Liebe Filmfutter-LeserInnen,
es ist wieder so weit. Das Fantasy Filmfest 2013 ging gestern auch in Köln los (unser Übersichts-Artikel über das diesjährige Festival). Es freut mich Euch, wie schon im letzten jahr, mein Fantasy-Filmfest-Tagebuch zu präsentieren, in dem ich Tag für Tag in Form von Kurzkritiken über die Filme berichte, die ich auf dem Filmfest gesehen habe. Wer sich das Formst vom letzten Jahr anschauen möchte, kann dies hier tun. Zu manchen wird es später noch möglicherweise Langkritiken geben, doch hier geht es vor allem darum, einen groben Überblick über die Highlights (und die unvermeidlichen Tiefpunkte) des Fests zu berichten. Auf dem Programm stehen für mich dieses Jahr mindestens 25 Filme, wobei eine sehr breite Auswahl an Genres vertreten ist. Zu den Filmen, zu denen Ihr hier demnächst etwsas zu lesen bekommen werdet, gehören unter anderem der umjubelte US-Slasher You’re Next, die angebliche Genre-Perle aus Israel Big Bad Wolves, Neil Jordans Vampirfilm Byzantium, Ben Wheatleys Nachfolger zu Sightseers, A Field in England und viele mehr. Zudem werde ich auch davon berichten, wenn sonstige interessante Ereignisse auf dem Fantasy Filmfest stattfinden und Euch vielleicht auch dank einem kleinen Interview mit einem der Veranstalter einen kleinen Blick hinter die Kulissen gewähren.
Für mich persönlich ist es ein ganz besonderes Jahr. Nicht nur, weil ich erst zum zweiten Mal eine Dauerkarte besitze, sondern auch, weil es für mich mein 10. Jahr beim Fantasy Filmfest ist (mögen noch viele weitere folgen!). Umso mehr freut es mich, meine Erfaghrungen mit Euch zu teilen.
Am ersen Tag wurden, wie üblich, zwei Filme gezeigt, die unterschiedlicher wirklich kaum sein könnten: Ari Folmans The Congress und Mike Mendez' Big Ass Spider. Ich schätze die einzige Gemeinsamkeit ist, dass die beiden dem Medium "Film" angehören. Bevor ich mit meiner Meinung zu den Filmen loslege, möchte ich hier noch kurz Lob an die Organisatoren des FFF, die sich mit dem Eröffnungsfilm etwas getraut haben, loswerden. Das ist auch völlig unabhängig von meiner persönlchen Meinung über den Film. Es freut mich einfach, dass es nach all den Jahren Fantasy Filmfest immer noch kein "Muster" gibt, nach dem das Festival eröffnet wird. Es wäre bestimmt ein leichtes gewesen, einen sicheren Crowd-Please wie z. B. Cottage Country, Frankenstein’s Army oder auch Vincenzo Natalis Haunter als Eröffnungsfilm zu nehmen. Doch trotz einiger Gegenstimmen (wie häufig musste ich schon "Animation ist so gar nicht meins!" lesen!) beschritten die Organisatoren einen eher unkonventionellen Pfad mit dieser hochkomplexen Mischung aus Realfilm und Animation. Alleine dafür gebührt ihnen Lob. So bleibt die Gestaltung des Festivals auch im 27. Jahr frisch!
TAG 1
Wer erwartet, dass Ari Folmans Nachfolger zu seiner bahnbrechenden animinierten Doku Waltz with Bashir (ebenfalls seinerzeit auf dem Fantasy Filmfest gelaufen) als eine lose Adaption von Stanislaw Lems "Der futurologische Kongress" leichter verdauliche Kost sein wird, sei gewarnt. Leicht ist bei The Congress gar nichts und zu verdauen gibt es einiges. Robin Wright spielt eine (sehr) fiktive Version von sich selbst. Sie ist eine Hollywoodschauspielerin mittleren Alters, deren Karriere vor dem Stillstand steht. Sie hat viele Chancen geopfert, um bei ihrem schwer kranken Sohn Aaron (Kodi Smit-McPhee aus The Road) zu sein. Dann erhält sie ein einzigartiges Angebot. Sie soll eingescannt werden und per Vertrag die Rechte an ihrem digitalen Abbild abgeben. Das bedeutet, dass sie für die Laufzeit des Vertrags nirgends sonst als Schauspielerin tätig sein darf, während das Studio Miramount (ja, nicht so subtil) ihr digitales Selbst verjüngt und als Schauspielerin in diversen Filmen nutzt. Schweren Herzens und unter Zureden ihres Agenten (toll: Harvey Keitel) stimmt sie zu. Zwanzig Jahre später ist der Vertrag nahezu abgelaufen und die digitale Robin ist ein großer Actionstar. Robin Wright (die echte) wird als Ehrengast zu dem futurologischen Kongress eingeladen, wo ihr eine weitere Vertragsverlängerung vorgeschlagen wird – diesmal mit einer unglaublichen zusätzlichen Klausel. Um zum Kongress zu gelangen, muss Robin allerdings nach Abrahama, eine animierte Matrix-artige Welt/Dimension, in die man per Einnahme von Halluzinogenen gelangt.
