Quelle: Fantasy Filmfest
Tausende Genrefilm-Liebhaber, Horrorfans, Splatter-Aficionados und alle Cineasten, die Werke etwas abseits des Gewöhnlichen und leicht Bekömmlichen zu schätzen wissen, fiebern in Deutschland Jahr für Jahr einem Event im August/September entgegen. Dann macht nämlich das Fantasy Filmfest seine Runden in Deutschland und als größtes heimisches Genre-Filmfestival hat die Veranstaltung uns schon so einige unvergessliche Momente beschert und spätere Genreklassiker vorgestellt.
Als jemand, der sich mit Stolz zu jeder der oben genannten Gruppen zählt, freue auch ich mich seit mittlerweile über einem Jahrzehnt auf das Fantasy Filmfest. Seit meinem ersten Besuch 2004 als blutjunger 18-Jähriger habe ich keins der Festivals verpasst und mittlerweile fast 300 Filme auf dem Fantasy Filmfest gesehen. Dabei waren Meisterwerke, die ich bis heute noch regelmäßig gerne schaue, grundsolide Genrevertreter, Überraschungen, aber natürlich auch Filme, an deren Inhalt ich mich bereits nach einem Monat kaum noch erinnern konnte und Streifen, die so grauenhaft waren, dass ich sie leider nicht so schnell vergessen konnte – die sogenannten "Gurken" der jeweiligen Festivals. Es gibt nichts Gutes ohne Schlechtes und dennoch bereue ich es eigentlich bei keinem einzigen Film, ihn beim FFF gesehen zu haben. Auch wenn das Festival und die Filmauswahl sich über die Jahre durchaus verändert haben und sich auch (verständlicherweise) an veränderte Geschmäcker angepasst haben, ist es die stets spürbare Festival-Atmosphäre, die für mich auch darin besteht, Filme unter Gleichgesinnten zu schauen, ein wesentlicher Faktor, weshalb ich das Fantasy Filmfest niemals missen möchte.
Ein weiteres Jahr ist nun vorüber und das 29. Fantasy Filmfest ist im Anmarsch. Im Gepäck hat es 52 neue Filme – die niedrigste Anzahl seit 1999 und eine der niedrigsten in der Festivalgeschichte überhaupt. Das liegt hauptsächlich daran, dass, wie schon im Vorjahr, in den Festivalstädten nur noch ein Kinosaal bespielt wird und die Festivaldauer gegenüber 2014 von 12 auf 11 Tage verkürzt wurde (wofür ich nach dem tollen, aber dennoch sehr ermüdenden FFF 2014 sehr dankbar bin). Doch letztlich soll ja Qualität vor Quantität gehen und bei 52 Beiträgen ist die Wahrscheinlich immer noch sehr hoch, dass für jeden Geschmack etwas dabei ist. Wie in den letzten Jahren werde ich wieder mit meinem Fantasy-Filmfest-Tagebuch von ausgewählten Filmen berichten, wenn das Festival Ende des Monats in Köln gastiert. Da auf meinem Programm mehr als 30 Filme stehen (für alle 52 fehlt mir das Durchhaltevermögen, befürchte ich), kann ich versprechen, einen Großteil des Filmangebots abzudecken. Doch bevor wir zum Tagebuch kommen und der Vorhang zum Eröffnungsfilm des diesjährigen Festivals in Berlin am 5. August aufgeht, möchte ich in unserer ausführlichen Vorschau das diesjährige Programm vorstellen und auf das eine oder andere potenzielle Highlight besonders hinweisen. Bereit in die sonderbare, gruselige, spannende, lustige, gefährliche und gelegentlich auch eklige Welt des diesjährigen Fantasy Filmfests abzutauchen? Dann folgt mir auf meine kurze Reise durch die diesjährige Filmauswahl.
