Drive, USA 2011 • 100 Min • Mit: Ryan Gosling, Carey Mulligan, Albert Brooks, Ron Perlman, Bryan Cranston, Christina Hendricks, Oscar Isaac • Regie: Nicolas Winding Refn • FSK: Keine Jugendfreigabe • Kinostart: 26.01.2012 • Deutsche Website
Handlung
Driver (Ryan Gosling) ist ein einsamer Wolf. Tagsüber arbeitet das gefühlsarme, ständig von seiner Umwelt distanzierte Fahrgenie als Stuntfahrer für Hollywood-Filme oder schuftet in einer Autowerkstatt. Nachts verdingt er sich als unschlagbarer Fluchtwagenfahrer für sehr zwielichtige Gestalten. Beide Jobs vermittelt ihm der Besitzer der Werkstatt, Shannon (Bryan Cranston aus Breaking Bad). Seine wortkarge Fassade gerät allerdings ins Wanken, als er seine Nachbarin Irene (Carey Mulligan) und ihren kleinen Sohn kennen lernt. Irenes Ehemann (Oscar Isaac) kommt frisch aus dem Gefängnis und will mit seiner kriminellen Vergangenheit ein für alle Mal abschließen. Einige Gangster sehen das allerdings anders. Um Irene und ihren Sohn zu schützen, lässt sich Driver auf einen Raubüberfall ein, bei dem alles gehörig schief läuft. Plötzlich sind ihm Shannons kriminelle Partner Bernie (Albert Brooks) und Nino (Ron Perlman) auf den Fersen und sein bislang so routiniertes Leben wird zu einem Chaos aus Gewalt.
Kritik
Was sich nach einem generischen Hollywood Actionstreifen anhört (à la The Fast and the Furious) und in der Vermarktung durchaus quietschende Reifen, Schießereien und nonstop Action verspricht ist so ziemlich das Gegenteil davon. Wer allerdings weiß, dass der Regisseur des Films Nicolas Winding Refn heißt und sich ein bisschen mit seinen Werken auskennt, würde niemals auf die Idee kommen etwas Derartiges zu erwarten. Die letzten beiden Filme des talentierten Dänen waren der meditative Valhalla Rising und die beispiellose Charakterstudie Bronson. Obwohl Drive sein erster großer Hollywood Film ist, so spielt er dennoch weit abseits des Mainstream und das ist auch gut so.
Drive ist eine Hommage an die frühen Filme von William Friedkin und Michael Mann, wobei auch Sergio Leone nicht unerwähnt bleiben sollte (schließlich trägt der obercoole Driver in dem Film auch keinen Namen). Der Film hat einen eindeutigen Retro-Look, der an die späten Siebziger und die frühen Achtziger erinnert. Der unglaublich passende träumerische Soundtrack unterstützt dies umso mehr. Dennoch bleibt der Film, trotz der vielen Verbeugungen und Anspielungen, etwas Eigenständiges. Drive gehört eindeutig zu seinem Regisseur Refn und der Symbiose in der Zusammenarbeit zwischen ihm und seinem Star Ryan Gosling.
Gosling wurde dem breitem Publikum mit der Verfilmung der Nicholas Sparks Romanze Wie ein einziger Tag (OT: The Notebook) vorgestellt. Einen großen Durchbruch bei den Kritikern schaffte er aber zwei Jahre später mit Half-Nelson, in dem er einen drogensüchtigen, desillusionierten Lehrer spielte. Diese Rolle verschaffte ihm auch seine bislang einzige Oscar-Nominierung. Für Drive hätte er eine solche Anerkennung auch allemal verdient. Mit Filmen wie Lars und die Frauen, Blue Valentine und auch Mainstream-Streifen wie Crazy, Stupid, Love avancierte Gosling zu einem der vielversprechendsten jungen Talente Hollywoods. Jedoch wird es Drive sein, der ab jetzt seine Karriere definieren wird. Drive is für Gosling, was Taxi Driver für De Niro war. Auch zwischen diesen beiden Filmen gibt es durchaus unübersehbare Parallelen.
