Voller Elan stürzte ich mich in den letzten Tag des Fantasy Filmfests 2013. Obwohl das FFF erst vor einer Woche begonnen hat, kam es mir länger vor. Das kommt wohl davon, wenn man eine Woche lang einen großen Teil des Tages nur im Kino verbringt. Doch wie immer, war es auch ein großer Spaß und ich bin dankbar, dass ein Festival wie das Fantasy Filmfest existiert und es hoffentlich noch viele viele Jahre tun wird. An meinem letzten Tag habe es geschafft, schlechte Filme zu vermeiden. Im Gegenteil – es fing mit einem ordentlichen Streifen an und ab da ging es in qualitativer Hinsicht nur noch aufwärts.
TAG 8
Mark ist ein ganz gewöhnlicher britischer Schuljunge. Er ist beliebt, spielt gerne Fußball und interessiert sich für Mädchen. Doch Mark hat versucht, seinen unbeliebten und häufig gehänselten Mitschüler John zu töten. Während John im kritischen Zustand im Krankenhaus liegt, ist Mark davon überzeugt, das Richtige getan zu haben und beteuert, dass er bald aus der Haft entlassen werden wird. Wie es zu all dem kommen konnte, das erzählt uns uwantme2killhim? über 90 Minuten in Form von Flashbacks, die die letzten drei Monate vor Marks Angriff auf John beschreiben .
Nach acht Jahren Auszeit kehrt der Regisseur Andrew Douglas mit seinem ersten Spielfilm seit dem Amityville-Horror-Remake zurück. Auch hier beruft sich der Film auf eine wahre Begebenheit, die trotz Abwesenheit übernatürlicher Elemente nicht minder verblüffend und schockierend ist. Auch wenn die Namen der Beteiligten verändert wurden, soll sich die Geschichte mehr oder weniger so wie dargestellt zugetragen haben. Während sich an der Inszenierung wenig aussetzen lässt und das Schauspiel der beiden Jungdarsteller Jamie Blackley und Toby Regbo sehr überzeugend ist, leidet der Film daran, dass der so geheimnisvoll aufgebaute Ausgang der Geschichte, erfahrenen Zuschauern nach spätestens 15 Minuten schmerzhaft offensichtlich ist, wodurch der Film einen Großteil seiner Spannung einbüßt. Keine Frage, die Geschichte, auf der der Streifen basiert, ist mit Sicherheit faszinierend und die Einordnung in die erste Hälfte des letzten Jahrzehnts hilft dabei, zu verstehen, wie so etwas sich zugetragen haben könnte (als die Internetnutzer noch unerfahrener und gutgläubiger waren). Dennoch ist durch die Tatsache, dass man als Zuschauer allen Beteiligten scheinbar weit voraus ist, keine der Entwicklungen wirklich überraschend. 3/5
Wenige Filme haben die Fantasy-Filmfest-Besucher von 2012 so sehr gespalten wie die Horror-Anthologie V/H/S. Auch wenn bei weitem nicht so gelungen wie beispielsweise Trick 'r Treat, fand ich V/H/S für Genrefans, denen der "Found Footage"-Ansatz keine Kopfschmerzen bereitet, durchaus sehenswert. Das Problem des ersten Films war die ungleiche Qualität der einzelnen Beiträge und eine ziemlich öde Rahmenhandlung, in die die verschiedenen Tapes eingebettet wurden. Die gute Nachricht für alle: V/H/S 2 ist definitiv eine Verbesserung gegenüber seinem Vorgänger und stellt tatsächlich die beste Horror-Anthologie seit dem oben erwähnten Trick 'r Treat dar. Die schlechte Nachricht: die Rahmengeschichte, die von einem Detektivenpaar handelt, das auf der Suche nach einem verschwundenen Teenager in einem scheinbar verlassenen Haus auf einige merkwürdige VHS-Tapes stößt, ist immer noch träge und bildet den uninteressantesten Teil des Films. Dafür sind die einzelnen Segmente insgesamt deutlich stärker als das, was der erste Film geboten hat.
