Liebe Filmfutter-LeserInnen,
Alle Jahre wieder, heißt es doch so schön. Schon wieder ist ein Jahr rum und wir berichten in unserem bewährten Tagebuch-Format vom Fantasy Filmfest in Köln. Wer neu dabei ist und sich die Ausgaben aus den letzten Jahren anschauen möchte, kann dies hier tun. Das Konzept ist simpel. Ich werde zu jedem Tag des Fantasy Filmfests in Köln Kurzkritiken zu den Filmen schreiben, die ich an dem Tag jeweils gesehen habe und nach unserem 5-Sterne-Schema bewerten. Zu machen dieser Filme wird es später bei uns auch Langkritiken geben (beispielsweise bei The Rover und Under the Skin). Da aber nicht alle davon von mir stammen werden, kann es durchaus sein, dass es dort Abweichungen in der Wertung geben wird
Was uns dieses Jahr erwartet ist auf jeden Fall ein abwechslungsreiches Programm, in dem heftige Horrorschocker, abgehobene Filmkunst, schräge Komödien, Weltuntergangsdramen und blutige Action Seite an Seite stehen (unsere ausführliche Vorschau gibt es hier). Werwölfe, Vampire, Geister, Serienkiller, Kannibalen, Außerirdische, fiese Polizisten und eine männermordende Krankenschwester mit einer Abneigung gegen viel Kleidung erwarten mich und damit auch Euch in den nächsten 12 Tagen. Einfach wird es sicher nicht, schon das bisherige 8-Tage-Format des Fantasy Filmfests zehrte stark an meinen Kräften, denn für unsere Leser versuche ich möglichst viele Highlights aus dem Programm mitzunehmen und darüber zu berichten. Diesmal dauert der Spaß vier Tage länger, sodass ich mich bereits mit reichlich Kaffeegetränken und Energy Drinks eingedeckt habe und mit einer Mischung aus großer Aufregung und leichtem Grauen den nächsten 11 Tagen entgegensehe. Doch zum Glück habe ich bereits zehn Jahre an FFF-Erfahrungen hinter mir, die es mir möglich gemacht haben, sechs Filme an einem Tag im dunklen Kinosaal zu sehen und ohne dabei den Verstand zu verlieren. Dabei gilt immer – je abwechslungsreicher das Programm, desto schneller vergeht die Zeit. Und dieses Jahr sieht es jetzt schon nach sehr guten Voraussetzungen aus.
So auch am ersten Tag, an dem die einzige Gemeinsamkeit der beiden gezeigten Filme war, dass sie nicht sonderlich viel Humor enthielten (abgesehen von dem der unfreiwilligen Art wie im zweiten Film). Den Auftakt machte in Köln nach einer (wie immer netten) Begrüßung durch die Veranstalter ein australischer Endzeit-Streifen. Nach dem wirklich gewöhnungsbedürftigen The Congress letztes Jahr, griffen die Veranstalter dieses Mal auf etwas Bewährtes zurück für die Opening Night. Endzeitfilme haben eine Tradition beim Fantasy Filmfest und es ist nicht lange her, dass mit Carriers ein bereits post-apokalyptischer Film das Festival eröffnet hat. Wie auch Carriers, wird The Rover sein Publikum mit Sicherheit spalten und wer gerne wieder Spaß à la Severance, Sightseers oder Black Sheep (allesamt auch Eröffnungsfilme aus vergangenen zehn Jahren) möchte, ist hier eindeutig fehl am Platze. Als Eröfnungsfilm fand ich ihn jedoch definitiv nicht unpassend. Mehr zu The Rover und dem zweiten Film des ersten Tags, gibt es unten, im ersten Eintrag unseres FFF-Tagebuchs 2014.