Auf den ersten Blick auf das diesjährige Filmprogramm fällt einem geübten Filmfan, der die aktuelle Genre-Landschaft mitverfolgt, womöglich auf, dass es dieses Jahr nicht besonders viele im Vorfeld stark gehypte Filme im Programm gibt, die bereits mit sehr großen Erwartungen ins Festival gehen. Die Rede ist vn Filmen wie District 9, Moon, You’re Next oder Tucker & Dale vs. Evil. Doch auf der anderen Seite ermöglicht die jetzige Zusammenstellung von Filmen, von denen zahlreiche in Deutschland noch gar keinen Verleih gefunden haben, genau das, worauf viele Festival-Gänger hoffen – die Entdeckung neuer Filmperlen. Wo keine spezifischen Erwartungen sind, dort ist das Überraschungspotenzial größer. Davon abgesehen hat das diesjährige Fantasy Filmfest eine wirklich gut ausgewogene Mischung an Filmen zu bieten, die all die typischen und von den FFF-Besuchern beliebten Elemente vereinen. Es gibt Vampire, Zombies und Werwölfe, sadistische Killer und Geister, Mindfuck-Szenarien und handgemachten Splatterspaß im Angebot. Auch starke Filme aus Frankreich und Fernost dürfen natürlich nicht fehlen und im Gegensatz zu den letzten Jahren fanden sogar mehrere deutsche bzw. deutschsprachige Filme ihren Weg ins Programm. Das Staraufgebot der diesjährigen Filme kann sich sehen lassen. Oscargewinner Adrien Brody, Nicole Kidman und Jean Dujardin sind ebenso vertreten wie Genre-Lieblinge Michael Ironside (gleich doppelt!), Katharine Isabelle, Tony Todd und Donnie Yen sowie auch Hollywoods Actionlegende Arnold Schwarzenegger.
Viel Aufmerksamkeit wird natürlich, wie immer, auf dem Eröffnungsfilm liegen. Nachdem die postapokalyptische Welt von The Rover und der Realfilm/Animations-Hybrid The Congress in den letzten Jahren eher mittelmäßig rezipiert wurden, setzt das FFF auf rabenschwarze Satire. Die Verfilmung von John Nivens Skandalroman "Kill Your Friends" (Bild links) mit Nicholas Hoult (X-Men – Zukunft ist Vergangenheit) in der Hauptrolle, feiert beim Fantasy Filmfest Weltpremiere und erzählt von einem jungen Soziopathen (Hoult), der, um in der gewissenslosen Musikindustrie voranzukommen, auch vor Mord nicht zurückschreckt. Mit böser Comedy konnte das Fantasy Filmfest bereits 2012 gut punkten, als Sightseers das Festival eröffnete und wenn Kill Your Friends an dessen Gemeinheits-Faktor herankommt, steht uns ein wirklich toller Opener bevor.
Besonders stark erscheint mir dieses Jahr das französische Kino beim Fantasy Filmfest. So bildet Éric Hannezos Remake von Mario Bavas Spätklassiker Rabid Dogs das diesjährige Centerpiece und dem intensiven Trailer nach zu urteilen, könnte es zu den wenigen Neuverfilmungen gehören, die einen Blick wert sind. In dem Film geht ein Bankraub schief, die Kriminellen nehmen drei Unschuldige als Geiseln und begeben sich auf die blutige Flucht. Besonders freue ich mich auf The Connection (Bild rechts), der allein schon durch seine grandiose Besetzung aus Jean Dujardin, Gilles Lellouche und Benoît Magimel Interesse weckt. Alle drei waren mit Filmen auf dem Fantasy Filmfest vertreten – Dujardin mit den Agenten-Komödien OSS 117, Lellouche mit dem spannenden Actionthriller Point Blank und Magimel mit dem Gangsterfilm Crime Insiders. In The Connection stehen sich Dujardin und Lellouche als Kontrahenten gegenüber im Kampf gegen die berüchtigte "French Connection" – den organisierten Drogenschmuggel über Marseille in den Siebzigern. Der hierzulande unter dem Titel Der Unbestechliche bekannte Film glänzt aber nicht nur mit einer Top-Besetzung, sondern der Trailer (unten) verspricht auch glanzvoll inszenierte Crime-Unterhaltung, die wieder einmal zeigt, dass das französische Kino in Kontinentaleuropa seinesgleichen sucht. Ebenfalls von unseren gallischen Nachbarn im Angebot: Night Fare, in dem zwei Ganoven auf die böse Tour lernen müssen, dass der Ruf on Pariser Taxifahrern nicht umsonst schlecht ist. Außerdem bringt mit Nobody from Nowhere Regisseur Matthieu Delaporte (Der Vorname) einen Film über einen unscheinbaren Mann (Matthieu Kassovitz), der aus seiner tristen Existenz ausbricht, indem er Identitäten anderer kurzzeitig annimmt. Doch was ist, wenn er eine davon nicht ablegen will? Last, but not least ist natürlich der neuste Film des FFF-Stammgastes Quentin Dupieux zu erwähnen, Reality. Seine bisherigen Streifen Rubber, Wrong und Wrong Cops liefen allesamt beim Festival und spalteten auch stets das Publikum. Mittlerweile weiß man aber natürlich, worauf man sich einlässt, wenn man die durchgeknallte Welt des avantgardistischen Filmemachers betritt.