In Refns letzten beiden Filmen bildeten die beiden männlichen Hauptcharaktere der absolute Fokus. Mads Mikkelsen in Valhalla Rising und Tom Hardy in Bronson lieferten eindrucksvolle Darbietungen ab und es fällt schwer sich jemand anderen in den jeweiligen Rollen vorzustellen. Genauso ergeht es Ryan Gosling als namensloses Antiheld von Drive. Es ist in der Tat Refns Film, aber er würde ohne Goslings Mitwirkung nicht so funktionieren, wie er es nun tut. Viele US-Kritiker zogen Vergleiche mit dem jungen Steve McQueen (unter andere wohl wegen Bullit) und diese sind durchaus berechtigt. Gosling strahlt in dem Film eine unfassbare Coolness aus und ist weit entfernt von einem strahlenden Held, der den Tag rettet. Obwohl es nicht viel direkte Action in dem Film gibt, so unterliegt vielen Szenen mit Gosling eine unterschwellige Spannung, die sich durch kleine Details immer weiter steigert. Ein absolut eindrucksvoller Moment in dem Film besteht lediglich darin, wie Driver sich langsam seine Lederhandschuhe überstreift. Dass diese einfache Handlung in der Szene die Spannung ins Unerträgliche steigert, ist sowohl Goslings kühl untersetzter Performance, als auch Refns Gespür für gute Dramatik zu verdanken. Obwohl Goslings Charakter sich im Laufe des Films doch etwas verändert und ein bisschen durch seine harte Schale blicken lässt, findet hier keine 180 Grad Wendung statt und Driver verliert nie seine Coolness und Unnahbarkeit.
Auch wenn der Film ein stylischer Arthouse-Film ist, so gibt es durchaus Action. Diese ist, im Gegensatz zu vielen modernen Blockbustern, wohl dosiert und realistisch in Szene gesetzt. Der Film baut immer wieder Spannung auf, welche sich in teilweise überraschenden, meist extrem harten Gewaltszenen entlädt. Die Szenen, in denen Charaktere das Zeitliche segnen sind schonungslos und brutal. Auch die Autoszenen sind durchaus gut gefilmt, auch wenn man sich doch wünscht, etwas mehr von Drivers Fahrkünsten zu sehen. Am beeindruckendsten ist wohl die Eröffnungssequenz des Films, welche einen typischen nächtlichen Auftrag von Driver darstellt. Ohne massive Crashs oder lange Verfolgungsjagden zeigt Refn, wie man relativ realistisch eine sehr spannende Autofluchtsequenz in Szene setzen kann. Die perfekte Zusammenarbeit von Kamera, Schnitt und Sound schaffen einen der erinnerungswürdigsten Momente des Films.
Bei all dem Lob für den Regisseur und seinen Hauptdarsteller sollte man den Rest der Besetzung nicht außer Acht lassen. Carey Mulligan als verletzliche Irene hat wunderbare Chemie mit Gosling, auch wenn ihre Rolle an sich leider nicht viel mit sich bringt. Etwas ausgereifter ist da schon Bryan Cranstons Part als Shannon dankbarer. Sein Charakter, von dem Leben als Kleinkrimineller müde, will mit Driver als seinem Fahrer ins Renngeschäft einsteigen. Hingerissen zwischen seinem Egoismus und der Loyalität zu Driver liefert Cranston ein überzeugendes Bild eines gebrochenen Mannes. Die Highlights aus der Riege der Nebendarsteller stellen allerdings Ron Perlman und Albert Brooks dar. Perlman spielte in seiner Karriere schon viele harte Kerle, aber seine Rolle in Drive ist dennoch etwas anders. Es wird deutlich gemacht, dass auch er nur ein kleiner Fisch ist und müde ist von einem Leben so weit unten in der Hierarchie. Trotz nur weniger Szenen arbeitet Perlman hier eine tiefgründigere Figur heraus als es sonst zu erwarten wäre. Nicht minder beeindruckend ist Albert Brooks, der hier sehr ungewöhnlich besetzt ist. Der Comedian in seiner ersten Kinorolle seit acht Jahren spielt einen undurchschaubaren Charakter, der zunächst als der besonnene Part des Gangster-Duos erscheint, bei dem aber eine inhärente Bedrohung unter der Oberfläche schlummert. Brooks mimt hier definitiv einen der besten Antagonisten des Jahres.
Der Film ist nicht frei von einigen Neo-Noir Klischees und Drivers Bereitschaft Irene und ihrem Ehemann nach einer relativ kurzen Bekanntschaft zu helfen und somit seinen sehr strikten Kodex zu brechen ist natürlich fraglich. Wer sich aber auf diesen Film und seine unvergleichbare Atmosphäre einlässt, stellt sich nicht solche Fragen.
Fazit
Drive ist eine hypnotische Reise in die Abgründe einer undurchschaubaren Seele und die Untiefen der menschlichen Gewalt. Anschnallen und genießen!