TAG 1
Endzeitszenarien aus Australien lassen bei einem Filmfan automatisch die Gedanken in Richtung Mad Max gleiten. Dass Down Under in puncto post-apokalyptische Welten noch mehr zu bieten hat, zeigt Regisseur David Michôd, der vor einigen Jahren mit seinem Gangsterdrama Animal Kingsom für Furore gesorgt hat. Auch wenn das Ergebnis kein Meisterwerk ist und sicherlich nicht wie die Mad-Max-Reihe in die Annalen der Filmgeschichte eingehen wird, zeugt The Rover in fast jeder Minute von Michôds Regietalent und seinem Auge, die traurige Schönheit in der Tristesse zu finden. Denn eigentlich lässt sich der Film und die darin erschaffene Welt mit einem Wort beschreiben – trostlos. Angesiedelt in Australien zehn Jahre nach dem ominösen "Kollaps", folgt der Zuschauer dem von Guy Pearce mit einer Extraportion an Stoizismus gespielten Mann, dessen Namen wir erst im Abspann des Films erfahren. Eine Dreier-Bande stiehlt seinen einzigen Besitz in dieser gottverlassenen Welt, seinen Rover, und er setzt alles, aber auch wirklich alles daran, sein Auto zurückzuholen. Begleitet wird er dabei, zunächst unfreiwillig, von Rey (Robert Pattinson), einem minderbemittelten Mitglied der Gang, die den Rover gestohlen hat. Rey wurde nach einem Überfall totgeglaubt zurückgelassen und soll jetzt helfen, das Versteck der Bande ausfindig zu machen.
Wem schon Ryan Goslings Figur aus Drive oder Only God Forgives zu unnahbar und distanziert war, sollte einen Bogen um The Rover machen, denn die verbalen Äußerungen von Guy Pearces Figur sind so karg, wie die Landschaft um ihn herum. Nur gelegentlich gewährt er Einblicke in seine zerstörte Seele, meist durch ein intensives Augenspiel, und lässt einen wundern, weshalb Pearce nach L.A. Confidential nicht zu einem größeren Filmstar geworden ist. Seine Figur ist kein klassischer Antiheld und wird in keinster Weise sympathisch dargestellt. In einer Welt, in der alle Gesetze des menschlichen Miteinanderlebens längst verfallen sind, hat auch er keine Probleme über Leichen zu gehen. Ob seine Opfer es "verdienen" oder nicht, bleibt dabei völlig irrelevant. Das Herz des Films, wenn es denn eins hat, ist Pattinsons Rey, der abermals zeigt, dass Twilight einfach keine gute Bühne für sein durchaus vorhandenes Talent war. Die außerordentlich langsame Annäherung zwischen zwei Männern ist das Kernstück des Films, die Jagd nach dem Rover bleibt bestenfalls zweitrangig. Rey soll anfangs nur helfen, das Auto wiederzufinden, doch stattdessen lässt er die Hauptfigur seine verlorengeglaubte Menschlichkeit wiederzuentdecken – zumindest das, was davon noch übrig ist.
Michôd inszenierte mit The Rover einen bildgewaltigen Film, in dem die staubigen australischen Locations grandios in Szene gesetzt und mit einem eigenwilligen und teils verstörenden Sound unterlegt wurden. Es gibt keine Frage, dass der Film auf die große Leinwand gehört (wo er in Deutschland leider nicht landen wird). Trotzdem bleibt in dem Film etwas auf der Strecke. Nachdem Michôd die deprimierende und nihilistische Grundstimmung des Films etabliert hat, kommt leider nicht mehr viel. Alles ist trist, trostlos, hoffnungslos, traurig, verloren und kaputt. Und auch wenn es scheint, als gäbe es vielleicht noch etwas oder jemanden, der einen aus der Trostlosigkeit und Einsamkeit herausholen könnte, wird auch das nicht von Dauer sein. Alles ist schlecht. Darüber hinaus hat der Film eigentlich nicht viel zu sagen und trägt damit trotz sehr guter Ausgangsvoraussetzungen zum Endzeit-Genre trägt letztlich nichts Neues bei. Insbesondere die Auflösung am Ende verfehlt ihre Wirkung und lässt einen kalt. Vielleicht dann doch lieber Mad Max nächstes Jahr. 3,5/5
Eine US-amerikanische Urlauberfamilie wird in der Nähe von Lyon Opfer von einem grausamen Angriff, der die Mutter schwerverletzt zurücklässt und ihrem Ehemann und ihrem Sohn das Leben kostet. War es ein Mensch oder ein Tier – das ist die große Frage. Aufgrund der vagen Aussagen der Mutter über ein behaartes Wesen mit riesigen Händen wird der Außenseiter Talan Gwynek aufgrund seiner sonderbaren körperlichen Erscheinung verhaftet und als potenzieller Täter den Medien vorgestellt. Das ruft die ambitionierte Anwältin Kate Moore (A.J. Cook aus Final Destination 2) auf den Plan, die gemeinsam mit ihrem Team, zu dem auch ihr Ex Gavin gehört, beweisen will, dass Talan aufgrund einer seltenen erblichen Krankheit physisch gar nicht dazu in der Lage sein konnte, die Morde zu begehen. Dazu muss er jedoch in einer Klinik bestimmten Tests unterzogen werden und hier geht der Spaß erst los…
Ich weiß eigentlich nicht, warum ich in einen Film von William Brent Bell reingegangen bin und einen guten Horrorfilm erwartet habe. Immerhin hat der Mann bereits zwei Werke verbrochen, die mir 180 Minuten an Lebenszeit gestohlen haben – Devil Inside und Stay Alive. Aber gemäß dem englischen Sprichwort "Third time is the charm" und in der Hoffnung nach langer Zeit wieder einen interessanten, ernsthaften Werwolf-Film zu sehen, in dem auch keine Vampire mitmischen (glitzernd oder nicht), habe ich mich auf Wer eingelassen. Doch leider hat Bell seit seinen letzten desaströsen Ausflügen ins Horrorgenre wenig dazugelernt und so ist Wer eine Mischung aus unfreiwilligem Humor, inkompetenter Inszenierung und langweiligen Charakteren geworden. Immerhin rundet er in dieser Hinsicht Bells Horrortrilogie des Grauens damit auch perfekt ab.