In Adam Wingards "Phase I Clinical Trials" wird einem Mann nach einem Unfall ein künstliches Auge eingesetzt, welches alles, was er sieht, aufzeichnet. Durch das Auge ist er aber plötzlich in der Lage, Geister zu sehen – und sie ihn! Die innovative Sichtweise, bei der man das Geschehen buchstäblich durch das Auge des Hauptcharakters sieht, sorgt für einige sehr spannende Momente, wenn auch der Schluss etwas zu plötzlich kommt und einen mit offenen Fragen zurücklässt. In "A Ride in the Park" von Eduardo Sánchez, einem der Blair-Witch-Project-Regisseure, erleben wir einen Zombieangriff aus Sicht eines Radfahrers, der selbst zum Zombie mutiert ist. Es ist eine nette, innovative Herangehensweise an das abgedroschene Zombie-Thema. Das unumstrittene Highlight ist aber das dritte Segment vom The-Raid-Regisseur Gareth Evans und Timo Tjahjanto. Darin begibt sich eine Gruppe Dokumentarfilmer zu einer mysteriösen Sekte und erlebt wahrlich die Hölle auf Erden. Je weniger ich über diese Episode, genannt "Safe Haven", erzähle, desto besser. Es sei nur gesagt, dass sie gut anfängt, die Spannungsschraube sehr schnell anzieht und am Ende ein solches bizarr-durchgeknalltes Niveau erreicht, dass mir in den letzten fünf Minuten den Mund kaum noch schließen konnte. Allein wegen dieses Segments wird der Film absolut keine Chance bei der FSK haben. In "Slumber Party Alien Abduction" von Jason Eisener (Hobo with a Shotgun) erleben wir wiederum eine eher unoriginelle, aber dennoch nicht minder spannungsgeladene (tolle Soundeffekte!) Alien-Entführungsgeschichte, wobei hier ein Teil der Ereignisse durch eine Kamera gesehen wird, die an einem Hund angeschnallt ist.
Insgesamt behebt V/H/S 2 erfolgreich diverse Mängel des Vorgängers, unter anderem dadurch, dass er etwas 20 Minuten kürzer geraten ist und er letztlich darauf pfeift, den Zuschauer glauben zu lassen, es würde sich tatsächlich um VHS-Aufnahmen handeln. Stattdessen konzentriert sich der Film darauf, möglichst spannende Geschichten auf eine möglichst "neue" Art und Weise darzubieten. Gegner der Wackelkamera wird V/H/S 2 aber dennoch nicht überzeugen. 4/5
Kein FFF-Film hatte dieses Jahr so sehr die Last des im Vorfeld angesammelten Hypes zu tragen, wie You’re Next. Glücklicherweise erfüllt er diese und bildet einen guten Gegenpol zu Adam Wingards letztem FFF-Beitrag (die V/H/S-Filme ausgenommen), A Horrible Way to Die, der an Trägheit und Zähigkeit kaum zu überbieten war. Davon ist bei You’re Next nichts zu spüren. Mit AJ Bowen, Joe Swanberg und Amy Seimetz ist das Hauptdarsteller-Trio von A Horrible Way to Die auch bei You’re Next dabei sowie auch eine Reihe anderer Schauspieler und Filmemacher, mit denen Wingard in Vergangenheit zusammengearbeitet hat, allen voran der House-of-the-Devil-Regisseur Ti West, dem hier eine kurze, aber denkwürdige Rolle als Dokumentarfilmer verpasst wurde.