Doch auch die Fans des asiatischen Kinos werden auf ihre Kosten kommen. In Kung Fu Killer jagt Martial-Arts-Maestro Donnie Yen als in Ungnade gefallener Cop den titelgebenden Killer, der es auf Kung-Fu-Meister abgesehen hat. Wer auf spektakuläre Kampfkunst steht, weiß, dass auf Yen in dieser Hinsicht stets Verlass ist. Mit Parasyte: Part 1 erwartet die Zuschauer die schräge Umsetzung eines bekannten Mangas und der diesjährige Director’s Spotlight gehört der japanischen Filmlegende Takashi Miike. Mit seinem 98. Film Yakuza Apocalypse entfesselt er einen Krieg in der kriminellen Unterwelt, bei dem aber auch Vampire und weitere übernatürliche Wesen mitmischen dürfen.
Apropos Vampire – zu den ungewöhnlicheren Beiträgen dieses Jahr dürfte die österreichisch-schweizerische Koproduktion Therapie für einen Vampir gehören, die Tobias Moretti als depressiven Blutsauger auf Sigmund Freuds (!) Couch schickt. Hier kann das deutschsprachige Genrekino sich hoffentlich wieder beweisen. Neben Vampiren gibt es aber natürlich auch Werwölfe und Zombies im Angebot. In Howl müssen sich die Insassen eines Nachtzugs gegen die pelzigen Gestaltwandler wehren und das sieht nach verdammt großem Spaß mit handgemachten Verwandlungs- und Splattereffekten aus. Zombies gibt es gleich mehrfach, jedoch immer mit unterschiedlichen Ansätzen. In der Partygranate Deathgasm sind es zwei Metaller, die sich gegen die wandelnden Toten zur Wehr setzen. In Extinction, mit "Lost"-Star Matthew Fox, machen erblindete Zombies eine vereiste postapokalyptische Welt unsicher. Inszeniert wurde der Film vom Spanier Miguel Ángel Vivas, dessen Film Kidnapped vor einigen Jahren auf den Fantasy Filmfest Nights sehr guten Eindruck gemacht hat und für mich zu den besten Filmen des Home-Invasion-Subgenres gehört. Blutrünstige Zombieangriffe stehen nicht im Fokus des Vater-Tochter-Dramas Maggie (Bild links), in dem Arnold Schwarzenegger die vermutlich untypische Rolle seiner Karriere spielt und endlich seine schauspielerischen Fähigkeiten unter Beweis stellen darf. Als verzweifelter Vater muss er machtlos zusehen, wie seine Tochter (Abigail Breslin) sich nach einem Zombiebiss langsam verwandelt und ihm entgleitet. Die Rubrik Geisterhorror ist hingegen durch Will Canons Demonic vertreten, in dem die immer großartige Maria Bello mitspielt und der von James Wan (Insidious, Conjuring) produziert wurde, Canon selbst überzeugte mich auf dem FFF vor einigen Jahren mit seinem Thrillerdrama Brotherhood.
