Flith, GB 2013 • 94 Min • Regie: Jon S. Baird • Mit: James McAvoy, Imogen Poots, Jamie Bell, Eddie Marsan, Jim Broadbent, Joanne Froggatt • FSK: voraussichtlich ab 16 Jahren • Kinostart: 17.10.2013 • Deutsche Website
Handlung
Im Mittelpunkt der Handlung steht Bruce Robertson (James McAvoy), ein schottischer Detective Sergeant mit nur einem Ziel: Er will die Beförderung zum Detective Inspector. Dabei hasst er seine Arbeit bei der Polizei in Glasgow und ebenso seine Kollegen. Und das bekommen sie auch zu spüren. Bruce spinnt eine Intrige nach der anderen, um seine Kollegen gegeneinander auszuspielen. Angespornt durch seine egozentrische, menschenverachtende Einstellung und Machtgeilheit, ist ihm jedes Mittel recht, sein Ziel zu erreichen. Die Spanne reicht von der Verbreitung prekärer Gerüchte bis hin zum Schäferstündchen mit den Frauen seiner Kollegen. Wobei „Schäferstündchen“ doch eine leicht untertriebene Umschreibung ist. Er hofft, dadurch auf der Karriereleiter emporzusteigen und somit seine Frau und seine Tochter wieder zurückzubekommen. Denn eigentlich ist Bruce ein verzweifeltes psychisches Wrack, das sein Leben seit der Trennung nicht mehr unter Kontrolle hat. Kein Wunder also, dass er zu so einem Tier geworden ist. Zu einer echten Drecksau eben.
Kritik
„Drecksau“ strotzt nur so vor bitterbösen Szenen und ist dabei gleichzeitig extrem witzig. Für jeden, der sich auf den Humor des Films einlässt, heißt das eineinhalb Stunden Unterhaltung pur. Dabei ist der Hintergrund der Geschichte eigentlich tieftraurig. Bruce wurde immerhin von seiner Frau und Tochter verlassen, was einen tiefen Einschnitt in seinem Leben zur Folge hatte. Warum sie ihn verlassen haben, glaubt er, nicht mehr zu wissen. Und so verfällt er trotz professioneller psychiatrischer Hilfe von einer Psychose in die nächste. Einige Szenen wirken dabei stellenweise etwas verwirrend, da die Stimmungswechsel von Bruce sehr plötzlich auftreten können. Diese Szenen sind aber kein Ärgernis, sondern viel mehr ein Reiz, die die (starken) psychischen Störungen des Hauptcharakters unterstreichen.
Regisseur Jon S. Baid adaptiert nicht einfach den Roman von Irvine Welsh, sondern benutzt ihn als Grundlage für seine eigene Sicht. Er schafft es jedoch die Welsh’sche Handschrift zu übernehmen. So bekommt der Film eine ganz besondere Atmosphäre, wie sie dem einen oder anderen schon aus „Trainspotting“ bekannt sein dürfte. Im Zentrum steht auch hier ein Mensch, der versucht, seine Probleme mit Kokain, Alkohol, Gewalt und vor allem Sex aus seinem Leben zu verdrängen. Die Darstellung von verzweifelter Abhängigkeit und (tiefschwarzem) Humor ist der genialen Vorlage von Welsh zu verdanken. Auch dadurch wird der Film in den über 90 Minuten nie langweilig. Selbst das Ende wirkt zwangsläufig komisch und wird mit einem nett gestalteten Abspann noch mal kindgerecht abgerundet.
Großartig ist vor allem die schauspielerische Leistung von James McAvoy. Bruce ist eine extreme Herausforderung für jeden Schauspieler. Er ist kein geradliniger Charakter, sondern besitzt schon fast eine multiple Persönlichkeit. Auf der einen Seite ist er die Drecksau, auf der anderen Seite ist er der zutiefst traurige Familienvater, der alles verloren hat, und nun am Abgrund seines Lebens steht. Die Stimmungen reichen von extrem gewalttätig bis hin zu extrem sensibel. McAvoy war daher auch für den Regisseur Jon S. Baird und den Autor des Buchs selbst, Irvine Welsh, die perfekte Besetzung.
In „Drecksau“ treffen wir viele weitere Berühmtheiten des britischen Kinos, die die Atmosphäre so real werden lassen. Neben James McAvoy ist das zum Beispiel Jim Broadbent. Er ist sicherlich vielen als Professor Slughorn in „Harry Potter und der Halbblutprinz“ bekannt, wo er sich in einen Sessel verwandeln konnte – das war selbstverständlich nicht seine einzige Leistung, aber es ist einem im Hinterkopf geblieben. In „Drecksau“ spielt er den Psychiater Dr. Rossi, der Bruce vor allem im Drogenrausch begleitet und seinen psychischen Verfall kommentiert. In der Romanvorlage übernimmt diese Aufgabe übrigens ein Bandwurm. Eine weitere Größe ist Eddie Marsen. Der in den letzten Jahren auch für Hollywood tätige Schauspieler ist mir vor allem als exzentrischer Fahrschullehrer von Poppy im Film „Happy-Go Lucky“ in Erinnerung geblieben. In „Drecksau“ schafft er es, den perfekten Stereotypen eines Buchhalters, personifiziert im Charakter Bladesey, authentisch auf die Leinwand zu bringen. Von der Haltung bis hin zur Optik, einfach nur top – und im Zusammenspiel mit Bruce extrem unterhaltsam.
Sehr nett ist auch der Deutschlandbezug in dem Film. Damit meine ich selbstverständlich nicht die kurze Hitlerparodie, sondern die Szenen, die in Hamburg spielen. Wo sonst auf der Welt kann man das Thema Sex besser in Szene setzen als auf der Reeperbahn, der sündigsten aller Meilen. Für einen solch sexuell aufgeladenen Film also der perfekte Drehort. Der Großteil der Szenen wurde jedoch in Glasgow und Edinburgh gedreht. Dadurch behält der Film auch seinen britisch-schottischen Charme.
Fazit
„Drecksau“ ist absolut kein Film für zartbesaitete Gemüter. Er entfaltet seinen Tiefgang und Humor nur, wenn man sich als Zuschauer auf ihn einlassen kann. Es ist ein absoluter Geheimtipp, nicht nur für Freunde des britischen Kinos. Meine persönliche Empfehlung: am besten im Originalton zu gucken. Der schottische Akzent verleiht dem Ganzen eine noch realistischere Atmosphäre, und der britische Humor kommt so noch besser zur Geltung.