Liebe Filmfutter-LeserInnen,
so langsam kommt Euer treuer Berichterstatter vom Fantasy Filmfest in Köln wieder in den Rhythmus des Festivals hinein. Hilfreich ist dabei auf jeden Fall mein Rucksack, vollgepackt mit Wasser, Kaffee und Energy Drinks. Noch ist die Aufmerksamkeitsspanne eigentlich groß; die Müdigkeit wird sich erst ab der zweiten Festivalhälfte einschleichen und dadurch unweigerlich größere Anforderungen an die gezeigten Filme stellen. Doch auch eines wachen Kopfes konnte ich am zweiten Tag des diesjährigen Fantasy Filmfests noch kein richtiges Highlight feststellen. Es gab einmal netten Trash mit tollen Maskenbildnern, einen dummen Home-Invasion-Horrorfilm mit wilden Hunden anstelle von maskierten Killern, und ein ruhiges Zombiedrama, das nur knapp an dem Status eines FFF-Highlights vorbeischlitterte. Immerhin. Sorgen würde ich mir noch keine machen, es liegen ja schließlich noch neun Tage und mindestens 30 weitere Filme vor mir. Doch zunächst einmal geht es hier um The Pack (nicht zu verwechseln mit dem international genau so betiteltem Opening-Night-Film des FFF 2010), Maggie und Bite. Kurze Filme mir kurzen Titeln, die vermutlich nicht besonders lange im Gedächtnis verbleiben werden.
TAG 2
Dass Hunde nicht immer die besten Freunde des Menschen sind, wissen wir spätestens seit der Stephen-King-Adaption Cujo. In The Pack ist es ein ganzes (titelgebendes) Rudel an wilden Hunden, das unseren Protagonisten (und auch allen anderen Menschen) ans Leder will. Wie uns eine Infotafel zu Filmbeginn erklärt, haben sich weltweit zahlreiche Rudel von wilden Hunden gebildet, die nach Lust und Laune andere Tiere töten. Hat der Film eine Agenda gegen wilde Hunde? Dass mit ihnen nicht zu spaßen ist, versteht sich von selbst, doch dass sie nicht aus Hunger, sondern aus Spaß an der Freude fröhlich Mensch und Tier zerfleischen, lässt mich schon die Augen rollen. Noch haarsträubender ist aber, dass die Filmemacher offensichtlich so wenig Ahnung von echten Hunden haben, dass sie dem Glauben verfallen sind, man könne sich vor Hunden einfach hinter einer Tür verstecken oder das Licht ausschalten und sich im Dunkeln verbergen. Es ist ja nicht so, als hätten Hunde einen extrem ausgeprägten Geruchssinn. Oh ja, da war ja was…
Aber okay, auch Steven Spielberg hat sich beim Verhalten des weißen Hai seine künstlerischen Freiheiten gelassen. Wenn der Rest funktioniert, kann man darüber hinwegsehen. Aus irgendeinem Grund – vielleicht aus meiner frühen Liebe zu Der weiße Hai und Jurassic Park – habe ich eine Schwäche für Tierhorror. Nur zu blöd, dass es in diesem Subgenre nur so selten gute Vertreter gibt. The Pack ist leider ebenfalls keiner davon. Es beginnt schon bei der schablonenhaften Zeichnung der Charaktere. Da ist der gutherzige Vater, naturverbunden und ein Farmer mit Herz und Seele, der seine Farm den gierigen Landhaien nicht überlassen will, obwohl er bis zum Hals in Schulden steckt. Die Frau, die als Tierärztin arbeitet, ist selbstverständlich verständnisvoll und unterstützend. Die missgelaunte Teenie-Tochter hasst es natürlich, auf dem Land zu leben, und der junge, pfiffige Sohn fühlt sich, wie auch sein Vater, in der Natur zu Hause. Eine solche Konstellation hat man schon Dutzende Male gesehen und The Pack mag daran auch kein bisschen rütteln. Doch auch das könnte man ihm noch verzeihen, wenn er in Aspekten wie Spannung oder Atmosphäre punkten