Wer lässt sich Zeit, bevor es hier wirklich zur Sache geht. Viel Zeit. Di erste Hälfte des 90-minütigen Films ist mehr "CSI" denn Horror. Die Ermittlungen von Kates Team bringen eine Verschwörungskomponente um Landkäufe und Nuklearabfall in den Film rein, für den Fall, dass die Werwolfthematik alleine den Zuschauer nicht bei Laune halten kann. An sich ist es ja kein Problem, sich mit dem Zeit zu lassen, um die Figuren und ihre Konstellationen zu entwickelt. Filme wie Descent – Abgrund des Grauens oder Wolf Creek sind mit diesem Ansatz auch gut gefahren. Nur leider sind die Hauptcharaktere von Wer dermaßen schablonenhaft gestaltet, dass man als Zuschauer einfach keinerlei Interesse und Sympathien für sie aufbringen kann. Die Protagonistin hat kürzlich ihren Vater verloren und fühlt mit dem Verdächtigen mit, ihr Ex sehnt sich immer noch nach ihr und der dritte im Bunde ist ein Hacker, der aufgrund irgendwelcher frühen Handlungen nicht in die USA zurück darf. All das wird kurz angerissen, den Zuschauern vor der Nase gewedelt und dann genau so schnell wieder fallengelassen. Nicht besser macht es auch die Regie der angeblich spannenden Momente des Films, der größtenteils in "Found Footage"-Optik präsentiert wird, ohne dass jedoch tatsächlich jemand das Geschehen filmen soll. Das geht teilweise ins Absurde, wenn uns ein Video von dem Angriff auf die amerikanische Familie gezeigt wird, bei dem unklar ist, wer das Video denn bitteschön gedreht haben soll, wenn Papa, Mama und Kind vor der Kamera von einer Bestie zerfleischt werden. Auch der ständige Griff zu billigen "Buh!"-Schreckmomenten, wenn ein Hund plötzlich über die Straße läuft oder Fledermäuse aus einer Höhle fliegen, nervt schnell.
Zugute halten muss man dem Film, dass er versucht, der Ernsthaftigkeit der Werwolf-Thematik stets treu zu bleiben, auch wenn die Erklärungen von Mondeinflüssen auf den Wassergehalt des menschlichen Körpers lachhaft klingen. Sehr gelungen sind außerdem die überraschend blutigen Moment ein der zweiten Filmhälfte, die nahezu komplett handgemacht sind und zeigen, dass zumindest einige talentierte Leute an dem Film arbeiteten. Besonders unangenehm – eine Szene die (möglicherweise unabsichtlich) Erinnerungen an Luis Buñuel weckt. Wer sich jedoch auf interessanten Transformationsszenen freut, sei gewarnt – der Werwolf hier ist einfach ein sehr behaarter Mann, der bei Vollmond einfach noch etwas haariger wird. 1,5/5
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In der morgigen Ausgabe des Fantasy Filmfest Tagebuchs 2014 werden neben hoher Arthouse-Kunst auch 3D-Trash und Asia-Action geboten. Ihr könnt euch auf Kritiken zu The Divine Move, Suburban Gothic, Nurse 3D und das potenziell frühe Festival-Highlight Under the Skin freuen.