Wer das Festival in München besucht, darf sich auf ein ganz besonderes Highlight freuen. M. Night Shyamalan wagt mit The Visit (Bild rechts) seine Rückkehr ins Horrorkino und der Film wird exklusiv im Rahmen des Münchener FFF zu sehen sein, wo Shyamalan auch als Stargast ihn or Ort vorstellen wird. In The Visit besuchen die Geschwister Becca und Taylor erstmals ihre Großeltern und es dauert nicht lange, bis sie merken, dass im Haus der beiden alten Leute etwas gewaltig nicht stimmt. Es gelten einige Regeln, darunter, dass man sein Zimmer nach halb zehn unter keinen Umständen verlassen darf – nicht umsonst! Shyamalan konnte mit seinen letzten Filmen wie The Happening, Die Legende von Aang und After Earth nicht viele Freunde finden und der gute Ruf, den er mit seinen frühen Filmen wie The Sixth Sense und Signs – Zeichen aufgebaut hat, wurde nach und nach zerstört. In dem Versuch, diesen wieder herzustellen, drehte er dem Hollywood-System den Rücken und inszenierte The Visit als Low-Budget-Produktion mit eigenen Mitteln. Hoffentlich konnte der neue Ansatz seinen kreativen Funken wieder entfachen. In den anderen Städten läuft anstelle von The Visit übrigens Matteo Garrones opulentes, düsteres Märchen The Tale of Tales (hierzulande: Das Märchen der Märchen), das bereits im Wettbewerb in Cannes lief und auf jeden Fall sehenswert ist.
Besonders erfreulich ist dieses Jahr die Auswahl an Creature Features und Tierhorror. Diese Filme treffen bei mir meist einen Nerv. Im irischen Horrorstreifen The Hallow muss eine Familie sich gegen feindselige Wesen aus den Wäldern wehren. In The Pack gehen wilde Hunde einer anderen Famlie an den Kragen. Die deutsche Koproduktion Stung lässt riesige Killerwespen auf das Publikum los (potenzielle Partygranate!) und Bite ist eine Hommage an David Cronenbergs Die Fliege und der Trailer verspricht ekligen Body Horror vom Feinsten – nichts für einen schwachen Magen. Einen solche sollte man übrigens auch nicht haben, wenn man sich Excess Flesh anschaut, einen Film über den Mager- und Schönheitswahn. Mehr sei dazu nicht verraten, doch der Trailer alleine macht neugierig (oder lässt einen angewidert wegschauen).
Abgeschlossen wird das Fantasy Filmfest mit Cop Car (Bild rechts), einem Thriller, in dem Kevin Bacon einen alles andere als hilfsbereiten Gesetzeshüter spielt. Er jagt zwei zehnjährigen Jungen hinterher, die seinen Polizeiwagen verlassen gefunden haben und damit prompt eine Spritztour machen. Was sie nicht wissen, ist, dass Bacons Bad Cop darin die buchstäbliche Leiche im Kofferraum hat und das Auto mit allen Mitteln zurückhaben möchte. Der Trailer (unten) sieht verdammt spannend aus und es ist auch der Film, mit dem Jon Watts Sony davon überzeugen konnte, als Regisseur für den nächsten Spider-Man-Film engagiert zu werden. Auch das macht neugierig.
Informationen zu allen weiteren Filmen samt allen Spielzeiten, Trailern und Stargästen findet Ihr auf der offiziellen Website des Fantasy Filmfests. Unten sind die Termine des FFF 2015:
Berlin – 5.-16. August
Nürnberg – 6.-16. August
Frankfurt – 13.-23. August
Hamburg – 20.-30. August
Köln – 20.-30. August
Stuttgart – 20.-30. August
München – 27. August – 6. September
Falls Ihr unsere FFF-Tagebücher aus den letzten drei Jahren anschauen möchtet, findet Ihr sie hier.
Zu guter Letzt habe ich noch die Trailer zu den fünf Filmen aus dem diesjährigen Angebot zusammengestellt, auf die ich mich am meisten freue:
The Connection
The Hallow
Excess Flesh
https://youtu.be/Lw6x3jI6UuE
Turbo Kid
Cop Car
Schaut ab dem 21. August bei uns für die Berichterstattung über das Kölner Fantasy Filmfest rein!