Auf der Oscarverleihung im Jahre 1977 gewann Rocky (1976) die zwei wichtigsten Oscar für die beste Regie und den besten Film. Überraschenderweise hatte sich das Sportdrama damit gegen die starke Konkurrenz durchgesetzt, bestehend aus den heutigen Klassikern Network, Die Unbestechlichen, Carrie – Des Satans jüngste Tochter, Flucht ins 23. Jahrhundert, Das Omen und Scorseses Sozialdrama Taxi Driver (allesamt 1976).
Der Sieg von Rocky war thematisch die perfekte Parallele zu seinem Drehbuch, schließlich muss sich in diesem auch ein Underdog überraschenderweise gegen den Champion im Boxring behaupten. Die Geschichte von Rocky Balboa, der gegen den farbigen Titelträger Apollo Creed boxt, ist das Paradebeispiel für David gegen Goliath. Dieses Konzept ist oftmals wieder aufgegriffen worden, unter anderem in Karate Kid (1984) und Die 36 Kammern der Shaolin (1978). In keinem anderen Genre wie in dem des Sportfilms ist die Inszenierung des kleinen, hart trainierenden Kämpfers gegen den großen und überheblichen Champion so beliebt und selbst heute weißt nahezu jeder Box-, bzw. Sportfilm Merkmale auf, die auf Rocky zurückzuverfolgen sind. Zwar mag die Inszenierung der Boxkämpfe in der Rocky-Saga eher an eine Art Zirkusboxen erinnern, unterhaltsam sind die Auseinandersetzungen aber dennoch. Warrior (2011), Southpaw (2015) und Undisputed – Sieg ohne Ruhm (2002), Filme mit einer Box- oder Kampfsportthematik können nicht die starke Beeinflussung des Sportfilmklassikers abstreiten.
Doch oftmals wird in Diskussionen, Foren oder Fachzeitschriften eben nur Rocky erwähnt und nur selten sein Sequel Rocky II (1979). Dieses setzt die Geschichte des aus den Slums Philadelphias stammenden amerikanisch-italienischen Schwergewichtsboxer Rocky Balboa gekonnt fort, entwickelt Stallones eigens kreierten Charakter weiter und liefert wie schon im ersten Teil den Kampf zwischen Underdog und Champion. Zugegeben, die Fortsetzung mag nicht dieselben starken sozialkritischen Töne anschlagen wie noch der ursprüngliche Film und auch der Aspekt der Milieustudie ist reduziert worden, dennoch ist Rocky II das optimale Sequel. Während Balboa den ersten Kampf gegen Creed noch verloren hat, konnte er sich der Boxwelt gegenüber dennoch beweisen und einen Namen für sich machen. Im Sequel schafft er es letztendlich, in einem zermürbenden Kampf den Sieg an sich zu reißen, was natürlich den offensichtlichen Finalkampf darstellt.
Rocky II macht das, was ein herausragendes Sequel machen muss, bzw. machen sollte. Es entwickelt seine Charaktere sinnvoll weiter, setzt Ereignisse aus dem Vorgänger gekonnt fort und verbindet Fortsetzung und Ursprung miteinander. Es ist sicherlich keine Übertreibung, wenn man den zweiten Teil der Rocky-Reihe zu den besten Sequels zählt, die ein Filmuniversum haben kann, darunter auch Star Wars: Episode V – Das Imperium schlägt zurück (1980), Terminator 2 – Tag der Abrechnung (1991), The Raid 2 (2014) und Zurück in die Zukunft II (1989). Qualitativ möchte ich die Filme untereinander gar nicht erst miteinander vergleichen, doch sind sie zusammen mit Rocky II ein Beispiel dafür, wie gekonnt ein Sequel seinen Vorgänger weiterentwickelt und das Universum darum erweitert.