Ab hier wechselt der Film von Realfilmaufnahmen in die Animation, die man von Folman erwartet und hier fangen die Dinge an, wirklich schräg zu werden. Und noch schräger. Und danach noch viel schräger. Große Ambitionen sind bei Filmemachern meist lobenswert, auch wenn sie zum Scheitern verurteilt sind. Viel ambitionierter als Folmans The Congress geht es kaum, der Waltz with Bashir fast so komplex wie eine "Simpsons"-Folge aussehen lässt. Das Ergebnis ist jedoch gemischt. Der Anfang des Films ist sehr stark – sowohl die Realfilmszenen als auch das erste Eintauchen in die animnierte Welt (ein Hoch auf die Animatoren von Folman!). Die Kritik am Hollywood-System und dem Celebrity-Kult ist zwar häufig etwas weniger subtil als man sich das gewünscht hätte, doch es funktioniert, vor allem weil Robin Wright ihr Herz und ihre Seelle in diesen Film investiert und sich vollkommen offenbart.
Doch im Verlauf des Films nimmt sich der Film einfach zu viel vor. Filmgeschäft, Familie, Anti-Depressiva, Identität, Freiheit, Dystopie, Zukunfstvisionen – das sind nur einige der Themen, die Folman in seinem Film anschneidet. Manche mit Erfolg, manche weniger. Spätestens in seinem letzten Drittel verirrt sich der Film in seiner konfusen erschaffenen Welt ähnlich wie Robin Wrights Charakter in den Halluzinationen und findet erst kurz vor Schluss wieder den richtigen Pfad und lässt wieder echte Emotionen zu. Allerdings wird auch das Ende mehr Fragen offen lassen als beantworten und ich bin nicht sicher, ob an dem Punkt die Antworten einen überhaupt noch interessieren. Oder die Fragen. 3/5
Es ist schon ein ziemlicher Geniestreich gewesen, einen Film wie Big Ass Spider direkt nach The Congress anzusetzen. Nach zwei Stunden kopfzerbrechend komplexer Story und extrem ersten Tönen, konnte man wirklich nicht noch einen ernsten und/oder dramatischen Film den Zuschauern vorsetzen. Wie gut, dass Big Ass Spider von Mike Mendez (Convent) nicht weiter entfernt sein könnte von Adjektiven wie "ernst" oder "dramatisch". Der Filmtitel sagt es schon, oder? Jep, es ist ein Film über eine großen Spinne, eine verdammt große Spinne. Doch es ist auch eine klassische Heldengeschichte, wie man sie schon tausende Male aus Hollywood gesehen hat. Ein Loser (in dem Fall Greg Grunberg aus "Heroes" als sympathischer, aber finanziell eingeschränkter Kammerjäger) gerät in eine Situation, in der er dank seinen speziellen Fähigkeiten (und einer ganz großen Portion Mut gemischt mit Dummheit) und mithilfe eines etwas stereotypen mexikanischen Sidekicks (Lobardo Boyar) den Tag retten kann. Natürlich bekommt er auch das Mädchen (süß und tough: Clare Kramer). Mit Situation ist eine Alien-Spinne gemeint, die schon am Anfang übergroß erscheint, aber auch noch alle paar Stunden ihre Größe vervierfacht. Daneben gibt es Ray Wise als hartgesottenen Militär-Typen und Lin Shaye und Lloyd Kaufman schauen ebenfalls kurz vorbei.
Das klingt nach sehr viel Trash-Spaß und was anderes möchte der Film gar nicht sein (immerhin der erste große Monsterspinnen-Film set Arac Attack vor 11 Jahren). Doch leider ist der Film zwar immer Trash, macht aber nur manchmal Spaß. An Grunberg liegt es sicher nicht, der seinen Jedermanns-Losercharme versprüht. Sein Gehilfe ist dabei aber leider vorwiegend nervig denn witzig. Wie es aber so häufig bei Filmen ist, die sehr bewusst darauf setzen, als Trash-Spaßgranate beim Publlikum gut anzukommen, wirkt die Herangehensweise häufig zu gewollt. Die Qualität der Spinneneffekte varriiert auch sehr stark von Szenen zu Szene, hält sich aber meistens immerhin über dem TV-Niveau. Es gibt auch genug Blood ’n' Gore, um den Horrorfans ein Lächeln auf die Gesichter zu zaubern, doch man wünscht sich wirklich sehr, der Film würde bei den Spinnenangriffen zumindest ein bisschen auf handgemachte Effekte setzen und nicht auf Pixel-Zauberei. Denn hier setzt das geringe Budget der Vorstellungskraft des Regisseurs eindeutige Grenzen. Allerdings war der Film trotzdem die Art von leichter Kiost, die man gebracht hat, um von The Congress "runterzukommen" und besser als Mike Mendez' letzter FFF-Beitrag, The Gravedancers, war dieses Creature-Feature allemal! 2,5/5
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In unserer nächsten Ausgabe gibt es unter anderem meine Meinung zu Raze, Europa Report und Miserere – Choral des Todes.