Die Handlung von You’re Next ist schnell erzählt und wirkt auf den ersten Blick, als hätte an sie allein in den letzten fünf Jahren schon mehrfach gesehen. Crispian (AJ Bowen) fährt mit seiner Freundin Erin (Sharni Vinson) zu einem großen Familientreffen seiner Verwandtschaft. Der Anlass – der 35. Hochzeitstag seiner Eltern. Gerade hat sich die große Familie samt Anhang am Esstisch versammelt und mit den üblichen Zankereien angefangen, fliegt plötzlich ein Pfeil durch das Fenster und durchbohrt einen der Anwesenden. Mehrere maskierte Personen belagern das Haus, scheinbar mit einem einzigen Ziel: alle darin zu töten. Doch sie haben die Rechnung ohne Erin gemacht, die sich zur Überraschung aller als äußerst widerstandsfähig und einfallsreich entpuppt.
Ein Home-Invasion-Thriller, denkt man sich also, wie man ihn bereits mit The Strangers, Them und dieses Jahr schon The Purge – Die Säuberung gesehen hat. Vermummte, unheimliche Gestalten, dringen in das traute Heim einer Familie ein und schlachten alle ab. Hat man davon nicht schon genug gesehen? Nicht so wie in You’re Next jedenfalls. Ja, in vielen Fällen beugt sich You’re Next den Genrekonventionen, doch das tut er ganz bewusst, um sie häufig geschickt auf den Kopf zu drehen. Sind in solchen Filmen die Familien einfach nur wehrlose Opfer, die von den Killern, die ihnen stets einen Schritt voraus sind, dezimiert werden und das auch noch ohne ersichtlichen Motiv, so haben die Killer bei You’re Next durchaus eine Motivation und die Opfer bleiben nicht wehrlos, während die Täter bei weitem nicht allmächtig wirken, sondern tatsächlich menschlich. Während der Film einen Anlauf braucht, bis die Dinge sich in Bewegung setzen und in der ersten halben Stunde (nach einem furiosen, genretypischen Einstieg) eher nach einer Familien-Tragikomödie anmutet, geht nach dem ersten Angriff alles so schnell, dass der Zuschauer kaum noch die Zeit hat, um Luft zu holen. Zum absoluten Star der zweiten Filmhälfte entwickelt sich dann Sharni Vinson. In Bait – Haie im Supoermarkt noch als Leinwandschmuck eingesetzt, ist sie als Erin hier eine der besten Scream-Queens der letzten Jahre – ohne Übertreibung. Sie weigert sich von erster Sekunde an, Opfer zu sein und wehrt sich mit allen Kräften und überraschend effektiv gegen die Eindringlinge in einer Manier, die an eine Horrorversion von Kevin allein zu Hause erinnert. Dabei fließt das Blut in Strömen und die Zuschauer schwanken zwischen Lachern und Anspannung. Darüber hinaus hat der Film noch die eine mehr oder minder überraschende Wendung bis zum Ende und eine perfekte Schlussszene.
You’re Next stellt das Genre nicht auf den Kopf, wie The Cabin in the Woods und Scream es vor ihm taten. Doch es reicht auch, dass er die mittlerweile angestaubte Formel an einigen Ecken anpasst und umdreht, mit Vinson eine starke Heldin aufbringt und das Ganze mit einer Prise natürlichem schwarzen Humor und viel Kunstblut würzt – fertig ist der beste und kurzweiligste Slasher der letzten fünf Jahre. 4/5
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Das war’s schon mit den diesjährigen Filmen vom Fantasy Filmfest. Insgesamt habe ich 29 Filme auf dem FFF 2013 gesehen (und über 30 in meinem Tagebuch berichtet) – lediglich in einem anderem Jahr (2009) waren es mehr, und zwar 33. Ich hoffe Ihr habt Spaß gehabt, über meine persönlichen High- und Lowlights vom diesjährigen Filmfestival zu lesen. Ich habe es jedenfalls genossen, Euch davon zu berichten. Ein weiterer (allerletzter, versprochen!) Artikel zum Fantasy Filmfest 2013 folgt jedoch noch in Kürze. Darin ziehe ich mein Fazit von diesem Jahr und habe zudem noch ein kurzes Interview mit einem der Organisatoren, sodass Ihr auch einen Blick hinter die Kulissen des FFF erhaschen könnt.
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