Während Rocky und Rocky II einen durchaus ernsten Ton anschlagen und Themen wie Sozialkritik und Hautfarbe behandelt, wirft Rocky III – Das Auge des Tigers (1982) solche Thematiken vollkommen aus dem sprichwörtlichen Ring. Die Milieustudie, die noch in den vorherigen beiden Filmen subtil angedeutet wurde, sucht man hier vergebens, stattdessen findet man im dritten Teil der Reihe den allerfeinsten 80er Jahre Trash. Vom ikonischen Survivor Titelsong „The Eye of the Tiger“, bis hin zu einem Wrestlingmatch mit keinem geringeren als Hulk Hogan, der dritte Teil quillt über vor Trash und skurrilen Einfällen. Balboas Kontrahent in diesem Teil ist der farbige und muskelbepackte James „Clubber“ Lang, gespielt von Mr. T, der in den berühmten Schnittmontagen als wild trainierender und brutal kämpfender Boxer dargestellt wird, dessen Erscheinungsbild an einen frühen Mike Tyson erinnert.
Doch trotz des Trashs und der für die Filmgeschichte typische 80er Jahre Verrücktheit schafft es der dritte Teil, auch emotionale Töne anzuschlagen. Rockys langjähriger Trainer Mickey verstirbt, was ihm natürlich nahe geht und unter seinem Erfolg leidet seine Motivation, was zur Folge hat, dass ein demoralisierter Rocky gegen Lang verliert. Nun muss ihn sein ehemaliger Kontrahent und mittlerweile befreundeter Ex-Gegner Apollo Creed wieder aufbauen, was in glorreichen Trainingsmontagen zelebriert wird. In bester 80er Jahre Manier rennen die beiden am sonnigen Strand gegeneinander, trainieren im maroden Gym miteinander um fallen sich in Zeitlupe im Meer in die Arme, als Balboa sein Trainingsziel erreicht hat. Ein Schelm, wer hier homoerotische Untertöne erkennen mag. Doch besonders die Montagen, die mit passender Popmusik der damaligen Zeit unterlegt sind, sind die Erkennungsmerkmale der Rocky-Saga. Unterhaltsam, energiegeladen und motivierend für das Publikum.
Rocky III – Das Auge des Tigers ist ein Konglomerat aus feinstem Trash, unerreichten Trainingssequenzen und dem Versuch, eine emotionale Geschichte zu erzählen. Vergleichen kann man die dritte Instanz der Reihe kaum mit den vorherigen beiden Filmen. Tonal sind sie zu verschieden und während Rocky und Rocky II ihren noch Fokus auf ernsthaftere Themen legen, schlägt deren Sequel eine Richtung ein, die jegliche Bodenhaftung verloren hat.
Qualitativ spalten sich am Auge des Tigers die Geister, schließlich sieht die eine Seite ihn als schlechten Trash an, der nicht weiß, was er erzählen will, während die andere Seite ihn gerade für seine abgehobene Inszenierung hochhält. Nach meiner Auffassung haben beide Parteien Punkte, die man dem dritten Rocky-Film sowohl negativ, als auch positiv anrechnen kann, doch Fakt ist, dass kaum ein anderer Film eine bessere Zeitkapsel ist, um die 80er Jahre wiederaufleben zu lassen.
Während das zweite Sequel nach dem Release des ersten Rocky-Films eine stark überzeichnete Richtung nimmt, schafft es Rocky IV – Der Kampf des Jahrhunderts (1985) jeglichen Rahmen zu sprengen. Auch wenn der Kalte Krieg 1985 bereits auf sein vermeidliches Ende zusteuerte, war das nächste Sequel das womöglich perfekte Beispiel eines US-amerikanischen Propagandafilms gegen die UdSSR. Rocky Balboa, der Boxer, der sich aus dem Slums an die Spitze gekämpft hatte, gegen Ivan Drago, einen russischen Zerstörer, der mehr an einen Superhelden erinnert, als an einen Athleten. Natürlich wird Drago als unbesiegbar anmutender Antagonist aufgebaut, der seine Gegner zermürbt und eine Schlagkraft jenseits von Gut und Böse besitzt. Doch gleichzeitig konzentriert sich der vierte Rocky-Film auf die Freundschaft zwischen Apollo und Rocky, zumindest versucht der Film dies.
