einfahren möchte. Doch die Entdeckung der verletzten und an einer seltsamen Blutinfektion leidenden Anna (Aisling Franciosi) im Frachtraum lässt eine Reihe beunruhigender Ereignisse folgen. Denn wie wir ja längst wissen: Anna ist nicht der einzige blinde Passagier auf der Demeter …
Wie schon zuvor angeführt: Dem Schauspielkern von „Die letzte Fahrt der Demeter“ lässt sich kein großer Vorwurf machen. Es sind deren flache Figuren aus der Feder der Autoren Bragi Schut Jr. und Zak Olkewicz, die keinen Raum für wenigstens eine bemerkenswerte Leistung lassen. Sicher, Corey Hawkins („Straight Outta Compton“) ist fein als idealistischer und von Rassismus schwer getroffener Arzt, der eigentlich nur verstehen möchte, was die Welt im Inneren zusammenhält, doch auf seinem Abenteuer vom Dr. Faust zum Dr. van Helsing wechseln muss. Neben ihm besitzt Aisling Franciosi („The Nightingale“) als von Dracula, ja, körperlich missbrauchte Anna die meiste Strahlkraft in der Besetzungsriege und zumindest bei den Leidensgeschichten dieser zwei Figuren lässt sich ein kleiner Subtext herauslesen, der aber längst nicht über die deutlich überwiegenden Mängel des Films hinweghelfen kann.
In einem Jahr voller sehr gelungener Horrorproduktionen, in welchem sogar Grütze der Marke „The Pope’s Exorcist“ noch niederschwellig Freude bereitet hat, musste ja früher oder später noch eine herbe Genre-Enttäuschung kommen. Dass es ausgerechnet das neue Werk des eigentlich sehr fähigen André Øvredal sein musste, ist schade. Vermutlich ist ihm ein deutlich effektiverer Grusel bei der Planung im Kopf herumgespukt. Vielleicht hat die Intervention von Produzenten das Projekt erst zu einem spannungsarmen, vor sich rumdümpelnden Brei verkommen lassen. Vielleicht hätte der Regisseur auch einfach einen großen Bogen um das Drehbuch machen sollen. Wir wissen es nicht.
Wir haben aktuell nur das Resultat. Und dieses ist schlicht nicht geglückt.