könnte. Fehlanzeige! Die meisten Schreckmomente signalisiert der Film einem meilenweit voraus, die tatsächliche Gefahr für die Familie ist an keinem Punkt wirklich spürbar und die wilden Köter wirken nur selten bedrohlich, egal wie viele Close-Ups es von ihren fletschenden Zähnen gibt. Das ist eigentlich schade, denn der Ausgangspunkt eines Home-Invasion-Szenarios, in dem die externe Bedrohung von Mutter Natur kommt, wäre eine interessante Variation des Genres gewesen. Doch stattdessen wird hier unterdurchschnittliches Filmfutter serviert, dem das "Friede, Freude. Eierkuchen"-Ende die traurige Krone aufsetzt. 1/5
Ohne Zombiefilme kann es kein Fantasy Filmfest geben, doch nicht jeder Zombiefilm muss Splatterorgien beinhalten oder aber die wandelnden Toten als Gagvorlage nutzen. Bereits The Returned schlug letztes Jahr bei den Fantasy Filmfest Nights leise Töne an und war mehr ein Drama als ein Horrorfilm. Maggie geht noch einen Schritt weiter, und verzichtet nahezu völlig auf Horror- oder Spannungsmomente. Die Zombieplage als solche wird auch nur am Rande angerissen und die Handlung setzt ein, wenn die Eindämmung des dafür verantwortlichen Virus mittlerweile gut vorangeschritten ist und die Menschen wieder versuchen, zur Normalität zurückzufinden. Wades (Arnold Schwarzenegger) Leben gerät jedoch aus den Fugen, als seine geliebte Tochter Maggie (Abigail Breslin) gebissen und infiziert wird. Von da an sind es nur wenige Wochen bis zur vollständigen Verwandlung und dann muss Maggie in die "Quarantäne", wobei jene nichts anderes als Vernichtungslager für Infizierte darstellt.
Machen wir uns nichts vor, Arnold Schwarzenegger ist vermutlich der Hauptgrund, weshalb sich die meisten Leute diesen Film anschauen werde. Deshalb komme ich direkt auf den Punkt: ja, Arnie zeigt sich hier von einer anderen als seiner Äktsch-Seite, doch von einer oscarreifen Leistung ist er immer noch ein wenig entfernt. Die Rolle des stoischen Beschützers und liebevollen Vaters ist ihm wie auf den Leib geschrieben und statt Muckis lässt er hier Emotionen (und gelegentlich sogar die Tränensäcke) spielen. Doch letztlich verlangt der Part ihm auch nicht allzu viel ab und sobald er den Mund aufmacht, ist und bleibt es eben unmissverständlich Arnie. Obwohl sich die meisten Gespräche um den Film stets auf ihn konzentrieren, ist Abigail Breslin der eigentliche Star des Films. Nicht nur hat sie deutlich mehr Screentime, es ist auch ihre rührende Performance, die einem am meisten in Erinnerung bleibt. Wir durchleben mit ihr die Verzweiflung, die Wut und die Resignation im Angesicht ihrer tödlichen Krankheit. Nichts anderes ist die Zombieplage hier nämlich. Es geht um die Akzeptanz des Unausweichlichen und darum, vom geliebten Menschen Abschied zu nehmen. Man könnte den Zombievirus auch durch eine x-beliebige tödliche Epidemie ersetzen und das Ergebnis wäre kaum anders. Das Problem des Films liegt eher darin, dass seine Grundidee vom schmerzvollen langsamen Verlust und der innigen Vater-Tochter-Beziehung eigentlich schnell ausgeschöpft ist und an und für sich einfach nicht genug Material für die 90-minütige Laufzeit hergibt, sodass einige Passagen sich leider sehr zäh anfühlen. Der Film blüht dann auf, wenn wir Maggie auch außerhalb von ihrem trauten Heim folgen, beispielsweise auf eine Party, auf der es zu einer zarten Annäherung zwischen ihr und ihrem ebenfalls infizierten Ex-Freund kommt.