Apollo möchte seine Karriere wieder aufleben lassen und plant sein Comeback gegen den russischen Hünen, obwohl sich Balboa dagegen ausspricht. Doch Creed setzt seinen Plan in die Tat um und tritt gegen Drago in das Seilgeviert. Doch das Match endet nicht mit einem Sieg des farbigen Amerikaner. In einer dramatischen Szene bittet Apollo in der Ringecke seinen Freund darum, nicht das Handtuch zu werfen und in der darauffolgenden Runde stirbt Apollo Creed im Versuch sich gegen Drago zu behaupten. Rocky macht sich daraufhin natürlich schwere Vorwürfe und schwört Rache gegenüber dem Russen. Das Match zwischen den Beiden kommt schnell zustande und soll natürlich in Russland stattfinden.
Der Plot der Rocky-Filme ist seit jeher weit davon entfernt gewesen, innovativ zu sein, doch besonders Rocky IV – Der Kampf des Jahrhunderts ist handlungstechnisch äußerst formelhaft und platt erzählt. Worin der vierte Teil jedoch der bis dato Beste ist, ist die Inszenierung des Trainings. Rocky bekommt in Russland selbstverständlich keine richtige Trainingseinrichtung, um sich auf den bevorstehenden Kampf gegen Drago vorzubereiten, sondern wird in einem heruntergekommenen und alten Bauernhof abgeladen und wird auch noch von russischen Spionen auf Schritt und Tritt verfolgt. Während Dragos Vorbereitung mit den neusten Trainingsgeräten und Methoden aufwartet, muss Rocky mit altertümlichen Handwerksgeräten trainieren, wobei er unter anderem eine komplette Kutsche stemmt. Scheinbar nebenbei läuft Balboa auch noch dem Auto der russischen Beschatter davon, während in Dragos Training suggeriert wird, dass er auf leistungsfördernde Mittel zurückgreift.
Die Absicht, den Kampf zwischen den beiden Boxern als einen Nationenkampf zwischen den USA und UdSSR zu inszenieren, liegt natürlich auf der Hand, ebenso wie die Parteilichkeit des Films. Während Balboa mit den einfachsten Mittel hart und ehrlich trainiert, wird Drago als willenlose Maschine dargestellt, die auch auf unsportliche Tricks zurückgreift, um zu siegen.
Rocky IV – Der Kampf des Jahrhunderts ist ähnlich wie sein Vorgänger eine Zeitkapsel, die den Zuschauer in den perfekten US-Propagandafilm gegen die UdSSR hineinzieht. Auch hier prallen wieder Trash und 80er Jahre Stilistik aufeinander, was teilweise äußerst amüsant ist und manchmal eher zum Fremdschämen einlädt. Mit dem vierten Teil entfernt sich die Filmreihe allerdings endgültig von jeglichem entfernten Realismus und wirkt um einiges stärker überzeichnet wie noch sein vergleichsweise realistischer Vorgänger.
Während Rocky, als auch Rocky II jeweils klare Sportdramen sind, entwickeln sich Rocky III – Das Auge des Tigers und Rocky IV – Der Kampf des Jahrhunderts in eine fast schon komödiantische Richtung, die kaum mehr etwas mit den vorrangegangenen Filmen zu tun hat. Zwar mag man den dritten und vierten Teil in gewissen Aspekten qualitativ nicht auf dieselbe Stufe stellen wie die ersten Beiden, eine Art Grundqualität teilen sich aber die ersten vier Rocky-Filme definitiv. Und dann kommt Rocky V (1992).
Der fünfte und zweifelsohne schlechteste Teil der Reihe zeigt, wie der italienisch-amerikanische Boxer dem Bankrott gegenüber steht und versucht, seinen neuen Schützling Tommy „The Machine“ Gun in der Boxwelt aufzubauen. Durch die finanziellen Schwierigkeiten muss Rocky wieder in die Slums Philadelphias ziehen und zu allem Unglück verrät ihn auch noch sein junger Protegé. Der Film endet mit einem Straßenkampf zwischen dem „Italian Stallion“ und der Maschine, in dem Balboa seinen ehemaligen Schützling ausknockt.
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