Incredibles 2, USA 2018 • 118 Min • Regie: Brad Bird • Mit den Originalstimmen von: Craig T. Nelson, Holly Hunter, Sarah Vowell, Huckleberry Milner, Samuel L. Jackson, Bob Odenkirk, Catherine Keener • FSK: ab 6 Jahren • Kinostart: 27.09.2018 • Deutsche Website
Handlung
Obwohl die Incredibles soeben Metroville vor der Zerstörung durch einen riesigen Kampfroboter bewahrt haben, bleiben Superhelden weiterhin illegal. Es kommt sogar noch schlimmer. Bei dem Versuch, den Superschurken Tunnelgräber an einem Bankraub zu hindern, entsteht großer Sachschaden. Daraufhin wird das Superhelden-Schutzprogramm eingestellt und die Familie bleibt ohne finanzielle Unterstützung. Da ihr Haus zudem am Ende des ersten Films zerstört wurde, hausen sie in einem tristen Motel. Als möglicher Retter in Not tritt Telekommunikations-Entrepreneur und Superhelden-Fan Winston Deaver (Bob Odenkirk) auf. Er spendiert den Incredibles nicht nur ein großes neues Heim, sondern schlägt auch vor, das öffentliche Image der Superhelden durch eine gezielte mediale Kampagne aufzubessern, um ihre Legalisierung zu erwirken. Zur Bobs (Craig T. Nelson) großer Verwunderung wählt Winston, gemeinsam mit seiner brillanten Schwester Evelyn (Catherine Keener), Helen alias Elastigirl (Holly Hunter) als Gesicht der Kampagne, weil sie durch ihre Dehnbarkeitskräfte weniger Schäden verursacht und leichter zu vermarkten ist. Während Helen anfangs zögernd und bald mit großer Begeisterung der Tätigkeit als Superheldin nachgehen darf, muss der geknickte Bob daheim auf die Kinder aufpassen. Diese machen es ihm nicht leicht: Violetta (Sarah Vowell) hat Probleme mit Jungs, Flash (Huckleberry Milner) mit Mathe und Jack-Jacks sich spontan manifestierende Kräfte halten Bob stets auf Trab. Die neue Rolle als Hausmann raubt ihm den Schlaf und treibt ihn in Verzweiflung. Als dann ein mysteriöser neuer Bösewicht namens Screenslaver auftaucht, der über Bildschirme andere Menschen unter seine Kontrolle bringen kann, sind wieder alle Incredibles gefragt, um den Tag zu retten.
Kritik
Es gibt keinen Pixar-Film, nach dessen Sequel sich die Fans mehr gesehnt haben als Die Unglaublichen, wofür aktuell auch die rekordträchtigen Einspielergebnisse des Films sprechen. Doch während die Animationsschmiede in der Zwischenzeit Findet Dorie, Die Monster Uni und zwei (!) Cars-Fortsetzungen produziert hat, ließ Die Unglaublichen 2 14 lange Jahre auf sich warten. Kann der Film nach einer so langen Wartezeit überhaupt die enormen Erwartungen erfüllen? Und wie er das kann! Die Unglaublichen 2 ist ein weiterer Volltreffer für Pixar und das beste Sequel des Studios seit Toy Story 2.
Trotz der langen Wartezeit zwischen den Filmen, in der das Marvel-Kinouniversum bereits 20 Filme produziert und das Superheldenkino für immer verändert hat, knüpft Die Unglaublichen 2 mühelos an den ersten Film an, als sei keine Zeit vergangen. In der Tat ist in der Handlung des Films überhaupt keine Zeit vergangen, denn die letzte Szene des Originalfilms geht direkt in die Eröffnung des zweiten Teils über. Regisseur und Drehbuchautor Brad Bird, der nach Ausflügen ins Real-Filmgeschäft mit Mission: Impossible – Phantom Protokoll und A World Beyond, erstmals seit Ratatouille wieder zu Pixar zurückkehrt, verzichtet auf jegliche Anspielungen auf die enormen Entwicklungen, die Comicverfilmungen in den letzten 14 Jahren durchgemacht haben. Stattdessen setzt er einfach seine eigene Welt fort, in der Superhelden immer noch Außenseiter sind und sich mit den gleichen Problemen herumschlagen müssen wie alle normalen Menschen.
Da es ein Pixar-Film ist, gibt es neben flotter Superhelden-Action auch viel unter der Oberfläche zu entdecken. Nachdem sich Pixars Meisterwerke Alles steht Kopf und Coco mit universellen Themen wie Emotionen und dem Tod auseinandergesetzt haben, greift Die Unglaublichen 2 aktuelle und zeitgemäße Themen auf. Die Umkehr der patriarchalen Strukturen und Frauen-Empowerment durch Elastigirls neue Rolle als Hauptverdienerin der Familie und das Vorbild der Superhelden gehen hier mit der Verletzlichkeit des männlichen Egos und dem Verlust der Selbstwirksamkeit einher. Plötzlich ist nicht mehr der starke Mann gefragt, um den Tag zu retten. Dafür steht Bob vor einer neuen Herausforderung, der er mit all seinen übermenschlichen Kräften kaum gewachsen zu sein scheint. Es war im ersten Film natürlich kein Zufall, dass die Mutter der Familie die Dehnbarkeitskräfte bekommen hat, denn wie jede Mutter bestätigen würde, werden Flexibilität und die Fähigkeit, gleich mehreren Rollen gerecht zu werden, von einer Ehefrau mit Kindern häufig erwartet. In Kontrast dazu steht Bobs anfängliche Unnachgiebigkeit. Diese wird im neuen Film gut veranschaulicht, als er an Flashs Mathe-Hausaufgaben scheitert, weil ihn die neuen Lösungswege frustrieren. Die Grundhaltung des Films ist jedoch optimistisch. Bob lernt und tut alles, um seine neue Rolle zu erfüllen. Obwohl die neue Aufteilung der Pflichten ihm zu schaffen macht, hat man nie das Gefühl, er würde seine Frau nicht unterstützen.
Eine weitere starke Frauenfigur bekommt der Film in Form von Evelyn Deaver, im Original perfekt gesprochen von Catherine Keener. Sarkastisch und augenzwinkernd, ist sie der Kopf hinter den Errungenschaften des gutmütigen, aber etwas naiven Superhelden-Wohltäters Winston.
Ein weiteres Fass, das Die Unglaublichen 2 aufmacht, betrifft die moderne Abhängigkeit von Bildschirmen. Wir sind tagtäglich von Fernsehern, Monitoren, Notebooks, Tablets, Smartphones und Infoscreens umgeben. Man braucht sich nur einmal in der Bahn umzuschauen, um zu bemerken, dass diese Geräte unser Leben bereits bestimmen (aber dazu müsste man natürlich erst die Augen vom eigenen Smartphone losreißen). Der neue Schurke Screenslaver (cooler Name!) sorgt bloß für eine Extremform dieser Abhängigkeit. Die Kritik ist nicht gerade subtil, passt aber natürlich wie die Faust aufs Auge.
Leider wird der neue Antagonist nach der Enthüllung durch einen sehr vorhersehbaren Twist deutlich uninteressanter, sobald die Zuschauer mehr über seine wenig überzeugenden Motive erfahren. Da war Syndrome aus dem ersten Film, der die Schattenseiten der Fankultur, die insbesondere in den letzten Jahren immer mehr zutage getreten sind, vorführte, deutlich cleverer angelegt. Doch der lahme Bösewicht tut dem Spaß keinen Abbruch, denn er ist sowieso vor allem ein Mittel zum Zweck, um die Familiendynamik der Incredibles auf die Probe zu stellen.
Pixars Filme waren schon immer für Jung und Alt konzipiert. Die besten Filme des Studios waren sehr intelligent und einfühlsam, ohne jedoch den Spaßfaktor zu reduzieren. Wen die zugrunde liegenden Themen von Die Unglaublichen 2 weniger interessieren, der kommt immer noch voll und ganz auf seine Kosten mit einem rasanten Superheldenabenteuer. Was dem Film im Vergleich zu WALL-E, Oben oder Coco an Gefühlen fehlt, macht er mit cleverem Witz, atemberaubender Action und fantastischen Bildern wieder wett. Zu den absoluten Höhepunkten des Films gehört eine Szene mit Jack-Jacks vielfältigen Kräften und einem armseligen Waschbär, der zur falschen Zeit am falschen Ort auftaucht. Ein echter Genuss!
Computeranimation hat in den vierzehn Jahren seit dem ersten Film große Sprünge gemacht und Brad Bird nutzt diese, um die retrofuturistische Welt der Incredibles noch detailreicher darzustellen und einige der besten Actionsequenzen des Jahres in Szene zu setzen. Ob Elastigirls Versuch, einen unkontrollierbaren Zug aufzuhalten, oder der Showdown, der sich auf See und hoch in der Luft abspielt – die Action ist einfallsreich und optisch spektakulär, unterstützt von sehr gut eingesetzten 3D-Effekten. Diesmal lohnt sich tatsächlich der Ticket-Zuschlag. Michael Giacchinos stimmige Musik rundet das Erlebnis so gut ab, dass ich mich während des Films mehrfach mit einem breiten Grinsen erwischt habe. Die Unglaublichen 2 ist mit knapp 118 Minuten Pixars bislang längster Film, doch die Zeit vergeht wie im Flug.
Während Gefühle im Hauptfilm nicht so sehr zum Tragen kommen, ist der Vorfilm Bao umso emotionaler. Die Geschichte einer lebendgewordenen Teigtasche, die von einer asiatischen Frau als eigenes Kind aufgezogen wird, ist eine perfekte Allegorie auf das Erwachsenwerden und Loslassen, bei der nicht nur Eltern am Ende eine Träne verdrücken werden. Auch wenn die Messlatte inzwischen sehr hoch liegt, ist Bao einer der besten Kurzfilme, die Pixar je produziert hat. Gemeinsam mit Die Unglaublichen 2 sorgt er für ein perfektes Kinoerlebnis.
Fazit
Was lange währt, wird endlich gut. Die Unglaublichen kehren in ihrem zweiten Abenteuer zurück und liefern ein Feuerwerk aus mitreißender Action, spektakulären 3D-Effekten, treffsicherer Situationskomik und zeitgemäßen Themen ab. So macht man ein Sequel richtig!