Entsprechend seiner Thematik ist die Grundstimmung von Maggie durchweg deprimierend und düster und der ganze Film ist in ein lebloses Grau getaucht, was manchmal fast schon zu viel des Guten ist. Gelegentlich sieht man Maggie auch an, dass Erstlingsregisseur Henry Hobson hier mit geringen Mitteln arbeiten durfte, doch alles in allem wird eine durchaus überzeugende Welt erschaffen, die der Apokalypse knapp entgangen ist. Trotz seiner Makel ist Maggie ein sehenswerter Beitrag zum Zombiegenre, in dem der horrorerprobte Zuschauer daran erinnert wird, dass auch jeder Zombie mal ein Mensch war. 3,5/5
Die Fliege lässt grüßen und ihr Name lautet Casey. Chad Archibalds Ekel-Horrorfilm Bite erweist David Cronenbergs Klassiker unter Body-Horror-Filmen eine respektvolle Hommage, samt handgemachter Verwandlungseffekte und einer symbolträchtigen Erzählung. Eigentlich läuft für Casey (Elma Begovic) alles wie geschmiert. Mit ihren Mädels Kirsten (Denise Yuen) und Jill (Annette Wozniak) lässt sie es in Costa Rica ein letztes Mal als Junggesellin krachen, bevor es eine Woche später unter die Haube gehen soll. Es gibt dann natürlich diesen einen Ausrutscher mit einem Kerl in der Bar, doch was in Costa Rica passiert, bleibt in Costa Rica. Außer Insektenbisse – sie begleiten einen auch nach Hause zurück und wenn man besonders viel Pech hat, wie Casey, verwandeln sie einen in ein insektartiges Monster.
Cronenberg hat in Die Fliege die AIDS-Ängste der Achtziger verarbeitet. Ganz so ambitioniert ist Bite nicht, doch auch hier soll die (sehr) schleimige Verwandlung nicht der Selbstzweck sein. Anfangs manifestieren sich darin Caseys Zweifel an der Hochzeit und ihre Ängste; später wird ihr neues Ich zur Waffe der Emanzipation und Selbstbehauptung gegenüber allen anderen, die ihr übel mitgespielt haben. Diese metaphorische Schicht ist hier natürlich viel dünner als bei Cronenberg und die Figurenzeichnung ist schon arg simpel, wenn es um die hasserfüllte Schwiegermutter in spe und falsche Freunde geht. Die Wendung, durch die der Film einen zu überraschen glaubt, sieht der geübte Zuschauer schon meilenweit im Voraus. Letztlich schaut sich aber kaum jemand den Film wegen seiner Tiefgründigkeit oder eines komplexen Plots an. In puncto Ekelfaktor und tolles Makeup enttäuscht Bite nicht, insbesondere wenn man sich vor Augen führt, dass hier vermutlich nur ein Bruchteil des Budgets von Die Fliege zur Verfügung stand. Diese Einschränkung merkt man dem Film an seinem begrenzten Setting (fast alles spielt sich in einem Apartment-Komplex ab) an, jedoch nicht an den Maskeneffekten, die mit viel Liebe zum Detail umgesetzt wurden. Ausfallende Fingernägel, säurehaltiger Speichel, Haarverlust und viel Schleim, Schleim, Schleim – hier wird überzeugend das volle Seth-Brundle-Programm abgespielt. Man ekelt sich, kann aber die Augen trotzdem nicht abwenden. 3/5
____________________________________________________________
Mein nächster Eintrag ins Fantasy Filmfest Tagebuch 2015 wird märchenhaft, mysteriös und schonungslos pessimistisch – Euch erwarten u. a. Kurzkritiken zum Cannes-Beitrag Das Märchen der Märchen, dem harten Gangsterdrama Hyena und dem perfiden Thriller The Invitation von Karyn Kusama. Bleibt dran!
Bisherige Ausgaben: